Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Wege des Geistes in der Sprache

gelegten Fingerspitzen an die Lippen gelegt und in gerader Richtung davon
abgezogen werden, so wird die Lüge überall durch eine Gebärde symbolisiert,
bei der sich die Finger in schräger Richtung vom Mund entfernen.

Unsere deutsche Sprache ist ein Märchenwald, in dem die Bäume sprechen
und der Lauscher, dem die Ohren geöffnet sind, die Zwiesprache der Vögel ver¬
stehen kann. Als Zauberwald haben sie, vom Lande der Romantik ausgehend,
vor hundert Jahren die Begründer der deutschen Philologie entdeckt und sinnend
betreten. Die romantische Stimmung hat die deutsche Sprachforschung und in
ihr gerade die Wortforschung nicht zu ihrem Schaden noch lange umweht: den
verwunschenen Prinzen .Wort' zu erlösen war die Losung noch RudolfHildebrcmds,
des bedeutendsten unter den Forsetzern des Deutschen Wörterbuchs der Brüder
Grimm. Inzwischen ist mancher, der sich als zünftiger Philolog lebenslang in
dem von der Romantik erschlossenen Revier bewegen durfte, der Gefahr erlegen,
daß er vor Bäumen den Wald nicht mehr sah. Unser deutscher Krieg, der
mit Millionen anderer auch so manchen Philologen zwingt, fern vom Schreib¬
tisch über die Sprache nachzudenken, kann, wenn er tausendfältig Wunden
schlägt und von geistiger Arbeit ablenkt, hier auch einmal heilen und anregen,
wenn er zu voraussetzungslosen Sinnen über die Wege des Geistes in der
Sprache zurückführt.






Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




Nachdruck sämtlicher AufsStz" nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet.
Verimnoortlich! der Herausgeber Georg Tleinow in Berlin-Lichterseld-West. -- Manuslrtpts-ndungen und
Briefe werden erbeten unter der Adresse i
An den Herausgeber der Grenzboten i" Berlin-Lichterfelde West, Sternstrasje i>".
Fernsprecher des Herausgebers- Amt Lichterfelde 49S, des Verlags und der Schriftleitung- Amt Lützow "610.
Verlag! Verlag der Grenzboten G. in> b, H. in Berlin SV 11, Tempelhofer User W->
Druck: "Der ReichSbot"" T. in. b. H. i" Berlin SV II, Dessauer Strase M/S7.
Wege des Geistes in der Sprache

gelegten Fingerspitzen an die Lippen gelegt und in gerader Richtung davon
abgezogen werden, so wird die Lüge überall durch eine Gebärde symbolisiert,
bei der sich die Finger in schräger Richtung vom Mund entfernen.

Unsere deutsche Sprache ist ein Märchenwald, in dem die Bäume sprechen
und der Lauscher, dem die Ohren geöffnet sind, die Zwiesprache der Vögel ver¬
stehen kann. Als Zauberwald haben sie, vom Lande der Romantik ausgehend,
vor hundert Jahren die Begründer der deutschen Philologie entdeckt und sinnend
betreten. Die romantische Stimmung hat die deutsche Sprachforschung und in
ihr gerade die Wortforschung nicht zu ihrem Schaden noch lange umweht: den
verwunschenen Prinzen .Wort' zu erlösen war die Losung noch RudolfHildebrcmds,
des bedeutendsten unter den Forsetzern des Deutschen Wörterbuchs der Brüder
Grimm. Inzwischen ist mancher, der sich als zünftiger Philolog lebenslang in
dem von der Romantik erschlossenen Revier bewegen durfte, der Gefahr erlegen,
daß er vor Bäumen den Wald nicht mehr sah. Unser deutscher Krieg, der
mit Millionen anderer auch so manchen Philologen zwingt, fern vom Schreib¬
tisch über die Sprache nachzudenken, kann, wenn er tausendfältig Wunden
schlägt und von geistiger Arbeit ablenkt, hier auch einmal heilen und anregen,
wenn er zu voraussetzungslosen Sinnen über die Wege des Geistes in der
Sprache zurückführt.






Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




Nachdruck sämtlicher AufsStz« nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet.
Verimnoortlich! der Herausgeber Georg Tleinow in Berlin-Lichterseld-West. — Manuslrtpts-ndungen und
Briefe werden erbeten unter der Adresse i
An den Herausgeber der Grenzboten i» Berlin-Lichterfelde West, Sternstrasje i>«.
Fernsprecher des Herausgebers- Amt Lichterfelde 49S, des Verlags und der Schriftleitung- Amt Lützow «610.
Verlag! Verlag der Grenzboten G. in> b, H. in Berlin SV 11, Tempelhofer User W->
Druck: „Der ReichSbot«" T. in. b. H. i« Berlin SV II, Dessauer Strase M/S7.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0172" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330710"/>
          <fw type="header" place="top"> Wege des Geistes in der Sprache</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_563" prev="#ID_562"> gelegten Fingerspitzen an die Lippen gelegt und in gerader Richtung davon<lb/>
abgezogen werden, so wird die Lüge überall durch eine Gebärde symbolisiert,<lb/>
bei der sich die Finger in schräger Richtung vom Mund entfernen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_564"> Unsere deutsche Sprache ist ein Märchenwald, in dem die Bäume sprechen<lb/>
und der Lauscher, dem die Ohren geöffnet sind, die Zwiesprache der Vögel ver¬<lb/>
stehen kann. Als Zauberwald haben sie, vom Lande der Romantik ausgehend,<lb/>
vor hundert Jahren die Begründer der deutschen Philologie entdeckt und sinnend<lb/>
betreten. Die romantische Stimmung hat die deutsche Sprachforschung und in<lb/>
ihr gerade die Wortforschung nicht zu ihrem Schaden noch lange umweht: den<lb/>
verwunschenen Prinzen .Wort' zu erlösen war die Losung noch RudolfHildebrcmds,<lb/>
des bedeutendsten unter den Forsetzern des Deutschen Wörterbuchs der Brüder<lb/>
Grimm. Inzwischen ist mancher, der sich als zünftiger Philolog lebenslang in<lb/>
dem von der Romantik erschlossenen Revier bewegen durfte, der Gefahr erlegen,<lb/>
daß er vor Bäumen den Wald nicht mehr sah. Unser deutscher Krieg, der<lb/>
mit Millionen anderer auch so manchen Philologen zwingt, fern vom Schreib¬<lb/>
tisch über die Sprache nachzudenken, kann, wenn er tausendfältig Wunden<lb/>
schlägt und von geistiger Arbeit ablenkt, hier auch einmal heilen und anregen,<lb/>
wenn er zu voraussetzungslosen Sinnen über die Wege des Geistes in der<lb/>
Sprache zurückführt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_565"> Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung<lb/>
nicht verbürgt werden kann.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <note type="byline"> Nachdruck sämtlicher AufsStz« nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet.<lb/>
Verimnoortlich! der Herausgeber Georg Tleinow in Berlin-Lichterseld-West. &#x2014; Manuslrtpts-ndungen und<lb/>
Briefe werden erbeten unter der Adresse i<lb/>
An den Herausgeber der Grenzboten i» Berlin-Lichterfelde West, Sternstrasje i&gt;«.<lb/>
Fernsprecher des Herausgebers- Amt Lichterfelde 49S, des Verlags und der Schriftleitung- Amt Lützow «610.<lb/>
Verlag! Verlag der Grenzboten G. in&gt; b, H. in Berlin SV 11, Tempelhofer User W-&gt;<lb/>
Druck: &#x201E;Der ReichSbot«" T. in. b. H. i« Berlin SV II, Dessauer Strase M/S7.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0172] Wege des Geistes in der Sprache gelegten Fingerspitzen an die Lippen gelegt und in gerader Richtung davon abgezogen werden, so wird die Lüge überall durch eine Gebärde symbolisiert, bei der sich die Finger in schräger Richtung vom Mund entfernen. Unsere deutsche Sprache ist ein Märchenwald, in dem die Bäume sprechen und der Lauscher, dem die Ohren geöffnet sind, die Zwiesprache der Vögel ver¬ stehen kann. Als Zauberwald haben sie, vom Lande der Romantik ausgehend, vor hundert Jahren die Begründer der deutschen Philologie entdeckt und sinnend betreten. Die romantische Stimmung hat die deutsche Sprachforschung und in ihr gerade die Wortforschung nicht zu ihrem Schaden noch lange umweht: den verwunschenen Prinzen .Wort' zu erlösen war die Losung noch RudolfHildebrcmds, des bedeutendsten unter den Forsetzern des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm. Inzwischen ist mancher, der sich als zünftiger Philolog lebenslang in dem von der Romantik erschlossenen Revier bewegen durfte, der Gefahr erlegen, daß er vor Bäumen den Wald nicht mehr sah. Unser deutscher Krieg, der mit Millionen anderer auch so manchen Philologen zwingt, fern vom Schreib¬ tisch über die Sprache nachzudenken, kann, wenn er tausendfältig Wunden schlägt und von geistiger Arbeit ablenkt, hier auch einmal heilen und anregen, wenn er zu voraussetzungslosen Sinnen über die Wege des Geistes in der Sprache zurückführt. Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung nicht verbürgt werden kann. Nachdruck sämtlicher AufsStz« nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags gestattet. Verimnoortlich! der Herausgeber Georg Tleinow in Berlin-Lichterseld-West. — Manuslrtpts-ndungen und Briefe werden erbeten unter der Adresse i An den Herausgeber der Grenzboten i» Berlin-Lichterfelde West, Sternstrasje i>«. Fernsprecher des Herausgebers- Amt Lichterfelde 49S, des Verlags und der Schriftleitung- Amt Lützow «610. Verlag! Verlag der Grenzboten G. in> b, H. in Berlin SV 11, Tempelhofer User W-> Druck: „Der ReichSbot«" T. in. b. H. i« Berlin SV II, Dessauer Strase M/S7.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/172
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/172>, abgerufen am 23.07.2024.