Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Freiheit der Meere

brutale Anwendung der Macht und besonders der See- und Geldmacht Englands
zur rücksichtslosen Unterdrückung des Schwächeren brechen. Diese englische
Wirtschaftslehre des reinen Egoismus muß überwunden werden und mir
scheint, daß eine nicht zu ferne Zeit die Erfüllung oder doch eine Annäherung
hieran bringen wird. ^

Auch darauf baue ich, daß der jetzige schwere Krieg einen neuen Menschen¬
schlag in Deutschland zeitigt.

Das unerhörte Heldentum, welches wir erleben, das aller Beispiele der
Geschichte spottet, der Opfermut, diese Treue, diese Geduld, diese Ordnung,
diese Nerven berechtigen zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft. Was
ist ein Achilles, ein Leonidas der alten Geschichte? Wir haben heute tausende,
ja Hunderttausende Leonidas und Achilles. Und sie alle diese Helden, die
das Furchtbare durchgemacht und mit dem Leben davongekommen sind, sie
haben etwas in sich aufgenommen, was sonst nur Wenige erleben, was der
Seemann im schweren Sturm auf dem wilden Meer fühlt, der Ingenieur, wenn
er die sausenden Massen der Maschinen bei schwerer Probefahrt zu lenken hat,
der Arzt im Hospital, welches mit ansteckender Krankheit gefüllt ist. der Chirurg
bei schwieriger Operation, wo das geringste Versehen den Tod gibt. Sie
alle fühlen sich in solchen Zeiten "sehr in Gottes Hand", und diese Erkenntnis
macht stille, läßt die Kleinlichkeiten des gewöhnlichen Lebens verblassen, gibt den
nach innen gerichteten und doch so weiten Blick, das Lächeln der Sanftmut
über viele menschliche, irdische Schwächen.

Was bedeutet das alles dem Großen, dem Furchtbaren, dem Unendlichen,
Unabwendbaren gegenüber, vor dem es keine Rettung gibt?

Es ist jeden: Manschen zu wünschen, daß er wenigstens einmal in seinem
Leben dieses Gefühl der menschlichen Ohnmacht dem Allgewaltigen gegenüber
an seinem eigenen Leibe erfährt. Viele Lüge, viel Eigennutz, viele kleinliche
Jämmerlichkeit, viel Klassenhaß, viele Brutalität und Geldprotzerei würde auf¬
hören, mehr Achtung vor dem Nebenmenschen, mehr wahre Herzensbildung
würde aufwachen. So erhoffe ich mir die Zukunft Deutschlands, dann wird
auch dieser Krieg der richtige Erzieher. Möge uns der Friede halten, was
der Krieg aus den Menschen herausgeholt hat.

Was uns besonders not tut, ist: Eine gegenseitige Wertschätzung und
Kameradschaft der Führer und der Geführten.

Lust und Liebe für ein begeisterungswürdiges Ziel, mitreißende Tatkraft,
Zähigkeit, wohlwollendes Verständnis und Gerechtigkeit von Seiten der
Vorgesetzten. Solche Eigenschaften des wahren Führergeistes in Verbindung
mit eisernem, ehrlichen Künstler-, Forscher- und Kaufmannsgeist werden uns
helfen das Niveau unseres Könnens immer höher zu heben und die Güte
unserer Erzeugnisse soweit zu vervollkommnen, daß sie keiner List und keines
Druckes zu ihrer Einführung auf dem Weltmarkte bedürfen. Alle diese
Konferenzen unserer Feinde am grünen Tisch mit der Absicht, uns nach dem


Die Freiheit der Meere

brutale Anwendung der Macht und besonders der See- und Geldmacht Englands
zur rücksichtslosen Unterdrückung des Schwächeren brechen. Diese englische
Wirtschaftslehre des reinen Egoismus muß überwunden werden und mir
scheint, daß eine nicht zu ferne Zeit die Erfüllung oder doch eine Annäherung
hieran bringen wird. ^

Auch darauf baue ich, daß der jetzige schwere Krieg einen neuen Menschen¬
schlag in Deutschland zeitigt.

Das unerhörte Heldentum, welches wir erleben, das aller Beispiele der
Geschichte spottet, der Opfermut, diese Treue, diese Geduld, diese Ordnung,
diese Nerven berechtigen zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft. Was
ist ein Achilles, ein Leonidas der alten Geschichte? Wir haben heute tausende,
ja Hunderttausende Leonidas und Achilles. Und sie alle diese Helden, die
das Furchtbare durchgemacht und mit dem Leben davongekommen sind, sie
haben etwas in sich aufgenommen, was sonst nur Wenige erleben, was der
Seemann im schweren Sturm auf dem wilden Meer fühlt, der Ingenieur, wenn
er die sausenden Massen der Maschinen bei schwerer Probefahrt zu lenken hat,
der Arzt im Hospital, welches mit ansteckender Krankheit gefüllt ist. der Chirurg
bei schwieriger Operation, wo das geringste Versehen den Tod gibt. Sie
alle fühlen sich in solchen Zeiten „sehr in Gottes Hand", und diese Erkenntnis
macht stille, läßt die Kleinlichkeiten des gewöhnlichen Lebens verblassen, gibt den
nach innen gerichteten und doch so weiten Blick, das Lächeln der Sanftmut
über viele menschliche, irdische Schwächen.

Was bedeutet das alles dem Großen, dem Furchtbaren, dem Unendlichen,
Unabwendbaren gegenüber, vor dem es keine Rettung gibt?

Es ist jeden: Manschen zu wünschen, daß er wenigstens einmal in seinem
Leben dieses Gefühl der menschlichen Ohnmacht dem Allgewaltigen gegenüber
an seinem eigenen Leibe erfährt. Viele Lüge, viel Eigennutz, viele kleinliche
Jämmerlichkeit, viel Klassenhaß, viele Brutalität und Geldprotzerei würde auf¬
hören, mehr Achtung vor dem Nebenmenschen, mehr wahre Herzensbildung
würde aufwachen. So erhoffe ich mir die Zukunft Deutschlands, dann wird
auch dieser Krieg der richtige Erzieher. Möge uns der Friede halten, was
der Krieg aus den Menschen herausgeholt hat.

Was uns besonders not tut, ist: Eine gegenseitige Wertschätzung und
Kameradschaft der Führer und der Geführten.

Lust und Liebe für ein begeisterungswürdiges Ziel, mitreißende Tatkraft,
Zähigkeit, wohlwollendes Verständnis und Gerechtigkeit von Seiten der
Vorgesetzten. Solche Eigenschaften des wahren Führergeistes in Verbindung
mit eisernem, ehrlichen Künstler-, Forscher- und Kaufmannsgeist werden uns
helfen das Niveau unseres Könnens immer höher zu heben und die Güte
unserer Erzeugnisse soweit zu vervollkommnen, daß sie keiner List und keines
Druckes zu ihrer Einführung auf dem Weltmarkte bedürfen. Alle diese
Konferenzen unserer Feinde am grünen Tisch mit der Absicht, uns nach dem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0070" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330170"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Freiheit der Meere</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_195" prev="#ID_194"> brutale Anwendung der Macht und besonders der See- und Geldmacht Englands<lb/>
zur rücksichtslosen Unterdrückung des Schwächeren brechen. Diese englische<lb/>
Wirtschaftslehre des reinen Egoismus muß überwunden werden und mir<lb/>
scheint, daß eine nicht zu ferne Zeit die Erfüllung oder doch eine Annäherung<lb/>
hieran bringen wird. ^</p><lb/>
          <p xml:id="ID_196"> Auch darauf baue ich, daß der jetzige schwere Krieg einen neuen Menschen¬<lb/>
schlag in Deutschland zeitigt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_197"> Das unerhörte Heldentum, welches wir erleben, das aller Beispiele der<lb/>
Geschichte spottet, der Opfermut, diese Treue, diese Geduld, diese Ordnung,<lb/>
diese Nerven berechtigen zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft. Was<lb/>
ist ein Achilles, ein Leonidas der alten Geschichte? Wir haben heute tausende,<lb/>
ja Hunderttausende Leonidas und Achilles. Und sie alle diese Helden, die<lb/>
das Furchtbare durchgemacht und mit dem Leben davongekommen sind, sie<lb/>
haben etwas in sich aufgenommen, was sonst nur Wenige erleben, was der<lb/>
Seemann im schweren Sturm auf dem wilden Meer fühlt, der Ingenieur, wenn<lb/>
er die sausenden Massen der Maschinen bei schwerer Probefahrt zu lenken hat,<lb/>
der Arzt im Hospital, welches mit ansteckender Krankheit gefüllt ist. der Chirurg<lb/>
bei schwieriger Operation, wo das geringste Versehen den Tod gibt. Sie<lb/>
alle fühlen sich in solchen Zeiten &#x201E;sehr in Gottes Hand", und diese Erkenntnis<lb/>
macht stille, läßt die Kleinlichkeiten des gewöhnlichen Lebens verblassen, gibt den<lb/>
nach innen gerichteten und doch so weiten Blick, das Lächeln der Sanftmut<lb/>
über viele menschliche, irdische Schwächen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_198"> Was bedeutet das alles dem Großen, dem Furchtbaren, dem Unendlichen,<lb/>
Unabwendbaren gegenüber, vor dem es keine Rettung gibt?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_199"> Es ist jeden: Manschen zu wünschen, daß er wenigstens einmal in seinem<lb/>
Leben dieses Gefühl der menschlichen Ohnmacht dem Allgewaltigen gegenüber<lb/>
an seinem eigenen Leibe erfährt. Viele Lüge, viel Eigennutz, viele kleinliche<lb/>
Jämmerlichkeit, viel Klassenhaß, viele Brutalität und Geldprotzerei würde auf¬<lb/>
hören, mehr Achtung vor dem Nebenmenschen, mehr wahre Herzensbildung<lb/>
würde aufwachen. So erhoffe ich mir die Zukunft Deutschlands, dann wird<lb/>
auch dieser Krieg der richtige Erzieher. Möge uns der Friede halten, was<lb/>
der Krieg aus den Menschen herausgeholt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_200"> Was uns besonders not tut, ist: Eine gegenseitige Wertschätzung und<lb/>
Kameradschaft der Führer und der Geführten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_201" next="#ID_202"> Lust und Liebe für ein begeisterungswürdiges Ziel, mitreißende Tatkraft,<lb/>
Zähigkeit, wohlwollendes Verständnis und Gerechtigkeit von Seiten der<lb/>
Vorgesetzten. Solche Eigenschaften des wahren Führergeistes in Verbindung<lb/>
mit eisernem, ehrlichen Künstler-, Forscher- und Kaufmannsgeist werden uns<lb/>
helfen das Niveau unseres Könnens immer höher zu heben und die Güte<lb/>
unserer Erzeugnisse soweit zu vervollkommnen, daß sie keiner List und keines<lb/>
Druckes zu ihrer Einführung auf dem Weltmarkte bedürfen. Alle diese<lb/>
Konferenzen unserer Feinde am grünen Tisch mit der Absicht, uns nach dem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0070] Die Freiheit der Meere brutale Anwendung der Macht und besonders der See- und Geldmacht Englands zur rücksichtslosen Unterdrückung des Schwächeren brechen. Diese englische Wirtschaftslehre des reinen Egoismus muß überwunden werden und mir scheint, daß eine nicht zu ferne Zeit die Erfüllung oder doch eine Annäherung hieran bringen wird. ^ Auch darauf baue ich, daß der jetzige schwere Krieg einen neuen Menschen¬ schlag in Deutschland zeitigt. Das unerhörte Heldentum, welches wir erleben, das aller Beispiele der Geschichte spottet, der Opfermut, diese Treue, diese Geduld, diese Ordnung, diese Nerven berechtigen zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft. Was ist ein Achilles, ein Leonidas der alten Geschichte? Wir haben heute tausende, ja Hunderttausende Leonidas und Achilles. Und sie alle diese Helden, die das Furchtbare durchgemacht und mit dem Leben davongekommen sind, sie haben etwas in sich aufgenommen, was sonst nur Wenige erleben, was der Seemann im schweren Sturm auf dem wilden Meer fühlt, der Ingenieur, wenn er die sausenden Massen der Maschinen bei schwerer Probefahrt zu lenken hat, der Arzt im Hospital, welches mit ansteckender Krankheit gefüllt ist. der Chirurg bei schwieriger Operation, wo das geringste Versehen den Tod gibt. Sie alle fühlen sich in solchen Zeiten „sehr in Gottes Hand", und diese Erkenntnis macht stille, läßt die Kleinlichkeiten des gewöhnlichen Lebens verblassen, gibt den nach innen gerichteten und doch so weiten Blick, das Lächeln der Sanftmut über viele menschliche, irdische Schwächen. Was bedeutet das alles dem Großen, dem Furchtbaren, dem Unendlichen, Unabwendbaren gegenüber, vor dem es keine Rettung gibt? Es ist jeden: Manschen zu wünschen, daß er wenigstens einmal in seinem Leben dieses Gefühl der menschlichen Ohnmacht dem Allgewaltigen gegenüber an seinem eigenen Leibe erfährt. Viele Lüge, viel Eigennutz, viele kleinliche Jämmerlichkeit, viel Klassenhaß, viele Brutalität und Geldprotzerei würde auf¬ hören, mehr Achtung vor dem Nebenmenschen, mehr wahre Herzensbildung würde aufwachen. So erhoffe ich mir die Zukunft Deutschlands, dann wird auch dieser Krieg der richtige Erzieher. Möge uns der Friede halten, was der Krieg aus den Menschen herausgeholt hat. Was uns besonders not tut, ist: Eine gegenseitige Wertschätzung und Kameradschaft der Führer und der Geführten. Lust und Liebe für ein begeisterungswürdiges Ziel, mitreißende Tatkraft, Zähigkeit, wohlwollendes Verständnis und Gerechtigkeit von Seiten der Vorgesetzten. Solche Eigenschaften des wahren Führergeistes in Verbindung mit eisernem, ehrlichen Künstler-, Forscher- und Kaufmannsgeist werden uns helfen das Niveau unseres Könnens immer höher zu heben und die Güte unserer Erzeugnisse soweit zu vervollkommnen, daß sie keiner List und keines Druckes zu ihrer Einführung auf dem Weltmarkte bedürfen. Alle diese Konferenzen unserer Feinde am grünen Tisch mit der Absicht, uns nach dem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/70
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/70>, abgerufen am 22.12.2024.