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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Zur Geschichte des Warschauer deutschen Innungswesens

der angeführte Gelehrte weiter, begannen die Brüder, an Stelle der hölzernen
Gebäude solche aus Stein zu errichten, und um dieselbe Zeit erwarben sie von
den Nachkommen eines gewissen Elert dessen Buchdruckerei. Über deren Lage
wird nichts Näheres berichtet. Da wir aber nun wissen, daß das Gebäude
der jetzigen deutschen Presseverwaltung ein ehemaliges Piaristenkloster*) war und
neben diesem Gebäude tatsächlich eine Druckerei seit langem liegt, so dürfen
wir mit größter Wahrscheinlichkeit annehmen, daß sie identisch ist mit der
Druckerei der Piaristen, in der die "Warschauer Zeitungen" entstanden. Ist
das aber so, so folgt weiter --, da an eben dieser Stelle heute Verlag,
Redaktion und Druckerei der "Deutschen Warschauer Zeitung" untergebracht
sind --. daß diese an derselben Stelle das Licht der Welt erblickte, wo vor
mehr als hundertundfunfzig Jahren die erste Warschauer Zeitung in deutscher
Sprache entstand.

Das Deutsch dieser Zeitung ist nur wenig verschieden von dem, das man
in ähnlichen Erzeugnissen zu gleicher Zeit in Deutschland vorfindet. Die Reform-
sxwegung des jungen Lessing war erst im Entstehen begriffen und erstreckte sich
ja auch in der Heimat erst sehr viel später auf publizistische Organe dieser
Art. Aber der -- gelegentlich doch modernisierte -- sächsische Kanzleistil ist
für jeden Leser durchaus verständlich. Überhaupt ist die Zeitung so recht
eigentlich eine sächsische Zeitung, und obgleich die Epoche des Gegensatzes
zwischen Sachsen und Preußen längst einer innigen Freundschaft Platz gemacht
hat, so liegt doch gerade darin ihr Wert für die Gegenwart, zumal der Inhalt
auch noch sonst schlagende Parallelen zu unseren bewegten Zeitläuften liefert.

Noch heute findet man auf den alten Meilensteinen der kleinen erzgebirgi-
schen Städte auf einer Seite das sächsische zweigeteilte Wappen, links die Kur¬
schwerter, rechts die sächsische Raute, auf der anderen Seite das viergeteilte
polnische Wappen, links oben und rechts unten den weißen polnischen Adler,
ni den beiden anderen Feldern den litauischen Reiter. Auch die Entfernung
"ach Warschau, als der zweiten Hauptstadt des sächsisch-polnischen Staates, ist
auf diesen Meilensteinen angegeben. Auf dem Denkmal August des Starken in
Dresden steht u. a. der Titel: Kex poloniae, der dem heutigen Geschlecht
vergangene Zeiten in Erinnerung bringt. Der Sohn und Nachfolger dieses
August, unter dem Namen August der Dritte, König von Polen, mußte am
10. September 17S6 vor den Truppen Friedrichs des Großen Dresden ver¬
lassen und verlegte die Regierung nach Warschau. In diese Zeit fällt das
Erscheinen unserer Zeitung. Schritt für Schritt begleitete sie die Kriegsereig¬
nisse, etwa von Friedrichs Aufgabe Ostpreußens infolge der unglücklichen Schlacht
bei Großjägersdorf über die Eroberung von Berlin durch Haddik bis zu dem
durch die Schlacht bei Leuthen gekennzeichneten Wendepunkt in ausführlichen



Wer die Geschichte dieses Gebäudes hat der Verfasser in der Sonderaufgabe der
"Deutschen Warschauer Zeitung" vom 10. August 1916 nach polnischen Quellen eine Studie
veröffentlicht.
Zur Geschichte des Warschauer deutschen Innungswesens

der angeführte Gelehrte weiter, begannen die Brüder, an Stelle der hölzernen
Gebäude solche aus Stein zu errichten, und um dieselbe Zeit erwarben sie von
den Nachkommen eines gewissen Elert dessen Buchdruckerei. Über deren Lage
wird nichts Näheres berichtet. Da wir aber nun wissen, daß das Gebäude
der jetzigen deutschen Presseverwaltung ein ehemaliges Piaristenkloster*) war und
neben diesem Gebäude tatsächlich eine Druckerei seit langem liegt, so dürfen
wir mit größter Wahrscheinlichkeit annehmen, daß sie identisch ist mit der
Druckerei der Piaristen, in der die „Warschauer Zeitungen" entstanden. Ist
das aber so, so folgt weiter —, da an eben dieser Stelle heute Verlag,
Redaktion und Druckerei der „Deutschen Warschauer Zeitung" untergebracht
sind —. daß diese an derselben Stelle das Licht der Welt erblickte, wo vor
mehr als hundertundfunfzig Jahren die erste Warschauer Zeitung in deutscher
Sprache entstand.

Das Deutsch dieser Zeitung ist nur wenig verschieden von dem, das man
in ähnlichen Erzeugnissen zu gleicher Zeit in Deutschland vorfindet. Die Reform-
sxwegung des jungen Lessing war erst im Entstehen begriffen und erstreckte sich
ja auch in der Heimat erst sehr viel später auf publizistische Organe dieser
Art. Aber der — gelegentlich doch modernisierte — sächsische Kanzleistil ist
für jeden Leser durchaus verständlich. Überhaupt ist die Zeitung so recht
eigentlich eine sächsische Zeitung, und obgleich die Epoche des Gegensatzes
zwischen Sachsen und Preußen längst einer innigen Freundschaft Platz gemacht
hat, so liegt doch gerade darin ihr Wert für die Gegenwart, zumal der Inhalt
auch noch sonst schlagende Parallelen zu unseren bewegten Zeitläuften liefert.

Noch heute findet man auf den alten Meilensteinen der kleinen erzgebirgi-
schen Städte auf einer Seite das sächsische zweigeteilte Wappen, links die Kur¬
schwerter, rechts die sächsische Raute, auf der anderen Seite das viergeteilte
polnische Wappen, links oben und rechts unten den weißen polnischen Adler,
ni den beiden anderen Feldern den litauischen Reiter. Auch die Entfernung
»ach Warschau, als der zweiten Hauptstadt des sächsisch-polnischen Staates, ist
auf diesen Meilensteinen angegeben. Auf dem Denkmal August des Starken in
Dresden steht u. a. der Titel: Kex poloniae, der dem heutigen Geschlecht
vergangene Zeiten in Erinnerung bringt. Der Sohn und Nachfolger dieses
August, unter dem Namen August der Dritte, König von Polen, mußte am
10. September 17S6 vor den Truppen Friedrichs des Großen Dresden ver¬
lassen und verlegte die Regierung nach Warschau. In diese Zeit fällt das
Erscheinen unserer Zeitung. Schritt für Schritt begleitete sie die Kriegsereig¬
nisse, etwa von Friedrichs Aufgabe Ostpreußens infolge der unglücklichen Schlacht
bei Großjägersdorf über die Eroberung von Berlin durch Haddik bis zu dem
durch die Schlacht bei Leuthen gekennzeichneten Wendepunkt in ausführlichen



Wer die Geschichte dieses Gebäudes hat der Verfasser in der Sonderaufgabe der
„Deutschen Warschauer Zeitung" vom 10. August 1916 nach polnischen Quellen eine Studie
veröffentlicht.
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[0277] Zur Geschichte des Warschauer deutschen Innungswesens der angeführte Gelehrte weiter, begannen die Brüder, an Stelle der hölzernen Gebäude solche aus Stein zu errichten, und um dieselbe Zeit erwarben sie von den Nachkommen eines gewissen Elert dessen Buchdruckerei. Über deren Lage wird nichts Näheres berichtet. Da wir aber nun wissen, daß das Gebäude der jetzigen deutschen Presseverwaltung ein ehemaliges Piaristenkloster*) war und neben diesem Gebäude tatsächlich eine Druckerei seit langem liegt, so dürfen wir mit größter Wahrscheinlichkeit annehmen, daß sie identisch ist mit der Druckerei der Piaristen, in der die „Warschauer Zeitungen" entstanden. Ist das aber so, so folgt weiter —, da an eben dieser Stelle heute Verlag, Redaktion und Druckerei der „Deutschen Warschauer Zeitung" untergebracht sind —. daß diese an derselben Stelle das Licht der Welt erblickte, wo vor mehr als hundertundfunfzig Jahren die erste Warschauer Zeitung in deutscher Sprache entstand. Das Deutsch dieser Zeitung ist nur wenig verschieden von dem, das man in ähnlichen Erzeugnissen zu gleicher Zeit in Deutschland vorfindet. Die Reform- sxwegung des jungen Lessing war erst im Entstehen begriffen und erstreckte sich ja auch in der Heimat erst sehr viel später auf publizistische Organe dieser Art. Aber der — gelegentlich doch modernisierte — sächsische Kanzleistil ist für jeden Leser durchaus verständlich. Überhaupt ist die Zeitung so recht eigentlich eine sächsische Zeitung, und obgleich die Epoche des Gegensatzes zwischen Sachsen und Preußen längst einer innigen Freundschaft Platz gemacht hat, so liegt doch gerade darin ihr Wert für die Gegenwart, zumal der Inhalt auch noch sonst schlagende Parallelen zu unseren bewegten Zeitläuften liefert. Noch heute findet man auf den alten Meilensteinen der kleinen erzgebirgi- schen Städte auf einer Seite das sächsische zweigeteilte Wappen, links die Kur¬ schwerter, rechts die sächsische Raute, auf der anderen Seite das viergeteilte polnische Wappen, links oben und rechts unten den weißen polnischen Adler, ni den beiden anderen Feldern den litauischen Reiter. Auch die Entfernung »ach Warschau, als der zweiten Hauptstadt des sächsisch-polnischen Staates, ist auf diesen Meilensteinen angegeben. Auf dem Denkmal August des Starken in Dresden steht u. a. der Titel: Kex poloniae, der dem heutigen Geschlecht vergangene Zeiten in Erinnerung bringt. Der Sohn und Nachfolger dieses August, unter dem Namen August der Dritte, König von Polen, mußte am 10. September 17S6 vor den Truppen Friedrichs des Großen Dresden ver¬ lassen und verlegte die Regierung nach Warschau. In diese Zeit fällt das Erscheinen unserer Zeitung. Schritt für Schritt begleitete sie die Kriegsereig¬ nisse, etwa von Friedrichs Aufgabe Ostpreußens infolge der unglücklichen Schlacht bei Großjägersdorf über die Eroberung von Berlin durch Haddik bis zu dem durch die Schlacht bei Leuthen gekennzeichneten Wendepunkt in ausführlichen Wer die Geschichte dieses Gebäudes hat der Verfasser in der Sonderaufgabe der „Deutschen Warschauer Zeitung" vom 10. August 1916 nach polnischen Quellen eine Studie veröffentlicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/277>, abgerufen am 23.07.2024.