Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.Kriegerisches prophetentum Dr, "Linn Lohn-Bonn von cum hier über kriegerisches Prophetentum gesprochen werden soll, Wollen wir jene prophetischen Reden verstehen, so müssen wir uns zunächst Es ist das ganze, große Vorderasien vom Euphrat und Tigris bis zum In diesem Gebiete spielten sich nun vom achten bis sechsten Jahr¬ Kriegerisches prophetentum Dr, «Linn Lohn-Bonn von cum hier über kriegerisches Prophetentum gesprochen werden soll, Wollen wir jene prophetischen Reden verstehen, so müssen wir uns zunächst Es ist das ganze, große Vorderasien vom Euphrat und Tigris bis zum In diesem Gebiete spielten sich nun vom achten bis sechsten Jahr¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0371" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330471"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341903_330101/figures/grenzboten_341903_330101_330471_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Kriegerisches prophetentum<lb/><note type="byline"> Dr, «Linn Lohn-Bonn</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_1553"> cum hier über kriegerisches Prophetentum gesprochen werden soll,<lb/> so kann in dem engen Raume eines Aufsatzes nicht die Rede<lb/> davon sein, daß das ganze oft behandelte Problem des alt¬<lb/> israelitischen Prophetentums aufgerollt wird. Jeder kennt aus<lb/> seiner Schulzeit zur Genüge jene seltsamen überlebensgroßen<lb/> Erscheinungen des biblischen Altertums mit ihren dunklen Orakeln und hellen<lb/> Gesichten, ihrer leidenschaftlichen Rede und der Gewalt ihres sittlichen<lb/> Schwungs. Vielmehr folgen wir den: Zwange der Stunde, die von Krieg und<lb/> Heldentum zu uns redet, und wenden uns allein jenen gewaltigen Kriegsrufen<lb/> zu, die diese „Sturmvögel der Weltgeschichte" ausgestoßen haben. Es handelt sich<lb/> um die Vermittelung einer Kriegspoesie und zwar einer der ältesten, die es<lb/> gibt. Zweieinhalb Jahrtausend ist sie alt, wir wollen das Tal des Welt¬<lb/> geschehens überbrückend den Urstimmen lauschen, die aus dem Einst zu uns<lb/> herüberklingen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1554"> Wollen wir jene prophetischen Reden verstehen, so müssen wir uns zunächst<lb/> den Schauplatz, die Zeit und die Folge der kriegerischen Geschehnisse vergegen¬<lb/> wärtigen, aus denen heraus die Rede erscholl.</p><lb/> <p xml:id="ID_1555"> Es ist das ganze, große Vorderasien vom Euphrat und Tigris bis zum<lb/> Nil, vom „großen Meer im Westen", dem Mittelländischen, bis zum Persischen<lb/> Golf, in dem sich jene Kriege abspielten, ein Gebiet fast doppelt so groß wie<lb/> unser Vaterland, aber in seinen Maßen schier unübersehbar, wenn man bedenkt,<lb/> daß es damals keine Eisenbahnen gab. und seine Teile noch dazu durch unweg¬<lb/> same Wüsten getrennt waren. Da schob sich die große syrische Einöde zwischen<lb/> Aram Naharaim und Aram Damesek, zwischen Babylon und Ninive einerseits<lb/> und das damaszenische Syrien andererseits. Auch das große Südreich Ägypten<lb/> war von seinen Einfallstoren, den Ländern Israel und Juda, durch eine Wüste<lb/> getrennt. Israel und Juda selbst waren von einer Reihe kleinerer Völker<lb/> umschlossen, die die Ränder der umgebenden Steppe oder die Gestade des<lb/> Meeres bewohnten: Eton, Moab, Ammon. Philistäa, Kedar und im Norden<lb/> Phönizien, das England des Altertums, mit seinen Stapelplätzen Tyrus<lb/> und Sidon.</p><lb/> <p xml:id="ID_1556" next="#ID_1557"> In diesem Gebiete spielten sich nun vom achten bis sechsten Jahr¬<lb/> hundert v. Chr. jene kriegerischen Ereignisse ab. aus denen die Prophetenrede</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0371]
[Abbildung]
Kriegerisches prophetentum
Dr, «Linn Lohn-Bonn von
cum hier über kriegerisches Prophetentum gesprochen werden soll,
so kann in dem engen Raume eines Aufsatzes nicht die Rede
davon sein, daß das ganze oft behandelte Problem des alt¬
israelitischen Prophetentums aufgerollt wird. Jeder kennt aus
seiner Schulzeit zur Genüge jene seltsamen überlebensgroßen
Erscheinungen des biblischen Altertums mit ihren dunklen Orakeln und hellen
Gesichten, ihrer leidenschaftlichen Rede und der Gewalt ihres sittlichen
Schwungs. Vielmehr folgen wir den: Zwange der Stunde, die von Krieg und
Heldentum zu uns redet, und wenden uns allein jenen gewaltigen Kriegsrufen
zu, die diese „Sturmvögel der Weltgeschichte" ausgestoßen haben. Es handelt sich
um die Vermittelung einer Kriegspoesie und zwar einer der ältesten, die es
gibt. Zweieinhalb Jahrtausend ist sie alt, wir wollen das Tal des Welt¬
geschehens überbrückend den Urstimmen lauschen, die aus dem Einst zu uns
herüberklingen.
Wollen wir jene prophetischen Reden verstehen, so müssen wir uns zunächst
den Schauplatz, die Zeit und die Folge der kriegerischen Geschehnisse vergegen¬
wärtigen, aus denen heraus die Rede erscholl.
Es ist das ganze, große Vorderasien vom Euphrat und Tigris bis zum
Nil, vom „großen Meer im Westen", dem Mittelländischen, bis zum Persischen
Golf, in dem sich jene Kriege abspielten, ein Gebiet fast doppelt so groß wie
unser Vaterland, aber in seinen Maßen schier unübersehbar, wenn man bedenkt,
daß es damals keine Eisenbahnen gab. und seine Teile noch dazu durch unweg¬
same Wüsten getrennt waren. Da schob sich die große syrische Einöde zwischen
Aram Naharaim und Aram Damesek, zwischen Babylon und Ninive einerseits
und das damaszenische Syrien andererseits. Auch das große Südreich Ägypten
war von seinen Einfallstoren, den Ländern Israel und Juda, durch eine Wüste
getrennt. Israel und Juda selbst waren von einer Reihe kleinerer Völker
umschlossen, die die Ränder der umgebenden Steppe oder die Gestade des
Meeres bewohnten: Eton, Moab, Ammon. Philistäa, Kedar und im Norden
Phönizien, das England des Altertums, mit seinen Stapelplätzen Tyrus
und Sidon.
In diesem Gebiete spielten sich nun vom achten bis sechsten Jahr¬
hundert v. Chr. jene kriegerischen Ereignisse ab. aus denen die Prophetenrede
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