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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Stimmen der Vergangenheit

Hobbing, dem wir ja eine Gesamtausgabe der Werke Friedrichs in deutscher
Sprache verdanken, hat die Bearbeitung der nun vorliegenden Auswahl in die
Hände von Gustav Berthold Bolz gelegt, der seine Aufgabe mit Hilfe eines
Stabes bewährter Übersetzer trefflich gelöst hat. Die zahlreichen Illustrationen
stammen von Adolf von Menzel. Es sind im wesentlichen die bekannten Zeich¬
nungen und Holzschnitte, die er seinerzeit für die sogenannte Fürstenausgabe
der "Oeuvres cle t^röäönc le Qranä" und zu Kuglers "Geschichte Friedrich
des Großen" geschaffen hat. So lockt schon die äußere Aufmachung durch
ästhetischen Reiz zur sachlichen Vertiefung in die Gedankenwelt Friedrichs, die
ja ein so weites Bereich umspannt, daß jeder ein Entgegenkommen findet.

Im ersten Band, der historische und militärische Schriften enthält, fesselt
gegenwärtig vielleicht nichts so sehr wie die "Geschichte des siebenjährigen Krieges".
"Ist es nicht klar," fragt Friedrich am Schluß seiner Darstellung, "daß jeder
vernünftige Mensch bei Beginn der Kriegswirren sich ihren Ausgang anders
gedacht hätte? Wer konnte voraussehen oder sich denken, daß Preußen dem
Angriff jener furchtbaren Liga von Österreich. Rußland, Frankreich, Schweden
und dem ganzen Heiligen Römischen Reiche widerstehen und aus einem Kriege,
wo ihm überall Untergang drohte, ohne den geringsten Verlust an Besitzungen
hervorgehen würde?" Und unter den Ursachen, die Preußens Untergang ver¬
hinderten, nennt Friedrich: Mangel an Übereinstimmung und Eintracht unter
den Mächten der großen Allianz; die Verschiedenheit ihrer Interessen, die sie
hinderte, sich über manche Operation zu einigen. ... Die allzu verschlagene
und tückische Staatskunst eines der Gegner, der die schwierigsten und gewagtesten
Unternehmungen auf seine Verbündeten abwälzte, um am Ende des Krieges
sein Heer in besserem Zustand und vollzähliger zu haben als die anderen
Mächte. -- Haß und Ehrgeiz der europäischen Fürsten haben das Haus
Brandenburg vernichten und den preußischen Namen für immer austilgen
wollen -- es ist ihnen nicht gelungen! So wird es auch heute sein! Auch
der große Weltenschöpfer scheint in der Entwicklung der Ereignisse Wieder¬
holungen, die wie architektonische Motive am Bau der Menheitsgeschichte wirken,
gelten zu lassen.

Wer in den historischen Schriften des Königs blättert, wird immer wieder
betroffen sein von der Unbefangenheit seiner Betrachtungsweise, der Freimut
der Kritik auch seiner selbst, der Schlichtheit und Würde seiner Darstellung.

Wir werfen noch einen Blick auf die politischen und philosophischen Schriften,
Gedichte und Briefe, die im zweiten Bande der neuen Ausgabe vereinigt sind.
Auch hier eine wahrhaft königliche Klarheit und Geradheit des Denkens und
ein erhebender Ernst der Überzeugung: "Ich wage es, die Verteidigung der
Menschlichkeit aufzunehmen wider ein Ungeheuer, das sie verderben will," sagt
er im Vorwort zum Antimachicwell. mit dem er entrüstet die Grundsätze des
"Fürsten" Machiavells von sich weist. Und der Geist Platons weht uns an.
weny Friedrich in den Weisen, die die Leuchten der Welt sind, die eigentlichen


Stimmen der Vergangenheit

Hobbing, dem wir ja eine Gesamtausgabe der Werke Friedrichs in deutscher
Sprache verdanken, hat die Bearbeitung der nun vorliegenden Auswahl in die
Hände von Gustav Berthold Bolz gelegt, der seine Aufgabe mit Hilfe eines
Stabes bewährter Übersetzer trefflich gelöst hat. Die zahlreichen Illustrationen
stammen von Adolf von Menzel. Es sind im wesentlichen die bekannten Zeich¬
nungen und Holzschnitte, die er seinerzeit für die sogenannte Fürstenausgabe
der „Oeuvres cle t^röäönc le Qranä" und zu Kuglers „Geschichte Friedrich
des Großen" geschaffen hat. So lockt schon die äußere Aufmachung durch
ästhetischen Reiz zur sachlichen Vertiefung in die Gedankenwelt Friedrichs, die
ja ein so weites Bereich umspannt, daß jeder ein Entgegenkommen findet.

Im ersten Band, der historische und militärische Schriften enthält, fesselt
gegenwärtig vielleicht nichts so sehr wie die „Geschichte des siebenjährigen Krieges".
„Ist es nicht klar," fragt Friedrich am Schluß seiner Darstellung, „daß jeder
vernünftige Mensch bei Beginn der Kriegswirren sich ihren Ausgang anders
gedacht hätte? Wer konnte voraussehen oder sich denken, daß Preußen dem
Angriff jener furchtbaren Liga von Österreich. Rußland, Frankreich, Schweden
und dem ganzen Heiligen Römischen Reiche widerstehen und aus einem Kriege,
wo ihm überall Untergang drohte, ohne den geringsten Verlust an Besitzungen
hervorgehen würde?" Und unter den Ursachen, die Preußens Untergang ver¬
hinderten, nennt Friedrich: Mangel an Übereinstimmung und Eintracht unter
den Mächten der großen Allianz; die Verschiedenheit ihrer Interessen, die sie
hinderte, sich über manche Operation zu einigen. ... Die allzu verschlagene
und tückische Staatskunst eines der Gegner, der die schwierigsten und gewagtesten
Unternehmungen auf seine Verbündeten abwälzte, um am Ende des Krieges
sein Heer in besserem Zustand und vollzähliger zu haben als die anderen
Mächte. — Haß und Ehrgeiz der europäischen Fürsten haben das Haus
Brandenburg vernichten und den preußischen Namen für immer austilgen
wollen — es ist ihnen nicht gelungen! So wird es auch heute sein! Auch
der große Weltenschöpfer scheint in der Entwicklung der Ereignisse Wieder¬
holungen, die wie architektonische Motive am Bau der Menheitsgeschichte wirken,
gelten zu lassen.

Wer in den historischen Schriften des Königs blättert, wird immer wieder
betroffen sein von der Unbefangenheit seiner Betrachtungsweise, der Freimut
der Kritik auch seiner selbst, der Schlichtheit und Würde seiner Darstellung.

Wir werfen noch einen Blick auf die politischen und philosophischen Schriften,
Gedichte und Briefe, die im zweiten Bande der neuen Ausgabe vereinigt sind.
Auch hier eine wahrhaft königliche Klarheit und Geradheit des Denkens und
ein erhebender Ernst der Überzeugung: „Ich wage es, die Verteidigung der
Menschlichkeit aufzunehmen wider ein Ungeheuer, das sie verderben will," sagt
er im Vorwort zum Antimachicwell. mit dem er entrüstet die Grundsätze des
„Fürsten" Machiavells von sich weist. Und der Geist Platons weht uns an.
weny Friedrich in den Weisen, die die Leuchten der Welt sind, die eigentlichen


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[0391] Stimmen der Vergangenheit Hobbing, dem wir ja eine Gesamtausgabe der Werke Friedrichs in deutscher Sprache verdanken, hat die Bearbeitung der nun vorliegenden Auswahl in die Hände von Gustav Berthold Bolz gelegt, der seine Aufgabe mit Hilfe eines Stabes bewährter Übersetzer trefflich gelöst hat. Die zahlreichen Illustrationen stammen von Adolf von Menzel. Es sind im wesentlichen die bekannten Zeich¬ nungen und Holzschnitte, die er seinerzeit für die sogenannte Fürstenausgabe der „Oeuvres cle t^röäönc le Qranä" und zu Kuglers „Geschichte Friedrich des Großen" geschaffen hat. So lockt schon die äußere Aufmachung durch ästhetischen Reiz zur sachlichen Vertiefung in die Gedankenwelt Friedrichs, die ja ein so weites Bereich umspannt, daß jeder ein Entgegenkommen findet. Im ersten Band, der historische und militärische Schriften enthält, fesselt gegenwärtig vielleicht nichts so sehr wie die „Geschichte des siebenjährigen Krieges". „Ist es nicht klar," fragt Friedrich am Schluß seiner Darstellung, „daß jeder vernünftige Mensch bei Beginn der Kriegswirren sich ihren Ausgang anders gedacht hätte? Wer konnte voraussehen oder sich denken, daß Preußen dem Angriff jener furchtbaren Liga von Österreich. Rußland, Frankreich, Schweden und dem ganzen Heiligen Römischen Reiche widerstehen und aus einem Kriege, wo ihm überall Untergang drohte, ohne den geringsten Verlust an Besitzungen hervorgehen würde?" Und unter den Ursachen, die Preußens Untergang ver¬ hinderten, nennt Friedrich: Mangel an Übereinstimmung und Eintracht unter den Mächten der großen Allianz; die Verschiedenheit ihrer Interessen, die sie hinderte, sich über manche Operation zu einigen. ... Die allzu verschlagene und tückische Staatskunst eines der Gegner, der die schwierigsten und gewagtesten Unternehmungen auf seine Verbündeten abwälzte, um am Ende des Krieges sein Heer in besserem Zustand und vollzähliger zu haben als die anderen Mächte. — Haß und Ehrgeiz der europäischen Fürsten haben das Haus Brandenburg vernichten und den preußischen Namen für immer austilgen wollen — es ist ihnen nicht gelungen! So wird es auch heute sein! Auch der große Weltenschöpfer scheint in der Entwicklung der Ereignisse Wieder¬ holungen, die wie architektonische Motive am Bau der Menheitsgeschichte wirken, gelten zu lassen. Wer in den historischen Schriften des Königs blättert, wird immer wieder betroffen sein von der Unbefangenheit seiner Betrachtungsweise, der Freimut der Kritik auch seiner selbst, der Schlichtheit und Würde seiner Darstellung. Wir werfen noch einen Blick auf die politischen und philosophischen Schriften, Gedichte und Briefe, die im zweiten Bande der neuen Ausgabe vereinigt sind. Auch hier eine wahrhaft königliche Klarheit und Geradheit des Denkens und ein erhebender Ernst der Überzeugung: „Ich wage es, die Verteidigung der Menschlichkeit aufzunehmen wider ein Ungeheuer, das sie verderben will," sagt er im Vorwort zum Antimachicwell. mit dem er entrüstet die Grundsätze des „Fürsten" Machiavells von sich weist. Und der Geist Platons weht uns an. weny Friedrich in den Weisen, die die Leuchten der Welt sind, die eigentlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/391>, abgerufen am 01.09.2024.