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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Der deutsche Katholizismus im Weltkrieg

in dem Nebeneinander vieler nationaler Eigenarten die Strahlen erkennt, in
denen das göttliche Licht auf Erden sich am großartigsten auseinanderfaltet."

Man tadle uns, daß wir die Autoren lieber zu Worte kommen ließen als
über sie urteilen --, wir glauben damit im Sinne des Friedens in unserem
Volke zu handeln, das nichts mehr wissen will von Kämpfen um Glaubens¬
lehren, weil es weiß wozu sie führten und führen werden. "Mit Blut ist die
Erde gedüngt und mit Blut ist die Geschichte der Menschen geschrieben.
Furchtbare Dinge sind je und je geschehen und geschehen noch heute. Das
Furchtbarste aber ist und war und wird sein allezeit, wenn sich die Geschöpfe
Gottes verfolgen mit Wort oder Tat, im Wahne, der Ehre Gottes zu
dienen." *) Nur weltfremder Optimismus wird wähnen, daß der Frieden
unter den Konfessionen, wie wir seiner uns jetzt freuen, ein ewiger Besitz
unseres Vaterlandes sein und bleiben werde -- wir wissen, daß der Kampf
der Kirchen und Bekenntnisse auch für sie ein Mittel, dazu die Offenbarung ihres
Lebens, die Entfaltung ihres Wesens und Wertes ist und sein muß --, die
Reibungen aber können mildere Formen annehmen, die Auseinandersetzungen
über Inhalt und Wert der Dogmen und kirchlichen Forderungen sehr wohl
des Ansporns wechselseitiger Beleidigung und Herabsetzung entraten. Heute
wie seit zwei Jahren steht unser Bestand als staatliches Ganzes, als Ge¬
meinschaft des Rechts, der Wirtschaft und des geistigen Lebens auf dem Spiel,
und in solcher Zeit heißt es religiösen und kirchenpolitischen Antagonien mit
Nachdruck und entschlossenem Ernst begegnen, auf daß sie nicht, auch nicht unter
der Decke, wuchern und die Kraft des Armes lähmen, der den Feind besiegen
soll und muß. Ist dies der Kerngedanke der Schrift, dann wissen wir uns
mit ihren Verfassern eines Sinnes, einer Überzeugung. Dann auch wünschen
wir aufrichtig, daß ihre Worte Verständnis und Annahme finden bei jenen
Neutralen, die noch nicht ganz durch Lüge und Leidenschaft sich haben in die
Irre führen lassen. Ob sie Eindruck machen werden bei denen, für die sie in
erster Linie bestimmt ist, bei den Franzosen? Billig wird man daran mehr
als zweifeln dürfen, zumal wenn man an der Hand gerade jenes Pamphlets
inne geworden ist, welchen Grad entsetzlicher Verblendung sie erreicht haben.
Dem Beobachter erscheint er als das selbstgewollte Ergebnis nationaler Auf-
stachelung und Überschätzung. Als eins der Symptome für den Niedergang
eines hochbegabten Volkes weckt er Mitleid selbst beim Gegner, der sich freilich
fragen muß, ob nicht gar sein Mitleid wiederum als unwillkommene Äußerung
eines menschlichen Gefühls zurückgewiesen wird, da das Empfinden eines
Deutschen nur als lästig, aufdringlich, widersinnig, kurz als barbarisch gilt.
Na pauvro Trance 8'en va, so hörten wir vor Jahren in Reims vor der
Kathedrale einen Bänkelsänger klagen, als sich' die Nachricht von der Ermordung
des Präsidenten Sadi Carnot durch einen Italiener verbreitet hatte. Armes



*) A. spert, So war's (2. Aufl., Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart und Leipzig
1902), S. 33.
Der deutsche Katholizismus im Weltkrieg

in dem Nebeneinander vieler nationaler Eigenarten die Strahlen erkennt, in
denen das göttliche Licht auf Erden sich am großartigsten auseinanderfaltet."

Man tadle uns, daß wir die Autoren lieber zu Worte kommen ließen als
über sie urteilen —, wir glauben damit im Sinne des Friedens in unserem
Volke zu handeln, das nichts mehr wissen will von Kämpfen um Glaubens¬
lehren, weil es weiß wozu sie führten und führen werden. „Mit Blut ist die
Erde gedüngt und mit Blut ist die Geschichte der Menschen geschrieben.
Furchtbare Dinge sind je und je geschehen und geschehen noch heute. Das
Furchtbarste aber ist und war und wird sein allezeit, wenn sich die Geschöpfe
Gottes verfolgen mit Wort oder Tat, im Wahne, der Ehre Gottes zu
dienen." *) Nur weltfremder Optimismus wird wähnen, daß der Frieden
unter den Konfessionen, wie wir seiner uns jetzt freuen, ein ewiger Besitz
unseres Vaterlandes sein und bleiben werde — wir wissen, daß der Kampf
der Kirchen und Bekenntnisse auch für sie ein Mittel, dazu die Offenbarung ihres
Lebens, die Entfaltung ihres Wesens und Wertes ist und sein muß —, die
Reibungen aber können mildere Formen annehmen, die Auseinandersetzungen
über Inhalt und Wert der Dogmen und kirchlichen Forderungen sehr wohl
des Ansporns wechselseitiger Beleidigung und Herabsetzung entraten. Heute
wie seit zwei Jahren steht unser Bestand als staatliches Ganzes, als Ge¬
meinschaft des Rechts, der Wirtschaft und des geistigen Lebens auf dem Spiel,
und in solcher Zeit heißt es religiösen und kirchenpolitischen Antagonien mit
Nachdruck und entschlossenem Ernst begegnen, auf daß sie nicht, auch nicht unter
der Decke, wuchern und die Kraft des Armes lähmen, der den Feind besiegen
soll und muß. Ist dies der Kerngedanke der Schrift, dann wissen wir uns
mit ihren Verfassern eines Sinnes, einer Überzeugung. Dann auch wünschen
wir aufrichtig, daß ihre Worte Verständnis und Annahme finden bei jenen
Neutralen, die noch nicht ganz durch Lüge und Leidenschaft sich haben in die
Irre führen lassen. Ob sie Eindruck machen werden bei denen, für die sie in
erster Linie bestimmt ist, bei den Franzosen? Billig wird man daran mehr
als zweifeln dürfen, zumal wenn man an der Hand gerade jenes Pamphlets
inne geworden ist, welchen Grad entsetzlicher Verblendung sie erreicht haben.
Dem Beobachter erscheint er als das selbstgewollte Ergebnis nationaler Auf-
stachelung und Überschätzung. Als eins der Symptome für den Niedergang
eines hochbegabten Volkes weckt er Mitleid selbst beim Gegner, der sich freilich
fragen muß, ob nicht gar sein Mitleid wiederum als unwillkommene Äußerung
eines menschlichen Gefühls zurückgewiesen wird, da das Empfinden eines
Deutschen nur als lästig, aufdringlich, widersinnig, kurz als barbarisch gilt.
Na pauvro Trance 8'en va, so hörten wir vor Jahren in Reims vor der
Kathedrale einen Bänkelsänger klagen, als sich' die Nachricht von der Ermordung
des Präsidenten Sadi Carnot durch einen Italiener verbreitet hatte. Armes



*) A. spert, So war's (2. Aufl., Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart und Leipzig
1902), S. 33.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/168>, abgerufen am 23.07.2024.