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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Ein ständiger Finanzausschuß

Kosten einen ständigen Finanzausschuß zu bilden, der es ermöglicht, daß
Regierung und Reichstag von vornherein gemeinsam arbeiten, und nicht erst,
wenn Gesetzesvorschläge fertig vorliegen. Das bisherige Verfahren hat in
manchen Fällen einen beträchtlichen Verlust an Zeit, heftige Streitigkeiten,
einen Wechsel in den höchsten Ämtern des Reiches und jahrelange Verbitterung
unter den Parteien und innerhalb der Bevölkerung zur Folge gehubt. Diese
üblen Folgen lassen sich ganz oder doch zum guten Teil vermeiden, wenn die
beiden Faktoren der Gesetzgebung von vornherein miteinander in Verbindung
treten und von vornherein die Verständigung suchen und anbahnen, die sie
schließlich doch finden müssen. Die gesetzgeberische Arbeit wird auf diesem
Wege nicht nur schneller gefördert, sie wird auch besser und gründlicher sein
können. Der Austausch der Ansichten in gemeinsamen Beratungen deZ Finanz¬
ausschusses mit der Regierung wird -- zumal unter dem Zwange der gegen¬
wärtigen Verhältnisse -- über gewisse Fragen in Kürze zu einer grundsätzlichen
Einigung führen, so daß an die Ausarbeitung ohne die Befürchtung, der ganze
Gesetzentwurf werde möglicherweise in den Papierkorb wandern, herangegangen
werden kann. Aber auch in Bezug auf streitige Fragen wird ein ständiges
Zusammenwirken mit dem Ausblick auf ein hohes Ziel manches Mißverständnis
und manche Voreingenommenheit aus dem Wege räumen und den Boden für
die notwendige Verständigung ebnen. Die Kenntnisse und praktischen Er¬
fahrungen jedes einzelnen, mag es sich um Gewerbe. Handel, Landwirtschaft
oder um Finanzpolitik handeln, kommen auf dem natürlichen Wege der
mündlichen Aussprache allen zugute. Eine Aussprache gibt Anregung
zu neuen Gedanken, neuen Vorschlägen, wohl auch zu neuen Studien.
Wer hätte es nicht schon erlebt, daß Schwierigkeiten, die anfangs un¬
überwindlich schienen, bei ruhiger und gründlicher Besprechung in
einem -- nicht zu großen -- sachverständigen Kreise mit Hilfe von Vor¬
schlägen von der einen, Gegenvorschlägen von der anderen Seite fast spielend
ihre Lösung finden. Bei derartigen Beratungen ist auch weniger äußerer Anlaß
vorhanden, hartnäckig bei der eigenen Meinung zu verbleiben. Sie ist noch
nicht förmlich und endgültig, und namentlich noch nicht öffentlich festgelegt.
Anders steht es mit einem fertigen Gesetzentwurf der Regierung und mit den
Verhandlungen darüber. Hat das Reichsschatzamt in langer und angestrengter
Arbeit das Material über eine Finanzfrage zusammengetragen, verarbeitet und
eine Gesetzesvorlage mit Begründung aufgestellt, ist. die Vorlage vom Reichs--
justizamt und von sämtlichen fünfundzwanzig Bundesregierungen geprüft, begut¬
achtet und mit oder ohne Änderungen genehmigt, vom Reichskanzler im Namen
des Kaisers dem Reichstag zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung überreicht,
so liegt nicht mehr die unverbindliche Meinungsäußerung eines einzelnen Re-
gierungsvertreters vor, sondern ein förmlicher, feierlicher Beschluß der ver¬
bündeten Regierungen, für den sie einzutreten haben und einzutreten entschlossen
sind. Die beauftragten Bundesratsbevollmächtigten haben die amtliche Pflicht,


Ein ständiger Finanzausschuß

Kosten einen ständigen Finanzausschuß zu bilden, der es ermöglicht, daß
Regierung und Reichstag von vornherein gemeinsam arbeiten, und nicht erst,
wenn Gesetzesvorschläge fertig vorliegen. Das bisherige Verfahren hat in
manchen Fällen einen beträchtlichen Verlust an Zeit, heftige Streitigkeiten,
einen Wechsel in den höchsten Ämtern des Reiches und jahrelange Verbitterung
unter den Parteien und innerhalb der Bevölkerung zur Folge gehubt. Diese
üblen Folgen lassen sich ganz oder doch zum guten Teil vermeiden, wenn die
beiden Faktoren der Gesetzgebung von vornherein miteinander in Verbindung
treten und von vornherein die Verständigung suchen und anbahnen, die sie
schließlich doch finden müssen. Die gesetzgeberische Arbeit wird auf diesem
Wege nicht nur schneller gefördert, sie wird auch besser und gründlicher sein
können. Der Austausch der Ansichten in gemeinsamen Beratungen deZ Finanz¬
ausschusses mit der Regierung wird — zumal unter dem Zwange der gegen¬
wärtigen Verhältnisse — über gewisse Fragen in Kürze zu einer grundsätzlichen
Einigung führen, so daß an die Ausarbeitung ohne die Befürchtung, der ganze
Gesetzentwurf werde möglicherweise in den Papierkorb wandern, herangegangen
werden kann. Aber auch in Bezug auf streitige Fragen wird ein ständiges
Zusammenwirken mit dem Ausblick auf ein hohes Ziel manches Mißverständnis
und manche Voreingenommenheit aus dem Wege räumen und den Boden für
die notwendige Verständigung ebnen. Die Kenntnisse und praktischen Er¬
fahrungen jedes einzelnen, mag es sich um Gewerbe. Handel, Landwirtschaft
oder um Finanzpolitik handeln, kommen auf dem natürlichen Wege der
mündlichen Aussprache allen zugute. Eine Aussprache gibt Anregung
zu neuen Gedanken, neuen Vorschlägen, wohl auch zu neuen Studien.
Wer hätte es nicht schon erlebt, daß Schwierigkeiten, die anfangs un¬
überwindlich schienen, bei ruhiger und gründlicher Besprechung in
einem — nicht zu großen — sachverständigen Kreise mit Hilfe von Vor¬
schlägen von der einen, Gegenvorschlägen von der anderen Seite fast spielend
ihre Lösung finden. Bei derartigen Beratungen ist auch weniger äußerer Anlaß
vorhanden, hartnäckig bei der eigenen Meinung zu verbleiben. Sie ist noch
nicht förmlich und endgültig, und namentlich noch nicht öffentlich festgelegt.
Anders steht es mit einem fertigen Gesetzentwurf der Regierung und mit den
Verhandlungen darüber. Hat das Reichsschatzamt in langer und angestrengter
Arbeit das Material über eine Finanzfrage zusammengetragen, verarbeitet und
eine Gesetzesvorlage mit Begründung aufgestellt, ist. die Vorlage vom Reichs--
justizamt und von sämtlichen fünfundzwanzig Bundesregierungen geprüft, begut¬
achtet und mit oder ohne Änderungen genehmigt, vom Reichskanzler im Namen
des Kaisers dem Reichstag zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung überreicht,
so liegt nicht mehr die unverbindliche Meinungsäußerung eines einzelnen Re-
gierungsvertreters vor, sondern ein förmlicher, feierlicher Beschluß der ver¬
bündeten Regierungen, für den sie einzutreten haben und einzutreten entschlossen
sind. Die beauftragten Bundesratsbevollmächtigten haben die amtliche Pflicht,


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[0290] Ein ständiger Finanzausschuß Kosten einen ständigen Finanzausschuß zu bilden, der es ermöglicht, daß Regierung und Reichstag von vornherein gemeinsam arbeiten, und nicht erst, wenn Gesetzesvorschläge fertig vorliegen. Das bisherige Verfahren hat in manchen Fällen einen beträchtlichen Verlust an Zeit, heftige Streitigkeiten, einen Wechsel in den höchsten Ämtern des Reiches und jahrelange Verbitterung unter den Parteien und innerhalb der Bevölkerung zur Folge gehubt. Diese üblen Folgen lassen sich ganz oder doch zum guten Teil vermeiden, wenn die beiden Faktoren der Gesetzgebung von vornherein miteinander in Verbindung treten und von vornherein die Verständigung suchen und anbahnen, die sie schließlich doch finden müssen. Die gesetzgeberische Arbeit wird auf diesem Wege nicht nur schneller gefördert, sie wird auch besser und gründlicher sein können. Der Austausch der Ansichten in gemeinsamen Beratungen deZ Finanz¬ ausschusses mit der Regierung wird — zumal unter dem Zwange der gegen¬ wärtigen Verhältnisse — über gewisse Fragen in Kürze zu einer grundsätzlichen Einigung führen, so daß an die Ausarbeitung ohne die Befürchtung, der ganze Gesetzentwurf werde möglicherweise in den Papierkorb wandern, herangegangen werden kann. Aber auch in Bezug auf streitige Fragen wird ein ständiges Zusammenwirken mit dem Ausblick auf ein hohes Ziel manches Mißverständnis und manche Voreingenommenheit aus dem Wege räumen und den Boden für die notwendige Verständigung ebnen. Die Kenntnisse und praktischen Er¬ fahrungen jedes einzelnen, mag es sich um Gewerbe. Handel, Landwirtschaft oder um Finanzpolitik handeln, kommen auf dem natürlichen Wege der mündlichen Aussprache allen zugute. Eine Aussprache gibt Anregung zu neuen Gedanken, neuen Vorschlägen, wohl auch zu neuen Studien. Wer hätte es nicht schon erlebt, daß Schwierigkeiten, die anfangs un¬ überwindlich schienen, bei ruhiger und gründlicher Besprechung in einem — nicht zu großen — sachverständigen Kreise mit Hilfe von Vor¬ schlägen von der einen, Gegenvorschlägen von der anderen Seite fast spielend ihre Lösung finden. Bei derartigen Beratungen ist auch weniger äußerer Anlaß vorhanden, hartnäckig bei der eigenen Meinung zu verbleiben. Sie ist noch nicht förmlich und endgültig, und namentlich noch nicht öffentlich festgelegt. Anders steht es mit einem fertigen Gesetzentwurf der Regierung und mit den Verhandlungen darüber. Hat das Reichsschatzamt in langer und angestrengter Arbeit das Material über eine Finanzfrage zusammengetragen, verarbeitet und eine Gesetzesvorlage mit Begründung aufgestellt, ist. die Vorlage vom Reichs-- justizamt und von sämtlichen fünfundzwanzig Bundesregierungen geprüft, begut¬ achtet und mit oder ohne Änderungen genehmigt, vom Reichskanzler im Namen des Kaisers dem Reichstag zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung überreicht, so liegt nicht mehr die unverbindliche Meinungsäußerung eines einzelnen Re- gierungsvertreters vor, sondern ein förmlicher, feierlicher Beschluß der ver¬ bündeten Regierungen, für den sie einzutreten haben und einzutreten entschlossen sind. Die beauftragten Bundesratsbevollmächtigten haben die amtliche Pflicht,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/290>, abgerufen am 23.07.2024.