Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.Liberale Sammlung der gegenüber diejenigen Liberalen, die nicht mit zu den demokratischen Prinzipien Auch der demokratische Gedanke wird nach dem Kriege sein Recht finden, Diese Zeilen sind unter der Voraussetzung geschrieben, daß viele Liberale, Liberale Sammlung der gegenüber diejenigen Liberalen, die nicht mit zu den demokratischen Prinzipien Auch der demokratische Gedanke wird nach dem Kriege sein Recht finden, Diese Zeilen sind unter der Voraussetzung geschrieben, daß viele Liberale, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0370" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330470"/> <fw type="header" place="top"> Liberale Sammlung</fw><lb/> <p xml:id="ID_1550" prev="#ID_1549"> der gegenüber diejenigen Liberalen, die nicht mit zu den demokratischen Prinzipien<lb/> übergehen wollen, gerade im Zentrum Bundesgenossen finden könnten. Der<lb/> Liberalismus steht seinem Wesen nach in der Mitte zwischen den konservativen<lb/> und den radikalen Elementen. Auch das Zentrum enthält viele mittelparteiliche<lb/> Bestandteile, die nur ehemals durch die kleindeutsche Reichsentwicklung und die<lb/> Kulturkampfpolitik aus dem Lager des Liberalismus hinausgedrängt worden<lb/> sind. Man möchte gern hoffen, daß der Krieg die Stimmungen der Reichs¬<lb/> gründungszeit, das Mißtrauen gegen die Katholiken und ehemaligen Gro߬<lb/> deutschen endgültig überwunden habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1551"> Auch der demokratische Gedanke wird nach dem Kriege sein Recht finden,<lb/> wo er notwendig und am Platz ist. Aber eine grundsätzlich demokratische<lb/> Politik soll nicht zur Herrschaft gelangen. Im Kampf gegen diese kann auch<lb/> der Liberalismus nicht fehlen, wenn er an seinen alten Grundanschauungen<lb/> festhalten will. Dann aber wäre es ihm nicht möglich, sich bayrische Ver¬<lb/> hältnisse zum Muster zu nehmen. Insbesondere die kulturpolitischen Scheu¬<lb/> klappen wären zum Kampf mit dem demokratisch-sozialistischen Hauptgegner<lb/> nicht dienlich. Nebenbei bemerkt könnte es vielen Liberalen überhaupt nichts<lb/> schaden, wenn sie endlich einmal eine etwas positivere Stellung zu den religiösen<lb/> und kirchlichen Fragen gewännen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1552"> Diese Zeilen sind unter der Voraussetzung geschrieben, daß viele Liberale,<lb/> insbesondere Nationalliberale, nach wie vor eine grundsätzliche Demokratisierung<lb/> Deutschlands nicht für erstrebenswert halten. Trifft diese Voraussetzung zu,<lb/> dann ist die Resolution der bäuerischen Liberalen, die eine Verschmelzung der<lb/> Fortschrittlichen Volkspartei und der Nationalliberalen vorzubereiten wünscht,<lb/> ein Fehlschlag und zeugt nicht gerade von Einsicht in die wirkliche partei¬<lb/> politische Situation und vor allem in die parteigeschichtliche Entwicklung, auf<lb/> der die gegenwärtige Lage beruht. Mag Friedrich Naumann darauf rechnen,<lb/> daß sich die Sozialdemokratie weiter nationalisiert, dann kann vielleicht auf<lb/> dieser Grundlage die große nationale demokratische Linke ins Leben treten, die<lb/> er erhofft. Die Liberalen aber sollten jetzt erst recht darauf halten, zwischen<lb/> sich und dem demokratischen Prinzip eine deutliche Grenzlinie zu ziehen, wenn<lb/> überhaupt der liberale Gedanke zwischen den Extremen von rechts und links<lb/> am Leben bleiben soll.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0370]
Liberale Sammlung
der gegenüber diejenigen Liberalen, die nicht mit zu den demokratischen Prinzipien
übergehen wollen, gerade im Zentrum Bundesgenossen finden könnten. Der
Liberalismus steht seinem Wesen nach in der Mitte zwischen den konservativen
und den radikalen Elementen. Auch das Zentrum enthält viele mittelparteiliche
Bestandteile, die nur ehemals durch die kleindeutsche Reichsentwicklung und die
Kulturkampfpolitik aus dem Lager des Liberalismus hinausgedrängt worden
sind. Man möchte gern hoffen, daß der Krieg die Stimmungen der Reichs¬
gründungszeit, das Mißtrauen gegen die Katholiken und ehemaligen Gro߬
deutschen endgültig überwunden habe.
Auch der demokratische Gedanke wird nach dem Kriege sein Recht finden,
wo er notwendig und am Platz ist. Aber eine grundsätzlich demokratische
Politik soll nicht zur Herrschaft gelangen. Im Kampf gegen diese kann auch
der Liberalismus nicht fehlen, wenn er an seinen alten Grundanschauungen
festhalten will. Dann aber wäre es ihm nicht möglich, sich bayrische Ver¬
hältnisse zum Muster zu nehmen. Insbesondere die kulturpolitischen Scheu¬
klappen wären zum Kampf mit dem demokratisch-sozialistischen Hauptgegner
nicht dienlich. Nebenbei bemerkt könnte es vielen Liberalen überhaupt nichts
schaden, wenn sie endlich einmal eine etwas positivere Stellung zu den religiösen
und kirchlichen Fragen gewännen.
Diese Zeilen sind unter der Voraussetzung geschrieben, daß viele Liberale,
insbesondere Nationalliberale, nach wie vor eine grundsätzliche Demokratisierung
Deutschlands nicht für erstrebenswert halten. Trifft diese Voraussetzung zu,
dann ist die Resolution der bäuerischen Liberalen, die eine Verschmelzung der
Fortschrittlichen Volkspartei und der Nationalliberalen vorzubereiten wünscht,
ein Fehlschlag und zeugt nicht gerade von Einsicht in die wirkliche partei¬
politische Situation und vor allem in die parteigeschichtliche Entwicklung, auf
der die gegenwärtige Lage beruht. Mag Friedrich Naumann darauf rechnen,
daß sich die Sozialdemokratie weiter nationalisiert, dann kann vielleicht auf
dieser Grundlage die große nationale demokratische Linke ins Leben treten, die
er erhofft. Die Liberalen aber sollten jetzt erst recht darauf halten, zwischen
sich und dem demokratischen Prinzip eine deutliche Grenzlinie zu ziehen, wenn
überhaupt der liberale Gedanke zwischen den Extremen von rechts und links
am Leben bleiben soll.
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