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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Außenpolitisches aus Rußland

Belgien Kato), und die in Petersburg anwesenden Mitglieder des russischen
Reichsrates haben die Organisation des Empfanges für die japanischen Kollegen
in die Hand genommen. Eine Reihe von rauschenden Festlichkeiten, Besuch
von Moskau und anderen größeren russischen Städten sind geplant. Da der
Delegation auch kaufmännische Mitglieder zugeteilt sind, unterliegt es keinem
Zweifel, daß Vorbereitungen für eine japanisch-russische Handelskonvention
neben Handels- und Industriespionage der eigentliche Zweck des Besuches ist.
Hand in Hand damit geht der Wunsch nach einer Vertiefung der Freundschafts¬
gefühle, die auf Grund des russisch-japanischen Bündnisses zwischen den beiden
Ländern entstanden sind. Die Gefühle scheinen allerdings vorläufig noch etwas
einseitige zu sein, und den Russen wird bange vor den weitgehenden Absichten
der Japaner. Am 13. August haben in Tokio Festlichkeiten aus Anlaß der
russisch-japanischen Vereinbarungen stattgefunden, und der japanische Premier¬
minister hat auf dem Festessen des Verbandes der japanischen Handelskammern
sich dahin geäußert, "daß die neuen Vereinbarungen das Ergebnis der Anstren¬
gungen Japans seien, sein Prestige in der Welt zu heben und eine Ausnahme'
Stellung im fernen Osten einzunehmen. Die Pariser wirtschaftliche Konferenz
sei faktisch ein wirtschaftlicher Verband der Ententemächte, und die japanischen
Kaufleute und Industriellen müßten alle Anstrengungen machen, um die russisch-
japanische Vereinbarung im Interesse der Erweiterung der Handelsbeziehungen
zu Nußland auszunutzen. Den japanischen Waren werde es jetzt nicht schwer
sein, in Rußland mit den deutschen Waren zu konkurrieren, und Japan könne
sich wenigstens die Hälfte des deutschen Imports nach Rußland sichern."

Diese Äußerung hat die Russen traurig gemacht. Die "Rjetsch" sagt
melancholisch "die Hälfte der deutschen Einfuhr nach Rußland!" Diese Formel
gebe eine Vorstellung von den Aufgaben, die Japan seiner jungen Industrie und
seinem Handel stellt und den Hoffnungen, die Japan auf den russischen Markt
setzt. Wenn auch die japanischen Gäste in Rußland die Aufnahme finden würden,
die von Hochachtung für den jetzigen Verbündeten erfüllt sei, so gehöre zu einem
guten Einverständnis mit Japan doch, daß es auch Rußland die erwünschten
politischen und wirtschaftlichen Resultate bringe. "Wir müssen unsere begrün¬
deten Interessen mit einer Energie verteidigen, die jener unserer Freunde im
fernen Osten nicht nachsteht." "Mro Rossii", das bei den Moskaner freieren
Zensurverhältnissen klarer sprechen kann, nimmt den Gedanken der "Rjetsch"
auf. Es zweifelt, daß die Vorteile der wirtschaftlichen Beziehungen zu Japan
gegenseitig sein werden. Das Abkommen mit Japan habe genugsam bewiesen,
"daß gewöhnlich nur die Vorteile auf feiten Japans, die Nachteile auf feiten
Rußlands liegen". Die früher sehr angesehene russische Monatsschrift "Wjestnik
Jewropu" kommt ganz im allgemeinen ohne Zusammenhang mit Japan auf
die Beschlüsse der Pariser Wirtschaftskonferenz zurück. Sie äußert ihre Meinung
dahin, daß es klar sei, daß Rußland in allen diesen Kombinationen nur die
Rolle eines leidenden Teiles zugedacht sei, indem Rußland nach Ausschluß des


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Außenpolitisches aus Rußland

Belgien Kato), und die in Petersburg anwesenden Mitglieder des russischen
Reichsrates haben die Organisation des Empfanges für die japanischen Kollegen
in die Hand genommen. Eine Reihe von rauschenden Festlichkeiten, Besuch
von Moskau und anderen größeren russischen Städten sind geplant. Da der
Delegation auch kaufmännische Mitglieder zugeteilt sind, unterliegt es keinem
Zweifel, daß Vorbereitungen für eine japanisch-russische Handelskonvention
neben Handels- und Industriespionage der eigentliche Zweck des Besuches ist.
Hand in Hand damit geht der Wunsch nach einer Vertiefung der Freundschafts¬
gefühle, die auf Grund des russisch-japanischen Bündnisses zwischen den beiden
Ländern entstanden sind. Die Gefühle scheinen allerdings vorläufig noch etwas
einseitige zu sein, und den Russen wird bange vor den weitgehenden Absichten
der Japaner. Am 13. August haben in Tokio Festlichkeiten aus Anlaß der
russisch-japanischen Vereinbarungen stattgefunden, und der japanische Premier¬
minister hat auf dem Festessen des Verbandes der japanischen Handelskammern
sich dahin geäußert, „daß die neuen Vereinbarungen das Ergebnis der Anstren¬
gungen Japans seien, sein Prestige in der Welt zu heben und eine Ausnahme'
Stellung im fernen Osten einzunehmen. Die Pariser wirtschaftliche Konferenz
sei faktisch ein wirtschaftlicher Verband der Ententemächte, und die japanischen
Kaufleute und Industriellen müßten alle Anstrengungen machen, um die russisch-
japanische Vereinbarung im Interesse der Erweiterung der Handelsbeziehungen
zu Nußland auszunutzen. Den japanischen Waren werde es jetzt nicht schwer
sein, in Rußland mit den deutschen Waren zu konkurrieren, und Japan könne
sich wenigstens die Hälfte des deutschen Imports nach Rußland sichern."

Diese Äußerung hat die Russen traurig gemacht. Die „Rjetsch" sagt
melancholisch „die Hälfte der deutschen Einfuhr nach Rußland!" Diese Formel
gebe eine Vorstellung von den Aufgaben, die Japan seiner jungen Industrie und
seinem Handel stellt und den Hoffnungen, die Japan auf den russischen Markt
setzt. Wenn auch die japanischen Gäste in Rußland die Aufnahme finden würden,
die von Hochachtung für den jetzigen Verbündeten erfüllt sei, so gehöre zu einem
guten Einverständnis mit Japan doch, daß es auch Rußland die erwünschten
politischen und wirtschaftlichen Resultate bringe. „Wir müssen unsere begrün¬
deten Interessen mit einer Energie verteidigen, die jener unserer Freunde im
fernen Osten nicht nachsteht." „Mro Rossii", das bei den Moskaner freieren
Zensurverhältnissen klarer sprechen kann, nimmt den Gedanken der „Rjetsch"
auf. Es zweifelt, daß die Vorteile der wirtschaftlichen Beziehungen zu Japan
gegenseitig sein werden. Das Abkommen mit Japan habe genugsam bewiesen,
„daß gewöhnlich nur die Vorteile auf feiten Japans, die Nachteile auf feiten
Rußlands liegen". Die früher sehr angesehene russische Monatsschrift „Wjestnik
Jewropu" kommt ganz im allgemeinen ohne Zusammenhang mit Japan auf
die Beschlüsse der Pariser Wirtschaftskonferenz zurück. Sie äußert ihre Meinung
dahin, daß es klar sei, daß Rußland in allen diesen Kombinationen nur die
Rolle eines leidenden Teiles zugedacht sei, indem Rußland nach Ausschluß des


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[0335] Außenpolitisches aus Rußland Belgien Kato), und die in Petersburg anwesenden Mitglieder des russischen Reichsrates haben die Organisation des Empfanges für die japanischen Kollegen in die Hand genommen. Eine Reihe von rauschenden Festlichkeiten, Besuch von Moskau und anderen größeren russischen Städten sind geplant. Da der Delegation auch kaufmännische Mitglieder zugeteilt sind, unterliegt es keinem Zweifel, daß Vorbereitungen für eine japanisch-russische Handelskonvention neben Handels- und Industriespionage der eigentliche Zweck des Besuches ist. Hand in Hand damit geht der Wunsch nach einer Vertiefung der Freundschafts¬ gefühle, die auf Grund des russisch-japanischen Bündnisses zwischen den beiden Ländern entstanden sind. Die Gefühle scheinen allerdings vorläufig noch etwas einseitige zu sein, und den Russen wird bange vor den weitgehenden Absichten der Japaner. Am 13. August haben in Tokio Festlichkeiten aus Anlaß der russisch-japanischen Vereinbarungen stattgefunden, und der japanische Premier¬ minister hat auf dem Festessen des Verbandes der japanischen Handelskammern sich dahin geäußert, „daß die neuen Vereinbarungen das Ergebnis der Anstren¬ gungen Japans seien, sein Prestige in der Welt zu heben und eine Ausnahme' Stellung im fernen Osten einzunehmen. Die Pariser wirtschaftliche Konferenz sei faktisch ein wirtschaftlicher Verband der Ententemächte, und die japanischen Kaufleute und Industriellen müßten alle Anstrengungen machen, um die russisch- japanische Vereinbarung im Interesse der Erweiterung der Handelsbeziehungen zu Nußland auszunutzen. Den japanischen Waren werde es jetzt nicht schwer sein, in Rußland mit den deutschen Waren zu konkurrieren, und Japan könne sich wenigstens die Hälfte des deutschen Imports nach Rußland sichern." Diese Äußerung hat die Russen traurig gemacht. Die „Rjetsch" sagt melancholisch „die Hälfte der deutschen Einfuhr nach Rußland!" Diese Formel gebe eine Vorstellung von den Aufgaben, die Japan seiner jungen Industrie und seinem Handel stellt und den Hoffnungen, die Japan auf den russischen Markt setzt. Wenn auch die japanischen Gäste in Rußland die Aufnahme finden würden, die von Hochachtung für den jetzigen Verbündeten erfüllt sei, so gehöre zu einem guten Einverständnis mit Japan doch, daß es auch Rußland die erwünschten politischen und wirtschaftlichen Resultate bringe. „Wir müssen unsere begrün¬ deten Interessen mit einer Energie verteidigen, die jener unserer Freunde im fernen Osten nicht nachsteht." „Mro Rossii", das bei den Moskaner freieren Zensurverhältnissen klarer sprechen kann, nimmt den Gedanken der „Rjetsch" auf. Es zweifelt, daß die Vorteile der wirtschaftlichen Beziehungen zu Japan gegenseitig sein werden. Das Abkommen mit Japan habe genugsam bewiesen, „daß gewöhnlich nur die Vorteile auf feiten Japans, die Nachteile auf feiten Rußlands liegen". Die früher sehr angesehene russische Monatsschrift „Wjestnik Jewropu" kommt ganz im allgemeinen ohne Zusammenhang mit Japan auf die Beschlüsse der Pariser Wirtschaftskonferenz zurück. Sie äußert ihre Meinung dahin, daß es klar sei, daß Rußland in allen diesen Kombinationen nur die Rolle eines leidenden Teiles zugedacht sei, indem Rußland nach Ausschluß des 2t*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/335>, abgerufen am 23.07.2024.