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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Neue Aufgaben des Unternehmertums

und Versorgung der Kriegsbeschädigten steht schon seit Jahr und Tag als
wichtigster Gegenstand fast auf jeder Versammlung eines Arbeitgeberverbandes.
Maßgebend für das ganze Vorgehen ist der Beschluß der Vereinigung der
deutschen Arbeitgeberverbände vom 19. März 1915, in dem die sämtlichen
Arbeitgeberverbände ihre freudige Bereitwilligkeit zu einer tatkräftigen Mit¬
wirkung in der Fürsorge für die Kriegsbeschädigten zum Ausdruck gebracht
haben. Auch hier wächst aber die Summe der praktischen Aufgaben beinahe
ins Unendliche, es handelt sich um die Berufsberatung und Berufsausbildung
der Invaliden, um die Begründung von Ausbildungslazaretten, um technische
Hilfsmittel für solche Arbeiter, die den vollen Gebrauch ihrer Glieder eingebüßt
haben, vor allem auch um die richtige Verteilung und Arbeitsvermittlung.

Daß diese und ähnliche Aufgaben positiver Art aus dem Kriege erwachsen
würden, war jedoch vorauszusehen, und man braucht über diese selbstverständliche
Erweiterung des Bereiches der arbeitgcberischen Tätigkeit kaum weitere Erörte¬
rungen anzustellen. Der eigentliche Fortschritt liegt in anderer Richtung. Wir
wollen gleich auf den wichtigsten Punkt eingehen. Die Arbeitgeberverbände
werden sich in Zukunft eingehend mit der Jugendpflege zu befassen haben, und
es hat den Anschein, als wenn diese Notwendigkeit bereits ebenfalls in weiten
Kreisen anerkannt wird. Zu einer Bearbeitung dieses Gebietes, sei es durch
selbständige Maßnahmen, sei es durch Unterstützung bestehender Einrichtungen,
sind die Unternehmer aus folgenden Gründen genötigt. Erstlich haben die
Sozialdemokratie und die mit ihr verbündeten Gewerkschaften umfassende Vor¬
kehrungen getroffen, um die Jugend schon von früh auf in ihre Macht zu
bekommen, und das neue Vereinsgesetz bietet ihnen für diese Versuche eine
willkommene Handhabe. Will man also den jungen Nachwuchs nicht ohne
weiteres dieser bestimmten, politischen Parteigruppe überlassen, so ist es die
höchste Zeit, daß man den jungen Leuten wenigstens die Möglichkeit bietet, auch
auf anderen Geleisen vorwärts zu kommen. Zweitens wird das deutsche
Unternehmertum angesichts der Notwendigkeit, in Zukunft noch weit mehr
als früher eine straff durchgeführte Ökonomie menschlicher Arbeit betreiben
zu müssen, beizeiten Vorkehrungen zu treffen haben, um sich für Handel und
Gewerbe einen möglichst tüchtigen, körperlich, moralisch und geistig gesunden
Nachwuchs zu sichern. In den Handelskriegen, die auf den Kampf der Waffen
folgen werden, wird die Qualitätsarbeit eine Hauptrolle spielen, ganz anders
noch als bisher wird der einzelne Arbeiter seinen Platz auszufüllen haben.
Drittens dürfen sich die Arbeitgeberverbände der Erkenntnis nicht entziehen, daß
es gerade ihres Amtes ist, alles aufzuwenden, um der leider mehr und mehr
hervortretenden Verflachung und Verrohung der Jugend entgegenzuarbeiten.
Es läßt sich ja nicht leugnen, daß eine fortschreitende Industrialisierung, daß
das Entstehen der großen Industriestädte mancherlei hygienische und moralische
Gefahren mit sich gebracht hat. Die Arbeitgeber wissen ein Lied davon zu
singen, welche Schwierigkeiten sich oft genug aus der Unbotmäßigkeit und dem


Neue Aufgaben des Unternehmertums

und Versorgung der Kriegsbeschädigten steht schon seit Jahr und Tag als
wichtigster Gegenstand fast auf jeder Versammlung eines Arbeitgeberverbandes.
Maßgebend für das ganze Vorgehen ist der Beschluß der Vereinigung der
deutschen Arbeitgeberverbände vom 19. März 1915, in dem die sämtlichen
Arbeitgeberverbände ihre freudige Bereitwilligkeit zu einer tatkräftigen Mit¬
wirkung in der Fürsorge für die Kriegsbeschädigten zum Ausdruck gebracht
haben. Auch hier wächst aber die Summe der praktischen Aufgaben beinahe
ins Unendliche, es handelt sich um die Berufsberatung und Berufsausbildung
der Invaliden, um die Begründung von Ausbildungslazaretten, um technische
Hilfsmittel für solche Arbeiter, die den vollen Gebrauch ihrer Glieder eingebüßt
haben, vor allem auch um die richtige Verteilung und Arbeitsvermittlung.

Daß diese und ähnliche Aufgaben positiver Art aus dem Kriege erwachsen
würden, war jedoch vorauszusehen, und man braucht über diese selbstverständliche
Erweiterung des Bereiches der arbeitgcberischen Tätigkeit kaum weitere Erörte¬
rungen anzustellen. Der eigentliche Fortschritt liegt in anderer Richtung. Wir
wollen gleich auf den wichtigsten Punkt eingehen. Die Arbeitgeberverbände
werden sich in Zukunft eingehend mit der Jugendpflege zu befassen haben, und
es hat den Anschein, als wenn diese Notwendigkeit bereits ebenfalls in weiten
Kreisen anerkannt wird. Zu einer Bearbeitung dieses Gebietes, sei es durch
selbständige Maßnahmen, sei es durch Unterstützung bestehender Einrichtungen,
sind die Unternehmer aus folgenden Gründen genötigt. Erstlich haben die
Sozialdemokratie und die mit ihr verbündeten Gewerkschaften umfassende Vor¬
kehrungen getroffen, um die Jugend schon von früh auf in ihre Macht zu
bekommen, und das neue Vereinsgesetz bietet ihnen für diese Versuche eine
willkommene Handhabe. Will man also den jungen Nachwuchs nicht ohne
weiteres dieser bestimmten, politischen Parteigruppe überlassen, so ist es die
höchste Zeit, daß man den jungen Leuten wenigstens die Möglichkeit bietet, auch
auf anderen Geleisen vorwärts zu kommen. Zweitens wird das deutsche
Unternehmertum angesichts der Notwendigkeit, in Zukunft noch weit mehr
als früher eine straff durchgeführte Ökonomie menschlicher Arbeit betreiben
zu müssen, beizeiten Vorkehrungen zu treffen haben, um sich für Handel und
Gewerbe einen möglichst tüchtigen, körperlich, moralisch und geistig gesunden
Nachwuchs zu sichern. In den Handelskriegen, die auf den Kampf der Waffen
folgen werden, wird die Qualitätsarbeit eine Hauptrolle spielen, ganz anders
noch als bisher wird der einzelne Arbeiter seinen Platz auszufüllen haben.
Drittens dürfen sich die Arbeitgeberverbände der Erkenntnis nicht entziehen, daß
es gerade ihres Amtes ist, alles aufzuwenden, um der leider mehr und mehr
hervortretenden Verflachung und Verrohung der Jugend entgegenzuarbeiten.
Es läßt sich ja nicht leugnen, daß eine fortschreitende Industrialisierung, daß
das Entstehen der großen Industriestädte mancherlei hygienische und moralische
Gefahren mit sich gebracht hat. Die Arbeitgeber wissen ein Lied davon zu
singen, welche Schwierigkeiten sich oft genug aus der Unbotmäßigkeit und dem


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[0295] Neue Aufgaben des Unternehmertums und Versorgung der Kriegsbeschädigten steht schon seit Jahr und Tag als wichtigster Gegenstand fast auf jeder Versammlung eines Arbeitgeberverbandes. Maßgebend für das ganze Vorgehen ist der Beschluß der Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände vom 19. März 1915, in dem die sämtlichen Arbeitgeberverbände ihre freudige Bereitwilligkeit zu einer tatkräftigen Mit¬ wirkung in der Fürsorge für die Kriegsbeschädigten zum Ausdruck gebracht haben. Auch hier wächst aber die Summe der praktischen Aufgaben beinahe ins Unendliche, es handelt sich um die Berufsberatung und Berufsausbildung der Invaliden, um die Begründung von Ausbildungslazaretten, um technische Hilfsmittel für solche Arbeiter, die den vollen Gebrauch ihrer Glieder eingebüßt haben, vor allem auch um die richtige Verteilung und Arbeitsvermittlung. Daß diese und ähnliche Aufgaben positiver Art aus dem Kriege erwachsen würden, war jedoch vorauszusehen, und man braucht über diese selbstverständliche Erweiterung des Bereiches der arbeitgcberischen Tätigkeit kaum weitere Erörte¬ rungen anzustellen. Der eigentliche Fortschritt liegt in anderer Richtung. Wir wollen gleich auf den wichtigsten Punkt eingehen. Die Arbeitgeberverbände werden sich in Zukunft eingehend mit der Jugendpflege zu befassen haben, und es hat den Anschein, als wenn diese Notwendigkeit bereits ebenfalls in weiten Kreisen anerkannt wird. Zu einer Bearbeitung dieses Gebietes, sei es durch selbständige Maßnahmen, sei es durch Unterstützung bestehender Einrichtungen, sind die Unternehmer aus folgenden Gründen genötigt. Erstlich haben die Sozialdemokratie und die mit ihr verbündeten Gewerkschaften umfassende Vor¬ kehrungen getroffen, um die Jugend schon von früh auf in ihre Macht zu bekommen, und das neue Vereinsgesetz bietet ihnen für diese Versuche eine willkommene Handhabe. Will man also den jungen Nachwuchs nicht ohne weiteres dieser bestimmten, politischen Parteigruppe überlassen, so ist es die höchste Zeit, daß man den jungen Leuten wenigstens die Möglichkeit bietet, auch auf anderen Geleisen vorwärts zu kommen. Zweitens wird das deutsche Unternehmertum angesichts der Notwendigkeit, in Zukunft noch weit mehr als früher eine straff durchgeführte Ökonomie menschlicher Arbeit betreiben zu müssen, beizeiten Vorkehrungen zu treffen haben, um sich für Handel und Gewerbe einen möglichst tüchtigen, körperlich, moralisch und geistig gesunden Nachwuchs zu sichern. In den Handelskriegen, die auf den Kampf der Waffen folgen werden, wird die Qualitätsarbeit eine Hauptrolle spielen, ganz anders noch als bisher wird der einzelne Arbeiter seinen Platz auszufüllen haben. Drittens dürfen sich die Arbeitgeberverbände der Erkenntnis nicht entziehen, daß es gerade ihres Amtes ist, alles aufzuwenden, um der leider mehr und mehr hervortretenden Verflachung und Verrohung der Jugend entgegenzuarbeiten. Es läßt sich ja nicht leugnen, daß eine fortschreitende Industrialisierung, daß das Entstehen der großen Industriestädte mancherlei hygienische und moralische Gefahren mit sich gebracht hat. Die Arbeitgeber wissen ein Lied davon zu singen, welche Schwierigkeiten sich oft genug aus der Unbotmäßigkeit und dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/295>, abgerufen am 23.07.2024.