Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.Albaniens Gntiäuschmig und Erwartung die Masse des Volkes aus ihrer nationalen Gleichgültigkeit zu wecken, aber durch Die begabtesten und weitestblickenden albanischen Führer hätten nun eine Einer solchen Lösung der albanischen Frage stand aber die Rivalität Die albanische Intelligenz mußte also entweder auf jede nationale Existenz Schon bei Festsetzung der Landesgrenze erwies sich aber, daß Italien statt Allerdings hat Italien den Süden des Landes, d. h. die Gegend von Als nach langem Zaudern, das in Albanien durch die weniger fort¬ Albaniens Gntiäuschmig und Erwartung die Masse des Volkes aus ihrer nationalen Gleichgültigkeit zu wecken, aber durch Die begabtesten und weitestblickenden albanischen Führer hätten nun eine Einer solchen Lösung der albanischen Frage stand aber die Rivalität Die albanische Intelligenz mußte also entweder auf jede nationale Existenz Schon bei Festsetzung der Landesgrenze erwies sich aber, daß Italien statt Allerdings hat Italien den Süden des Landes, d. h. die Gegend von Als nach langem Zaudern, das in Albanien durch die weniger fort¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330185"/> <fw type="header" place="top"> Albaniens Gntiäuschmig und Erwartung</fw><lb/> <p xml:id="ID_234" prev="#ID_233"> die Masse des Volkes aus ihrer nationalen Gleichgültigkeit zu wecken, aber durch<lb/> den Sieg der Balkanstaaten war ihr eigentliches Ziel, die Autonomie unter<lb/> türkischem Regiment, für immer zur Unmöglichkeit geworden.</p><lb/> <p xml:id="ID_235"> Die begabtesten und weitestblickenden albanischen Führer hätten nun eine<lb/> Annexion Albaniens durch eine europäische Großmacht am liebsten gesehen,<lb/> vorausgesetzt natürlich, daß diese Großmacht dem albanischen Volk nationale<lb/> Existenz, Entwicklung und Kultur gewährleistet hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_236"> Einer solchen Lösung der albanischen Frage stand aber die Rivalität<lb/> Österreichs und Italiens unüberwindlich im Wege, während der albanischen<lb/> Selbständigkeitserklärung der Umstand günstig war, daß Österreich weder die<lb/> Serben noch die Italiener am Ostufer der Adria dulden wollte, und Italien<lb/> weder Österreich noch Griechenland in Valona zu ertragen gesonnen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_237"> Die albanische Intelligenz mußte also entweder auf jede nationale Existenz<lb/> ihres Volkes verzichten, oder den Versuch des völlig unabhängigen und selb¬<lb/> ständigen Staatengebildes wagen, und hat sich selbstverständlich zu diesem Wagnis<lb/> entschlossen, in der berechtigten Erwartung, daß der Versuch von den interessierten<lb/> Großmächten wirklich tatkräftig und zweckdienlich unterstützt, Aussicht auf guten<lb/> Erfolg in sich berge.</p><lb/> <p xml:id="ID_238"> Schon bei Festsetzung der Landesgrenze erwies sich aber, daß Italien statt<lb/> einer Förderung ein Hindernis für die glückliche Entwicklung des Unternehmens<lb/> sei. Als nämlich Österreich durch energischen Druck auf Montenegro die<lb/> Räumung Skutaris bewirkte, zeigte sich Italien wegen dieser Bemühungen so<lb/> mißvergnügt, daß Österreich gezwungen war, auf die Rettung des rein albanischen<lb/> Vilajet Kossovo für Albanien zu verzichten, weshalb Mitrowitza. Prizrend und<lb/> Prischtina an Serbien, Djakova und Jpek sowie die Gegend von Plav und<lb/> Gussinje an Montenegro verloren gingen, womit dem neugeschaffenen Albanien<lb/> eine der besten, fruchtbarsten und reichsten Gegenden entrissen und die Mög¬<lb/> lichkeit einer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung des neuen Staates schon in<lb/> Frage gestellt war.</p><lb/> <p xml:id="ID_239"> Allerdings hat Italien den Süden des Landes, d. h. die Gegend von<lb/> Valona bis Butrinto, gegen griechische Aspirationen zu schützen erklärt. Es<lb/> sollte sich leider aber nur zu bald erweisen, daß dieser Schutz allein in großen<lb/> Worten bestand, denen keinerlei entsprechende Taten folgen sollten, sodaß der<lb/> Einfall inoffizieller griechischer Truppen, die von Griechenland „aufständische<lb/> Epiroten" genannt wurden, sich zur Klippe auswachsen sollte, an der das Staats¬<lb/> schifflein des Fürsten Wilhelm zerschellt ist. —</p><lb/> <p xml:id="ID_240" next="#ID_241"> Als nach langem Zaudern, das in Albanien durch die weniger fort¬<lb/> geschrittenen Elemente und den Ehrgeiz einiger mittelalterlich-rivalisierender<lb/> Großen zu einem Wirrwarr von sieben Lokalregierungen geführt hatte, Österreich<lb/> und Italien sich auf die Person des Prinzen Wilhelm zu Wied als Thron¬<lb/> kandidaten einigten, haben die maßgebenden- albanischen Persönlichkeiten der<lb/> Wahl sofort zugestimmt, obschon ihnen Punz Wilhelm zunächst natürlich völlig</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
Albaniens Gntiäuschmig und Erwartung
die Masse des Volkes aus ihrer nationalen Gleichgültigkeit zu wecken, aber durch
den Sieg der Balkanstaaten war ihr eigentliches Ziel, die Autonomie unter
türkischem Regiment, für immer zur Unmöglichkeit geworden.
Die begabtesten und weitestblickenden albanischen Führer hätten nun eine
Annexion Albaniens durch eine europäische Großmacht am liebsten gesehen,
vorausgesetzt natürlich, daß diese Großmacht dem albanischen Volk nationale
Existenz, Entwicklung und Kultur gewährleistet hätte.
Einer solchen Lösung der albanischen Frage stand aber die Rivalität
Österreichs und Italiens unüberwindlich im Wege, während der albanischen
Selbständigkeitserklärung der Umstand günstig war, daß Österreich weder die
Serben noch die Italiener am Ostufer der Adria dulden wollte, und Italien
weder Österreich noch Griechenland in Valona zu ertragen gesonnen war.
Die albanische Intelligenz mußte also entweder auf jede nationale Existenz
ihres Volkes verzichten, oder den Versuch des völlig unabhängigen und selb¬
ständigen Staatengebildes wagen, und hat sich selbstverständlich zu diesem Wagnis
entschlossen, in der berechtigten Erwartung, daß der Versuch von den interessierten
Großmächten wirklich tatkräftig und zweckdienlich unterstützt, Aussicht auf guten
Erfolg in sich berge.
Schon bei Festsetzung der Landesgrenze erwies sich aber, daß Italien statt
einer Förderung ein Hindernis für die glückliche Entwicklung des Unternehmens
sei. Als nämlich Österreich durch energischen Druck auf Montenegro die
Räumung Skutaris bewirkte, zeigte sich Italien wegen dieser Bemühungen so
mißvergnügt, daß Österreich gezwungen war, auf die Rettung des rein albanischen
Vilajet Kossovo für Albanien zu verzichten, weshalb Mitrowitza. Prizrend und
Prischtina an Serbien, Djakova und Jpek sowie die Gegend von Plav und
Gussinje an Montenegro verloren gingen, womit dem neugeschaffenen Albanien
eine der besten, fruchtbarsten und reichsten Gegenden entrissen und die Mög¬
lichkeit einer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung des neuen Staates schon in
Frage gestellt war.
Allerdings hat Italien den Süden des Landes, d. h. die Gegend von
Valona bis Butrinto, gegen griechische Aspirationen zu schützen erklärt. Es
sollte sich leider aber nur zu bald erweisen, daß dieser Schutz allein in großen
Worten bestand, denen keinerlei entsprechende Taten folgen sollten, sodaß der
Einfall inoffizieller griechischer Truppen, die von Griechenland „aufständische
Epiroten" genannt wurden, sich zur Klippe auswachsen sollte, an der das Staats¬
schifflein des Fürsten Wilhelm zerschellt ist. —
Als nach langem Zaudern, das in Albanien durch die weniger fort¬
geschrittenen Elemente und den Ehrgeiz einiger mittelalterlich-rivalisierender
Großen zu einem Wirrwarr von sieben Lokalregierungen geführt hatte, Österreich
und Italien sich auf die Person des Prinzen Wilhelm zu Wied als Thron¬
kandidaten einigten, haben die maßgebenden- albanischen Persönlichkeiten der
Wahl sofort zugestimmt, obschon ihnen Punz Wilhelm zunächst natürlich völlig
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |