Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.Line neue heilige Allianz auch sie ihr besonderes Süppchen kochen. Sie rücken ihre Töpfe überall heran, Es ist natürlich schwer zu sagen, wie weit diese Idee durch den Krieg Für uns aber mag es lehrreich sein zu wissen, daß in England Leute an Line neue heilige Allianz auch sie ihr besonderes Süppchen kochen. Sie rücken ihre Töpfe überall heran, Es ist natürlich schwer zu sagen, wie weit diese Idee durch den Krieg Für uns aber mag es lehrreich sein zu wissen, daß in England Leute an <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0051" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330151"/> <fw type="header" place="top"> Line neue heilige Allianz</fw><lb/> <p xml:id="ID_106" prev="#ID_105"> auch sie ihr besonderes Süppchen kochen. Sie rücken ihre Töpfe überall heran,<lb/> wo nur ein Platz ist. Man muß es ihnen lassen, daß sie sich fleißig bemühen,<lb/> die Zeit auszulaufen. Sie tun alles, um bei den Bundesgenossen das Ver¬<lb/> trauen hervorzurufen, daß die englische Kirche echt katholisch ist. Während sie<lb/> jede kirchliche Berührung mit Evangelischen, englischen und nicht-englischen, aus<lb/> der ein Anspruch auf Gleichberechtigung abgeleitet werden könnte, streng ver¬<lb/> meiden, räumen sie gern ihre Kirchen belgischen Flüchtlingen und ihre Kanzeln<lb/> serbischen Mönchen ein, knüpfen durch ihnen gleich gesinnte Feldgeistliche möglichst<lb/> viele Beziehungen zu französischen Katholiken an, entrüsten sich über anglikanische<lb/> Geistliche, die ihre Kirche „kompromittieren", z. B. mit Nonkonformismen zu¬<lb/> sammen Feldgottesdienste halten oder sich weigern, Soldaten die Ohrenbeichte<lb/> abzunehmen. Bei allem haben sie ihr großes Ziel im Auge: die Allianz des<lb/> gesamten Katholizismus gegen den Protestantismus.</p><lb/> <p xml:id="ID_107"> Es ist natürlich schwer zu sagen, wie weit diese Idee durch den Krieg<lb/> eine wirkliche Förderung erfahren wird. Die Anglokatholiken haben bei ihren<lb/> hochfliegenden Plänen Einsicht genug, um nicht von heut auf morgen greifbare<lb/> Erfolge ihrer Arbeit zu erwarten. Mit Befriedigung können sie auf das Hin¬<lb/> blicken, was sie in ihrer eigenen Kirche schon erreicht haben. Schritt für Schritt<lb/> haben sie sich Zugeständnisse erobert. Noch wehren sich aber große Kreise gegen<lb/> die völlige Katholisierung, und eine Umformung der englischen Kirche nach<lb/> anglokatholischen Grundsätzen würde notwendig die Ausscheidung des evangelisch-<lb/> gesinnten Teils nach sich ziehen. Immerhin würde bei ihrer Verbreitung über<lb/> die ganze Welt auch eine an Zahl geschwächte katholisierte englische Kirche<lb/> Einfluß auf die Beziehungen der verschiedenen katholischen Kirchen ausüben<lb/> können. Und wenn das englisch-russisch-französische Bündnis diesen Krieg über¬<lb/> dauern und gar für längere Zukunft bestehen bleiben sollte, so würde die Geltend-<lb/> machung dieses Einflusses erleichtert werden. Das aber, und damit auch die<lb/> wirkliche Gründung der heiligen Allianz, bleibt doch noch abzuwarten. Sehr<lb/> zu bezweifeln ist auch, daß durch politische Verbindungen irgendwelcher Art der<lb/> alte, tiesbegründete Widerspruch des kirchlichen Ostens gegen Rom zum Schweigen<lb/> gebracht werden könne, ebensosehr, daß Rom jemals über seinen bei allem<lb/> sonstigen Entgegenkommen stets festgehaltenen Anspruch auf bedingungslose<lb/> Unterwerfung unter den päpstlichen Primat mit sich handeln lassen werde.<lb/> Beides aber wäre nötig, wenn sich der Traum der Anglokatholiken von der<lb/> Kirche der Zukunft „als einer wahrhaft konstitutionellen Kirche, die sich har-<lb/> monisch um Se. Peters Stuhl gruppiert", erfüllen sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_108"> Für uns aber mag es lehrreich sein zu wissen, daß in England Leute an<lb/> der Arbeit sind, nicht ganz gering an Zahl und Bedeutung, die nicht nur aus<lb/> politischen und wirtschaftspolitischen, sondern auch aus religiös-kirchlichen Gründen<lb/> entschiedene Gegner Deutschlands sind.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0051]
Line neue heilige Allianz
auch sie ihr besonderes Süppchen kochen. Sie rücken ihre Töpfe überall heran,
wo nur ein Platz ist. Man muß es ihnen lassen, daß sie sich fleißig bemühen,
die Zeit auszulaufen. Sie tun alles, um bei den Bundesgenossen das Ver¬
trauen hervorzurufen, daß die englische Kirche echt katholisch ist. Während sie
jede kirchliche Berührung mit Evangelischen, englischen und nicht-englischen, aus
der ein Anspruch auf Gleichberechtigung abgeleitet werden könnte, streng ver¬
meiden, räumen sie gern ihre Kirchen belgischen Flüchtlingen und ihre Kanzeln
serbischen Mönchen ein, knüpfen durch ihnen gleich gesinnte Feldgeistliche möglichst
viele Beziehungen zu französischen Katholiken an, entrüsten sich über anglikanische
Geistliche, die ihre Kirche „kompromittieren", z. B. mit Nonkonformismen zu¬
sammen Feldgottesdienste halten oder sich weigern, Soldaten die Ohrenbeichte
abzunehmen. Bei allem haben sie ihr großes Ziel im Auge: die Allianz des
gesamten Katholizismus gegen den Protestantismus.
Es ist natürlich schwer zu sagen, wie weit diese Idee durch den Krieg
eine wirkliche Förderung erfahren wird. Die Anglokatholiken haben bei ihren
hochfliegenden Plänen Einsicht genug, um nicht von heut auf morgen greifbare
Erfolge ihrer Arbeit zu erwarten. Mit Befriedigung können sie auf das Hin¬
blicken, was sie in ihrer eigenen Kirche schon erreicht haben. Schritt für Schritt
haben sie sich Zugeständnisse erobert. Noch wehren sich aber große Kreise gegen
die völlige Katholisierung, und eine Umformung der englischen Kirche nach
anglokatholischen Grundsätzen würde notwendig die Ausscheidung des evangelisch-
gesinnten Teils nach sich ziehen. Immerhin würde bei ihrer Verbreitung über
die ganze Welt auch eine an Zahl geschwächte katholisierte englische Kirche
Einfluß auf die Beziehungen der verschiedenen katholischen Kirchen ausüben
können. Und wenn das englisch-russisch-französische Bündnis diesen Krieg über¬
dauern und gar für längere Zukunft bestehen bleiben sollte, so würde die Geltend-
machung dieses Einflusses erleichtert werden. Das aber, und damit auch die
wirkliche Gründung der heiligen Allianz, bleibt doch noch abzuwarten. Sehr
zu bezweifeln ist auch, daß durch politische Verbindungen irgendwelcher Art der
alte, tiesbegründete Widerspruch des kirchlichen Ostens gegen Rom zum Schweigen
gebracht werden könne, ebensosehr, daß Rom jemals über seinen bei allem
sonstigen Entgegenkommen stets festgehaltenen Anspruch auf bedingungslose
Unterwerfung unter den päpstlichen Primat mit sich handeln lassen werde.
Beides aber wäre nötig, wenn sich der Traum der Anglokatholiken von der
Kirche der Zukunft „als einer wahrhaft konstitutionellen Kirche, die sich har-
monisch um Se. Peters Stuhl gruppiert", erfüllen sollte.
Für uns aber mag es lehrreich sein zu wissen, daß in England Leute an
der Arbeit sind, nicht ganz gering an Zahl und Bedeutung, die nicht nur aus
politischen und wirtschaftspolitischen, sondern auch aus religiös-kirchlichen Gründen
entschiedene Gegner Deutschlands sind.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |