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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Amerika als tertius Zguciens im Weltkriege

die von der bisherigen Erzeugern geforderten Preise bekannt und erteilen wert¬
volle Aufschlüsse über bewährte Herstellungsmethoden.

Mit welcher Entschiedenheit sich die interessierten Kreise Amerikas dieser
für sie wichtigen und unserem späteren Außenhandel Gefahr bringenden Aufgabe
zuwenden, geht daraus hervor, daß es ihnen nicht nur gelungen ist die Auf¬
merksamkeit ihrer Regierung auf ihre Bestrebungen zu lenken, sondern darüber
hinaus eine äußerst wirkungsvolle amtliche Unterstützung genießen. Bereits 1912
wurde in Washington die "Chamber of Commerce of the United Staates" ge¬
gründet, ein Amt, dem heute nahezu alle Handelskammern der Vereinigten
Staaten angehören. Dieses Zentralamt in Washington versorgt die amerika¬
nischen Gesandtschaften mit Handelsattachös, die in äußerst gründlicher Weise
bemüht sind, die in Handel und Industrie vorliegenden Verhältnisse der Länder
zu studieren, nach denen sie entsandt sind und die Ergebnisse ihrer Untersuchungen
möglichst lückenlos der Zentralstelle in Washington zu übermitteln. Von dort
aus soll dieses wichtige Wissen an im Inlande zu errichtende Zweigstellen
weitergegeben werden, die es dann ihrerseits ohne weitere Vermittelung zur
Kenntnis der interessierten Industrien und Handelshäuser gelangen lassen. Um
sich in eingehendster Weise in den exportierenden Industrien Europas orien¬
tieren zu können, zieht das Zentralamt die Zollverwaltung ihres Landes zur
Mitarbeit heran und sieht sich durch diese -- auf keinen Fall einwandsfreie --
Maßnahme in die Lage versetzt wichtige Aufschlüsse über Herstellung, Preis¬
bildung und Geschäftsgepflogenheiten ohne erhebliche Mühewaltungen zu erlangen,
um so mehr, als die von diesen Machenschaften betroffenen europäischen In¬
dustrien sich im Interesse ihres Außenhandels mit Amerika in einer geradezu
lästigen Zwangslage befinden, die sie einer rücksichtslosen Geschäftsspionage
ausliefert.

Daß alle diese Unternehmungen und Gründungen für die deutsche Industrie,
die nach dem Kriege bestrebt sein wird, die alten Geschäftsverbindungen nach
dem Auslande wieder aufzunehmen, eine ernstliche Gefahr in sich bergen, liegt
auf der Hand. Vergegenwärtigt man sich weiterhin, daß unsere Industrie nach
Friedensschluß nicht ohne weiteres mit der alten Tatkraft und hochgespannter
Energie auf dem Plane erscheinen kann, daß andererseits in Amerika nach dem
Kriege ein erhöhter Gold- und Kapitalbesttz vorhanden sein wird, der in Ver¬
bindung mit ausgedehnten neueren, gut eingerichteten und zum guten Teil ab¬
geschriebenen Fabriksanlagen bestrebt ist, beim Ausbleiben der Aufträge für die
Ententestaaten weiterzuarbeiten, so erkennt man leicht den gewaltigen Vorteil
Amerikas, mit dem es in den Kampf um den Weltmarkt eintreten wird. Amerika,
dessen Finanzkraft, Industrie und Handel durch den europäischen Krieg eine
ungeahnte Kräftigung erfahren haben, wird der weiteren Entfaltung des
deutschen Wirtschaftslebens im Auslande einen machtvollen Widerstand entgegen¬
setzen, ja, es ist vorauszusehen, daß es ihm auf seinem ureigensten Markte, in
Deutschland selbst, Konkurrenz machen wird.


Amerika als tertius Zguciens im Weltkriege

die von der bisherigen Erzeugern geforderten Preise bekannt und erteilen wert¬
volle Aufschlüsse über bewährte Herstellungsmethoden.

Mit welcher Entschiedenheit sich die interessierten Kreise Amerikas dieser
für sie wichtigen und unserem späteren Außenhandel Gefahr bringenden Aufgabe
zuwenden, geht daraus hervor, daß es ihnen nicht nur gelungen ist die Auf¬
merksamkeit ihrer Regierung auf ihre Bestrebungen zu lenken, sondern darüber
hinaus eine äußerst wirkungsvolle amtliche Unterstützung genießen. Bereits 1912
wurde in Washington die „Chamber of Commerce of the United Staates" ge¬
gründet, ein Amt, dem heute nahezu alle Handelskammern der Vereinigten
Staaten angehören. Dieses Zentralamt in Washington versorgt die amerika¬
nischen Gesandtschaften mit Handelsattachös, die in äußerst gründlicher Weise
bemüht sind, die in Handel und Industrie vorliegenden Verhältnisse der Länder
zu studieren, nach denen sie entsandt sind und die Ergebnisse ihrer Untersuchungen
möglichst lückenlos der Zentralstelle in Washington zu übermitteln. Von dort
aus soll dieses wichtige Wissen an im Inlande zu errichtende Zweigstellen
weitergegeben werden, die es dann ihrerseits ohne weitere Vermittelung zur
Kenntnis der interessierten Industrien und Handelshäuser gelangen lassen. Um
sich in eingehendster Weise in den exportierenden Industrien Europas orien¬
tieren zu können, zieht das Zentralamt die Zollverwaltung ihres Landes zur
Mitarbeit heran und sieht sich durch diese — auf keinen Fall einwandsfreie —
Maßnahme in die Lage versetzt wichtige Aufschlüsse über Herstellung, Preis¬
bildung und Geschäftsgepflogenheiten ohne erhebliche Mühewaltungen zu erlangen,
um so mehr, als die von diesen Machenschaften betroffenen europäischen In¬
dustrien sich im Interesse ihres Außenhandels mit Amerika in einer geradezu
lästigen Zwangslage befinden, die sie einer rücksichtslosen Geschäftsspionage
ausliefert.

Daß alle diese Unternehmungen und Gründungen für die deutsche Industrie,
die nach dem Kriege bestrebt sein wird, die alten Geschäftsverbindungen nach
dem Auslande wieder aufzunehmen, eine ernstliche Gefahr in sich bergen, liegt
auf der Hand. Vergegenwärtigt man sich weiterhin, daß unsere Industrie nach
Friedensschluß nicht ohne weiteres mit der alten Tatkraft und hochgespannter
Energie auf dem Plane erscheinen kann, daß andererseits in Amerika nach dem
Kriege ein erhöhter Gold- und Kapitalbesttz vorhanden sein wird, der in Ver¬
bindung mit ausgedehnten neueren, gut eingerichteten und zum guten Teil ab¬
geschriebenen Fabriksanlagen bestrebt ist, beim Ausbleiben der Aufträge für die
Ententestaaten weiterzuarbeiten, so erkennt man leicht den gewaltigen Vorteil
Amerikas, mit dem es in den Kampf um den Weltmarkt eintreten wird. Amerika,
dessen Finanzkraft, Industrie und Handel durch den europäischen Krieg eine
ungeahnte Kräftigung erfahren haben, wird der weiteren Entfaltung des
deutschen Wirtschaftslebens im Auslande einen machtvollen Widerstand entgegen¬
setzen, ja, es ist vorauszusehen, daß es ihm auf seinem ureigensten Markte, in
Deutschland selbst, Konkurrenz machen wird.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/320>, abgerufen am 23.07.2024.