Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.Der Hexenkessel v Nuckivar-Stradow on ostojewski hat irgendwo einmal gesagt, daß Petersburg die phan¬ 1. Akt. Der Minister des Innern Alexei Nikolajewitsch Chwostow. Die Person*): Sie sehen, lieber Alexei Nikolajewitsch, wir kommen auf A. N.: Ich will es versuchen, diese Seele ist so einfach, , im Grunde *) Der Name dieses Mannes darf in der russischen Presse niemals genannt werden.
Der Hexenkessel v Nuckivar-Stradow on ostojewski hat irgendwo einmal gesagt, daß Petersburg die phan¬ 1. Akt. Der Minister des Innern Alexei Nikolajewitsch Chwostow. Die Person*): Sie sehen, lieber Alexei Nikolajewitsch, wir kommen auf A. N.: Ich will es versuchen, diese Seele ist so einfach, , im Grunde *) Der Name dieses Mannes darf in der russischen Presse niemals genannt werden.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0060" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330160"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341903_330101/figures/grenzboten_341903_330101_330160_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Der Hexenkessel<lb/> v<note type="byline"> Nuckivar-Stradow</note> on</head><lb/> <p xml:id="ID_144"> ostojewski hat irgendwo einmal gesagt, daß Petersburg die phan¬<lb/> tastischste Stadt auf dem Erdball sei. Petrograd scheint diese Eigen¬<lb/> schaft behalten zu haben. Wenn man jetzt ans das Leben der<lb/> russischen Hauptstadt blickt, die ja doch bis zu einem gewissen<lb/> Grade, so sehr sich auch die russische Öffentlichkeit gegen die<lb/> Anerkennung dieser Tatsache sträuben mag, das Abbild und der Widerschein<lb/> des russischen Lebens ist, so ist man erstaunt darüber, welche Bilder diesem<lb/> wüstesten aller Hexenkessel entsteigen. So etwas findet man in der Tat<lb/> sonst nirgends auf der Welt. Es ist der geborene Boden für den Roman.<lb/> In Deutschland würde man sagen für den Hintertreppenroman. Aber wir<lb/> haben das Gefühl für die Größe des primitiven Helden verloren. Dort in<lb/> Nußland schätzt man ihn ganz, und dort feiert er seine Triumphe. Die Leiden¬<lb/> schaften des Einzelnen drängen sich in ihrer ganzen rohen Nacktheit hinein in<lb/> das öffentliche Leben. Plötzlich lüftet sich der Vorhang durch einen Zufall<lb/> und wir dürfen hineinblicken in die Welt, die sich dahinter aufbaut.</p><lb/> <div n="2"> <head> 1. Akt.<lb/> Der Minister des Innern Alexei Nikolajewitsch Chwostow.</head><lb/> <p xml:id="ID_145"><note type="speaker"> Die Person*):</note> Sie sehen, lieber Alexei Nikolajewitsch, wir kommen auf<lb/> diese Weise nicht weiter. Goremykins Auflösung der Duma war gut, aber diese<lb/> unheimliche Stille erschreckt mich. Ich suche vergeblich nach einem Ausweg. Denn<lb/> hinter der Stille lauert etwas, was unheimlich ist. Da hat mich GoremrM auf<lb/> Sie aufmerksam gemacht, Sie hätten Verständnis für die russische Seele. Können<lb/> Sie mir helfen?</p><lb/> <p xml:id="ID_146" next="#ID_147"><note type="speaker"> A. N.: </note> Ich will es versuchen, diese Seele ist so einfach, , im Grunde<lb/> geklommen ist sie vielleicht überhaupt nicht da. Es gibt ein altes Rezept:<lb/> panem et LircöN8of. das hat noch niemals fehlgeschlagen. Lireen8e8 sind<lb/> allerdings bei uns während dieses Krieges nicht leicht zu veranstalten, denn so<lb/> sehr belieb! Pogroms bei gewissen Teilen unserer Bevölkerung sind, und so sehr<lb/> ich für das Rezept bin, so bewahre ich es mir für später auf. Was nieinen<lb/> Sie zu einem Kampf gegen die deutsche Vergewaltigung? Das hebt den<lb/> Patriotismus, schlägt in die Kerbe der Nationalisten und die kadettischeu Schweine<lb/> setzen wir in Verlegenheit. Denn alles, was Patriotismus ist, machen sie ja</p><lb/> <note xml:id="FID_20" place="foot"> *) Der Name dieses Mannes darf in der russischen Presse niemals genannt werden.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0060]
[Abbildung]
Der Hexenkessel
v Nuckivar-Stradow on
ostojewski hat irgendwo einmal gesagt, daß Petersburg die phan¬
tastischste Stadt auf dem Erdball sei. Petrograd scheint diese Eigen¬
schaft behalten zu haben. Wenn man jetzt ans das Leben der
russischen Hauptstadt blickt, die ja doch bis zu einem gewissen
Grade, so sehr sich auch die russische Öffentlichkeit gegen die
Anerkennung dieser Tatsache sträuben mag, das Abbild und der Widerschein
des russischen Lebens ist, so ist man erstaunt darüber, welche Bilder diesem
wüstesten aller Hexenkessel entsteigen. So etwas findet man in der Tat
sonst nirgends auf der Welt. Es ist der geborene Boden für den Roman.
In Deutschland würde man sagen für den Hintertreppenroman. Aber wir
haben das Gefühl für die Größe des primitiven Helden verloren. Dort in
Nußland schätzt man ihn ganz, und dort feiert er seine Triumphe. Die Leiden¬
schaften des Einzelnen drängen sich in ihrer ganzen rohen Nacktheit hinein in
das öffentliche Leben. Plötzlich lüftet sich der Vorhang durch einen Zufall
und wir dürfen hineinblicken in die Welt, die sich dahinter aufbaut.
1. Akt.
Der Minister des Innern Alexei Nikolajewitsch Chwostow.
Die Person*): Sie sehen, lieber Alexei Nikolajewitsch, wir kommen auf
diese Weise nicht weiter. Goremykins Auflösung der Duma war gut, aber diese
unheimliche Stille erschreckt mich. Ich suche vergeblich nach einem Ausweg. Denn
hinter der Stille lauert etwas, was unheimlich ist. Da hat mich GoremrM auf
Sie aufmerksam gemacht, Sie hätten Verständnis für die russische Seele. Können
Sie mir helfen?
A. N.: Ich will es versuchen, diese Seele ist so einfach, , im Grunde
geklommen ist sie vielleicht überhaupt nicht da. Es gibt ein altes Rezept:
panem et LircöN8of. das hat noch niemals fehlgeschlagen. Lireen8e8 sind
allerdings bei uns während dieses Krieges nicht leicht zu veranstalten, denn so
sehr belieb! Pogroms bei gewissen Teilen unserer Bevölkerung sind, und so sehr
ich für das Rezept bin, so bewahre ich es mir für später auf. Was nieinen
Sie zu einem Kampf gegen die deutsche Vergewaltigung? Das hebt den
Patriotismus, schlägt in die Kerbe der Nationalisten und die kadettischeu Schweine
setzen wir in Verlegenheit. Denn alles, was Patriotismus ist, machen sie ja
*) Der Name dieses Mannes darf in der russischen Presse niemals genannt werden.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |