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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Dänische Stimmungen

verstehen. Es ist aber Tatsache, daß man, wenn man die deutsche Organisation
nicht genau kennt, wenn man sie nicht sozusagen erlebt hat, glaubt, daß sie
mit Freiheit unvereinbar ist. Es scheint jedem Deutschen selbstverständlich, daß
die Entwicklungsmöglichkeiten für den einzelnen in einer geordneten Gesellschaft
größer find, als in einer ungeordneten. Aber auch die Deutschen haben das
nicht immer verstanden, und die Jndividualistenvölker verstanden es bis zu dem
Kriege nicht. Wenn man überhaupt von segensreichen Wirkungen des Krieges
sprechen darf, so liegen diese wohl in dem Beweis der Überlegenheit der deutschen
Organisation, so daß es nur noch eine Zeitfrage ist, daß alle anderen Völker
-- auch Dänemark -- sich danach einrichten.

Ich möchte aber, daß meine deutschen Leser folgendes klar verstehen mögen:
die Organisation hat sich in Deutschland nach und nach und natürlich heraus¬
gearbeitet, und die Deutschen haben ihre Wirkungen erfahren. Sie ist ein
natürlicher, organischer Teil des neudeutschen Wesens. Für uns andere ist sie
aber etwas Neues und Fremdes; wir haben die Übergangsftadien nicht durch¬
gemacht, und als geborene Individualisten schrecken wir natürlich zurück.
Freilich die Zeit wird kommen, da wir mit all unserer Kraft streben werden,
uns die Organisation anzueignen, aber man darf sich nicht wundern, wenn es
Widerstand weckt und nicht über Nacht geschieht.

Es gibt ja aber auch viele Dünen, die die neudeutsche Entwicklung
verstehen und bewundern, und es liegen in der dänischen Kriegsliteratur eine
Reihe von bedeutenden Werken vor, die den Gegensatz Deutschland--England
in verständnisvoller, oft vollkommen deutschfreundlicher Weise behandeln. Von
diesen Büchern sind besonders drei hervorzuheben: Johannes V. Imsen:
"Einführung in unser Zeitalter", ein hochinteressantes Werk, das in dem Abschnitt
über den Krieg eine glänzende Charakteristik sowohl von Deutschland als von
England gibt, und Deutschland als das Land der Ordnung und der Kraft
preist; ferner Dr. Arnold Fraenkel: "Die Welt mit dänischen Maß und
Dänemark mit dem Weltmaß gemessen", eine geistreiche Untersuchung der volks¬
wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands und Englands von der Zeit der
Hansa bis zur Gegenwart; schließlich Chr. Reventlow: "Kriegsursachen und
Kampfziele", das besonders durch die Vergleiche zwischen englischem und deutschem
Imperialismus von Interesse ist.

Außer der Organisation werden von den Freunden Deutschlands noch drei
Züge als besonders charakteristisch für das deutsche Wesen hervorgehoben.
Erstens die Arbeitskraft und Arbeitsintensität. Den Gegensatz zwischen Deutsch¬
land und England erkennt Johannes Imsen als einen Gegensatz zwischen Kraft
und Stil, und er fragt, ob nicht das tadellose in dem englischen Wesen eine
unfruchtbare und geistlose Form in Vergleich mit der kernhaften deutschen
Grobheit ist. Er hält die Deutschen für die jüngere, kräftigere Art, für das
Volk der Zukunft, während es den Anschein hat, daß der Engländer als "ein
Mann in eveninA arcs8" enden soll.


Dänische Stimmungen

verstehen. Es ist aber Tatsache, daß man, wenn man die deutsche Organisation
nicht genau kennt, wenn man sie nicht sozusagen erlebt hat, glaubt, daß sie
mit Freiheit unvereinbar ist. Es scheint jedem Deutschen selbstverständlich, daß
die Entwicklungsmöglichkeiten für den einzelnen in einer geordneten Gesellschaft
größer find, als in einer ungeordneten. Aber auch die Deutschen haben das
nicht immer verstanden, und die Jndividualistenvölker verstanden es bis zu dem
Kriege nicht. Wenn man überhaupt von segensreichen Wirkungen des Krieges
sprechen darf, so liegen diese wohl in dem Beweis der Überlegenheit der deutschen
Organisation, so daß es nur noch eine Zeitfrage ist, daß alle anderen Völker
— auch Dänemark — sich danach einrichten.

Ich möchte aber, daß meine deutschen Leser folgendes klar verstehen mögen:
die Organisation hat sich in Deutschland nach und nach und natürlich heraus¬
gearbeitet, und die Deutschen haben ihre Wirkungen erfahren. Sie ist ein
natürlicher, organischer Teil des neudeutschen Wesens. Für uns andere ist sie
aber etwas Neues und Fremdes; wir haben die Übergangsftadien nicht durch¬
gemacht, und als geborene Individualisten schrecken wir natürlich zurück.
Freilich die Zeit wird kommen, da wir mit all unserer Kraft streben werden,
uns die Organisation anzueignen, aber man darf sich nicht wundern, wenn es
Widerstand weckt und nicht über Nacht geschieht.

Es gibt ja aber auch viele Dünen, die die neudeutsche Entwicklung
verstehen und bewundern, und es liegen in der dänischen Kriegsliteratur eine
Reihe von bedeutenden Werken vor, die den Gegensatz Deutschland—England
in verständnisvoller, oft vollkommen deutschfreundlicher Weise behandeln. Von
diesen Büchern sind besonders drei hervorzuheben: Johannes V. Imsen:
„Einführung in unser Zeitalter", ein hochinteressantes Werk, das in dem Abschnitt
über den Krieg eine glänzende Charakteristik sowohl von Deutschland als von
England gibt, und Deutschland als das Land der Ordnung und der Kraft
preist; ferner Dr. Arnold Fraenkel: „Die Welt mit dänischen Maß und
Dänemark mit dem Weltmaß gemessen", eine geistreiche Untersuchung der volks¬
wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands und Englands von der Zeit der
Hansa bis zur Gegenwart; schließlich Chr. Reventlow: „Kriegsursachen und
Kampfziele", das besonders durch die Vergleiche zwischen englischem und deutschem
Imperialismus von Interesse ist.

Außer der Organisation werden von den Freunden Deutschlands noch drei
Züge als besonders charakteristisch für das deutsche Wesen hervorgehoben.
Erstens die Arbeitskraft und Arbeitsintensität. Den Gegensatz zwischen Deutsch¬
land und England erkennt Johannes Imsen als einen Gegensatz zwischen Kraft
und Stil, und er fragt, ob nicht das tadellose in dem englischen Wesen eine
unfruchtbare und geistlose Form in Vergleich mit der kernhaften deutschen
Grobheit ist. Er hält die Deutschen für die jüngere, kräftigere Art, für das
Volk der Zukunft, während es den Anschein hat, daß der Engländer als „ein
Mann in eveninA arcs8" enden soll.


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[0194] Dänische Stimmungen verstehen. Es ist aber Tatsache, daß man, wenn man die deutsche Organisation nicht genau kennt, wenn man sie nicht sozusagen erlebt hat, glaubt, daß sie mit Freiheit unvereinbar ist. Es scheint jedem Deutschen selbstverständlich, daß die Entwicklungsmöglichkeiten für den einzelnen in einer geordneten Gesellschaft größer find, als in einer ungeordneten. Aber auch die Deutschen haben das nicht immer verstanden, und die Jndividualistenvölker verstanden es bis zu dem Kriege nicht. Wenn man überhaupt von segensreichen Wirkungen des Krieges sprechen darf, so liegen diese wohl in dem Beweis der Überlegenheit der deutschen Organisation, so daß es nur noch eine Zeitfrage ist, daß alle anderen Völker — auch Dänemark — sich danach einrichten. Ich möchte aber, daß meine deutschen Leser folgendes klar verstehen mögen: die Organisation hat sich in Deutschland nach und nach und natürlich heraus¬ gearbeitet, und die Deutschen haben ihre Wirkungen erfahren. Sie ist ein natürlicher, organischer Teil des neudeutschen Wesens. Für uns andere ist sie aber etwas Neues und Fremdes; wir haben die Übergangsftadien nicht durch¬ gemacht, und als geborene Individualisten schrecken wir natürlich zurück. Freilich die Zeit wird kommen, da wir mit all unserer Kraft streben werden, uns die Organisation anzueignen, aber man darf sich nicht wundern, wenn es Widerstand weckt und nicht über Nacht geschieht. Es gibt ja aber auch viele Dünen, die die neudeutsche Entwicklung verstehen und bewundern, und es liegen in der dänischen Kriegsliteratur eine Reihe von bedeutenden Werken vor, die den Gegensatz Deutschland—England in verständnisvoller, oft vollkommen deutschfreundlicher Weise behandeln. Von diesen Büchern sind besonders drei hervorzuheben: Johannes V. Imsen: „Einführung in unser Zeitalter", ein hochinteressantes Werk, das in dem Abschnitt über den Krieg eine glänzende Charakteristik sowohl von Deutschland als von England gibt, und Deutschland als das Land der Ordnung und der Kraft preist; ferner Dr. Arnold Fraenkel: „Die Welt mit dänischen Maß und Dänemark mit dem Weltmaß gemessen", eine geistreiche Untersuchung der volks¬ wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands und Englands von der Zeit der Hansa bis zur Gegenwart; schließlich Chr. Reventlow: „Kriegsursachen und Kampfziele", das besonders durch die Vergleiche zwischen englischem und deutschem Imperialismus von Interesse ist. Außer der Organisation werden von den Freunden Deutschlands noch drei Züge als besonders charakteristisch für das deutsche Wesen hervorgehoben. Erstens die Arbeitskraft und Arbeitsintensität. Den Gegensatz zwischen Deutsch¬ land und England erkennt Johannes Imsen als einen Gegensatz zwischen Kraft und Stil, und er fragt, ob nicht das tadellose in dem englischen Wesen eine unfruchtbare und geistlose Form in Vergleich mit der kernhaften deutschen Grobheit ist. Er hält die Deutschen für die jüngere, kräftigere Art, für das Volk der Zukunft, während es den Anschein hat, daß der Engländer als „ein Mann in eveninA arcs8" enden soll.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/194>, abgerufen am 23.07.2024.