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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Neue Aufgaben des Unternehmertums

seine Berufsgenossen, an die Hebung seines ganzes Standes und letzten Endes
der gesamten nationalen Wohlfahrt denkt. Ideelle und materielle Interessen
verbinden sich hier zu vollkommener Harmonie, das Gute ist zugleich das
Nützliche, wahre Humanität vereinigt sich mit kluger Kalkulation. Jede Kritik
daran, ob die aus solche Weise zustande kommenden Handlungen mehr aus
diesem oder mehr aus jenem Motiv hervorgehen, ist überflüssig und schädlich,
die Wahrheit ist, daß in den allermeisten Fällen beide Komponenten gleichwertig
zusammengewirkt haben.

Es war notwendig, diese kurze Betrachtung voranzuschicken, um den rechten
Maßstab zu gewinnen für gewisse, erfreuliche Strömungen, die gegenwärtig in
den führenden Kreisen der deutschen Arbeitgeberschaft zutage treten. Wie man
weiß, haben sich die deutschen Unternehmer im Laufe der letzten Jahrzehnte,
ganz besonders seit dem Anfang der neunziger Jahre, zu großen, umfassenden
Verbänden zusammengeschlossen, richtiger gesagt, zusammenschließen müssen, weil
gegen den Druck der zu mächtigen Verbänden vereinigten Arbeiterschaft natur¬
gemäß ein Gegendruck geschaffen werden mußte. Hüben und drüben wurden
die Organisationen ausgebaut, heute liegt die Sache so, daß im Unternehmertum,
in der Industrie wie im Handwerk, kaum noch wesentliche Kreise vorhanden
sind, die außerhalb der Organisation stehen. Kurze Zeit vor dem Kriege ist
es gelungen, auch die bis dahin noch auf verschiedenen Wegen marschierenden
Vereinsgruppen zusammenzufassen und in der "Vereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände" einen Gipfelpunkt zu begründen, den man wohl ohne
Übertreibung als eine für alle politischen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen
des Unternehmertums maßgebende Zentrale betrachten kann. Selbstverständlich
hat der Krieg das Seinige dazu beigetragen, um diesen Zusammenhalt noch
weiterhin zu befestigen; kleine Sprünge und Lücken, die in dem großen Gebäude
noch vorhanden waren, wurden ausgeglichen, und es fanden sich sogar zu ein¬
trächtiger Arbeit diejenigen Verbände zusammen, die bis dahin um ihrer rein¬
wirtschaftlichen Stellungnahme willen eine volle Gemeinschaft noch immer ab¬
gelehnt hatten. Gleichzeitig hat es der Krieg, der freiwillige oder erzwungene
Burgfrieden mit sich gebracht, daß der Kampfcharakter, der Abwehrcharakter
der Arbeitgeberverbände mehr und mehr zurücktrat, sodaß auch hierdurch Raum
geschaffen wurde sür die Erkenntnis, es sei an der Zeit, statt der bloß negativen
oder regulierenden Tätigkeit, auch positive, schaffende Aufgaben in Angriff zu
nehmen. Die führenden Männer der deutschen Industrie, denen ohnehin das
Schaffen, das Wirken und Fertigstellen viel besser liegt, als das Abwehren,
das Verweigern, das Neinsagen, werden, so hat es den Anschein, diese ihre
produktive Anlage in einer Weise auch für die Allgemeinheit ausnützen, die auf
das ganze soziale Leben die wichtigsten und fruchtbarsten Wirkungen ausüben
dürfte. Kurz gesagt handelt es sich darum, daß die Arbeitgeberoerbände als
solche vorbereitende Schritte tun, um auf den verschiedensten sozialen Gebieten
eine tiefgreifende Wirksamkeit zu entfalten, eine Wirksamkeit, wie sie einerseits


Neue Aufgaben des Unternehmertums

seine Berufsgenossen, an die Hebung seines ganzes Standes und letzten Endes
der gesamten nationalen Wohlfahrt denkt. Ideelle und materielle Interessen
verbinden sich hier zu vollkommener Harmonie, das Gute ist zugleich das
Nützliche, wahre Humanität vereinigt sich mit kluger Kalkulation. Jede Kritik
daran, ob die aus solche Weise zustande kommenden Handlungen mehr aus
diesem oder mehr aus jenem Motiv hervorgehen, ist überflüssig und schädlich,
die Wahrheit ist, daß in den allermeisten Fällen beide Komponenten gleichwertig
zusammengewirkt haben.

Es war notwendig, diese kurze Betrachtung voranzuschicken, um den rechten
Maßstab zu gewinnen für gewisse, erfreuliche Strömungen, die gegenwärtig in
den führenden Kreisen der deutschen Arbeitgeberschaft zutage treten. Wie man
weiß, haben sich die deutschen Unternehmer im Laufe der letzten Jahrzehnte,
ganz besonders seit dem Anfang der neunziger Jahre, zu großen, umfassenden
Verbänden zusammengeschlossen, richtiger gesagt, zusammenschließen müssen, weil
gegen den Druck der zu mächtigen Verbänden vereinigten Arbeiterschaft natur¬
gemäß ein Gegendruck geschaffen werden mußte. Hüben und drüben wurden
die Organisationen ausgebaut, heute liegt die Sache so, daß im Unternehmertum,
in der Industrie wie im Handwerk, kaum noch wesentliche Kreise vorhanden
sind, die außerhalb der Organisation stehen. Kurze Zeit vor dem Kriege ist
es gelungen, auch die bis dahin noch auf verschiedenen Wegen marschierenden
Vereinsgruppen zusammenzufassen und in der „Vereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände" einen Gipfelpunkt zu begründen, den man wohl ohne
Übertreibung als eine für alle politischen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen
des Unternehmertums maßgebende Zentrale betrachten kann. Selbstverständlich
hat der Krieg das Seinige dazu beigetragen, um diesen Zusammenhalt noch
weiterhin zu befestigen; kleine Sprünge und Lücken, die in dem großen Gebäude
noch vorhanden waren, wurden ausgeglichen, und es fanden sich sogar zu ein¬
trächtiger Arbeit diejenigen Verbände zusammen, die bis dahin um ihrer rein¬
wirtschaftlichen Stellungnahme willen eine volle Gemeinschaft noch immer ab¬
gelehnt hatten. Gleichzeitig hat es der Krieg, der freiwillige oder erzwungene
Burgfrieden mit sich gebracht, daß der Kampfcharakter, der Abwehrcharakter
der Arbeitgeberverbände mehr und mehr zurücktrat, sodaß auch hierdurch Raum
geschaffen wurde sür die Erkenntnis, es sei an der Zeit, statt der bloß negativen
oder regulierenden Tätigkeit, auch positive, schaffende Aufgaben in Angriff zu
nehmen. Die führenden Männer der deutschen Industrie, denen ohnehin das
Schaffen, das Wirken und Fertigstellen viel besser liegt, als das Abwehren,
das Verweigern, das Neinsagen, werden, so hat es den Anschein, diese ihre
produktive Anlage in einer Weise auch für die Allgemeinheit ausnützen, die auf
das ganze soziale Leben die wichtigsten und fruchtbarsten Wirkungen ausüben
dürfte. Kurz gesagt handelt es sich darum, daß die Arbeitgeberoerbände als
solche vorbereitende Schritte tun, um auf den verschiedensten sozialen Gebieten
eine tiefgreifende Wirksamkeit zu entfalten, eine Wirksamkeit, wie sie einerseits


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[0293] Neue Aufgaben des Unternehmertums seine Berufsgenossen, an die Hebung seines ganzes Standes und letzten Endes der gesamten nationalen Wohlfahrt denkt. Ideelle und materielle Interessen verbinden sich hier zu vollkommener Harmonie, das Gute ist zugleich das Nützliche, wahre Humanität vereinigt sich mit kluger Kalkulation. Jede Kritik daran, ob die aus solche Weise zustande kommenden Handlungen mehr aus diesem oder mehr aus jenem Motiv hervorgehen, ist überflüssig und schädlich, die Wahrheit ist, daß in den allermeisten Fällen beide Komponenten gleichwertig zusammengewirkt haben. Es war notwendig, diese kurze Betrachtung voranzuschicken, um den rechten Maßstab zu gewinnen für gewisse, erfreuliche Strömungen, die gegenwärtig in den führenden Kreisen der deutschen Arbeitgeberschaft zutage treten. Wie man weiß, haben sich die deutschen Unternehmer im Laufe der letzten Jahrzehnte, ganz besonders seit dem Anfang der neunziger Jahre, zu großen, umfassenden Verbänden zusammengeschlossen, richtiger gesagt, zusammenschließen müssen, weil gegen den Druck der zu mächtigen Verbänden vereinigten Arbeiterschaft natur¬ gemäß ein Gegendruck geschaffen werden mußte. Hüben und drüben wurden die Organisationen ausgebaut, heute liegt die Sache so, daß im Unternehmertum, in der Industrie wie im Handwerk, kaum noch wesentliche Kreise vorhanden sind, die außerhalb der Organisation stehen. Kurze Zeit vor dem Kriege ist es gelungen, auch die bis dahin noch auf verschiedenen Wegen marschierenden Vereinsgruppen zusammenzufassen und in der „Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände" einen Gipfelpunkt zu begründen, den man wohl ohne Übertreibung als eine für alle politischen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen des Unternehmertums maßgebende Zentrale betrachten kann. Selbstverständlich hat der Krieg das Seinige dazu beigetragen, um diesen Zusammenhalt noch weiterhin zu befestigen; kleine Sprünge und Lücken, die in dem großen Gebäude noch vorhanden waren, wurden ausgeglichen, und es fanden sich sogar zu ein¬ trächtiger Arbeit diejenigen Verbände zusammen, die bis dahin um ihrer rein¬ wirtschaftlichen Stellungnahme willen eine volle Gemeinschaft noch immer ab¬ gelehnt hatten. Gleichzeitig hat es der Krieg, der freiwillige oder erzwungene Burgfrieden mit sich gebracht, daß der Kampfcharakter, der Abwehrcharakter der Arbeitgeberverbände mehr und mehr zurücktrat, sodaß auch hierdurch Raum geschaffen wurde sür die Erkenntnis, es sei an der Zeit, statt der bloß negativen oder regulierenden Tätigkeit, auch positive, schaffende Aufgaben in Angriff zu nehmen. Die führenden Männer der deutschen Industrie, denen ohnehin das Schaffen, das Wirken und Fertigstellen viel besser liegt, als das Abwehren, das Verweigern, das Neinsagen, werden, so hat es den Anschein, diese ihre produktive Anlage in einer Weise auch für die Allgemeinheit ausnützen, die auf das ganze soziale Leben die wichtigsten und fruchtbarsten Wirkungen ausüben dürfte. Kurz gesagt handelt es sich darum, daß die Arbeitgeberoerbände als solche vorbereitende Schritte tun, um auf den verschiedensten sozialen Gebieten eine tiefgreifende Wirksamkeit zu entfalten, eine Wirksamkeit, wie sie einerseits

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/293>, abgerufen am 25.08.2024.