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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Mnisterumwcilzungen in Rußland

Weniger wichtig, aber doch auch ebenso bezeichnend wie der Rücktritt
Ssasonows ist der Rücktritt Naumows im Landwirtschaftsministerium und sein
Ersatz durch den Grasen Bobrinski. Graf Bobrinski ist bisher Gehilfe des
Ministers des Innern gewesen. Von ihm, als dem ehemaligen Führer der Rechts¬
partei in der Duma erwartete man einen großen Einfluß auf die innere Politik.
Hat er den auch nicht gehabt, so war doch schon seine Ernennung bedeutsam
und Naumows Entfernung paßt gut in den allgemeinen Rahmen der Stürmer¬
politik. Naumow war einer von denjenigen Leuten, die mit der Duma und der
sogenannten Gesellschaft zusammenzuarbeiten sich nicht genierten. Seine ersten
Erklärungen in der Duma über die Ernährungsfrage und über seine Bestre¬
bungen wurden daher von gewissen Kreisen sympathisch aufgenommen, er wurde
in der Duma mit Beifallrufen begrüßt. Er hatte im allgemeinen eine gute
Presse und es scheint, daß er sich in der Ernährungsfrage bemüht hat, mit den
gesellschaftlichen Organisationen zusammenzuwirken und daß er deren Ver¬
trauen gewonnen hatte. Dabei ist er einerseits mit den maßgebenden Männern
der Stürmerschen Richtung, andererseits mit den Agrariern zusammengestoßen,
die die von Naumow angesetzten Höchstpreise außerordentlich unbequem fanden.
Man sprach eigentlich schon im Anfang der Ernennung Naumows von seinem
Weggange, und bereits einige Zeit hat er sein Ministerium mit Urlaub ver¬
lassen. So hat sich eigentlich seit der Zeit, wo Stürmer ihn an der Beant¬
wortung der agrarischen Jnterpellation im Reichstage verhindert hat, kein
Mensch darüber gewundert, daß Naumow eines Tages gehen würde. Die
linksliberalen Schichten in Rußland sind über alle diese Wechsel nicht gerade
erbaut, und man sieht voraus, daß noch weitere Veränderungen kommen werden.
Pokrowski und Purischkewitsch werden als Leute genannt, von deren Talenten
man Großes erwartet. Das würde eine weitere Rechts-Orientierung des
Kabinetts bedeuten.

Die ganze Entwicklung scheint darauf hinzudeuten, daß es so kommt.
Damit bringt die Stürmersche Ära neue interessante Probleme, die zu beobachten
auch für uns lohnen wird.




Mnisterumwcilzungen in Rußland

Weniger wichtig, aber doch auch ebenso bezeichnend wie der Rücktritt
Ssasonows ist der Rücktritt Naumows im Landwirtschaftsministerium und sein
Ersatz durch den Grasen Bobrinski. Graf Bobrinski ist bisher Gehilfe des
Ministers des Innern gewesen. Von ihm, als dem ehemaligen Führer der Rechts¬
partei in der Duma erwartete man einen großen Einfluß auf die innere Politik.
Hat er den auch nicht gehabt, so war doch schon seine Ernennung bedeutsam
und Naumows Entfernung paßt gut in den allgemeinen Rahmen der Stürmer¬
politik. Naumow war einer von denjenigen Leuten, die mit der Duma und der
sogenannten Gesellschaft zusammenzuarbeiten sich nicht genierten. Seine ersten
Erklärungen in der Duma über die Ernährungsfrage und über seine Bestre¬
bungen wurden daher von gewissen Kreisen sympathisch aufgenommen, er wurde
in der Duma mit Beifallrufen begrüßt. Er hatte im allgemeinen eine gute
Presse und es scheint, daß er sich in der Ernährungsfrage bemüht hat, mit den
gesellschaftlichen Organisationen zusammenzuwirken und daß er deren Ver¬
trauen gewonnen hatte. Dabei ist er einerseits mit den maßgebenden Männern
der Stürmerschen Richtung, andererseits mit den Agrariern zusammengestoßen,
die die von Naumow angesetzten Höchstpreise außerordentlich unbequem fanden.
Man sprach eigentlich schon im Anfang der Ernennung Naumows von seinem
Weggange, und bereits einige Zeit hat er sein Ministerium mit Urlaub ver¬
lassen. So hat sich eigentlich seit der Zeit, wo Stürmer ihn an der Beant¬
wortung der agrarischen Jnterpellation im Reichstage verhindert hat, kein
Mensch darüber gewundert, daß Naumow eines Tages gehen würde. Die
linksliberalen Schichten in Rußland sind über alle diese Wechsel nicht gerade
erbaut, und man sieht voraus, daß noch weitere Veränderungen kommen werden.
Pokrowski und Purischkewitsch werden als Leute genannt, von deren Talenten
man Großes erwartet. Das würde eine weitere Rechts-Orientierung des
Kabinetts bedeuten.

Die ganze Entwicklung scheint darauf hinzudeuten, daß es so kommt.
Damit bringt die Stürmersche Ära neue interessante Probleme, die zu beobachten
auch für uns lohnen wird.




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[0274] Mnisterumwcilzungen in Rußland Weniger wichtig, aber doch auch ebenso bezeichnend wie der Rücktritt Ssasonows ist der Rücktritt Naumows im Landwirtschaftsministerium und sein Ersatz durch den Grasen Bobrinski. Graf Bobrinski ist bisher Gehilfe des Ministers des Innern gewesen. Von ihm, als dem ehemaligen Führer der Rechts¬ partei in der Duma erwartete man einen großen Einfluß auf die innere Politik. Hat er den auch nicht gehabt, so war doch schon seine Ernennung bedeutsam und Naumows Entfernung paßt gut in den allgemeinen Rahmen der Stürmer¬ politik. Naumow war einer von denjenigen Leuten, die mit der Duma und der sogenannten Gesellschaft zusammenzuarbeiten sich nicht genierten. Seine ersten Erklärungen in der Duma über die Ernährungsfrage und über seine Bestre¬ bungen wurden daher von gewissen Kreisen sympathisch aufgenommen, er wurde in der Duma mit Beifallrufen begrüßt. Er hatte im allgemeinen eine gute Presse und es scheint, daß er sich in der Ernährungsfrage bemüht hat, mit den gesellschaftlichen Organisationen zusammenzuwirken und daß er deren Ver¬ trauen gewonnen hatte. Dabei ist er einerseits mit den maßgebenden Männern der Stürmerschen Richtung, andererseits mit den Agrariern zusammengestoßen, die die von Naumow angesetzten Höchstpreise außerordentlich unbequem fanden. Man sprach eigentlich schon im Anfang der Ernennung Naumows von seinem Weggange, und bereits einige Zeit hat er sein Ministerium mit Urlaub ver¬ lassen. So hat sich eigentlich seit der Zeit, wo Stürmer ihn an der Beant¬ wortung der agrarischen Jnterpellation im Reichstage verhindert hat, kein Mensch darüber gewundert, daß Naumow eines Tages gehen würde. Die linksliberalen Schichten in Rußland sind über alle diese Wechsel nicht gerade erbaut, und man sieht voraus, daß noch weitere Veränderungen kommen werden. Pokrowski und Purischkewitsch werden als Leute genannt, von deren Talenten man Großes erwartet. Das würde eine weitere Rechts-Orientierung des Kabinetts bedeuten. Die ganze Entwicklung scheint darauf hinzudeuten, daß es so kommt. Damit bringt die Stürmersche Ära neue interessante Probleme, die zu beobachten auch für uns lohnen wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/274>, abgerufen am 23.07.2024.