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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Die türkischen Eisenbahnen

allem eine Verbindung bis zum Euphrat besteht, die in der Hauptsache durch
Schienengeleise und Eisenbahnbetrieb hergestellt ist. Nach dem letzten Bauplan
sollte die ganze Strecke im Jahre 1916 betriebsfähig sein. Es entzieht sich natur¬
gemäß der allgemeinen Kenntnis, wieviel hiervon erreicht ist. Auf alle Fälle
dürfte der Bau, wenn er überhaupt während des Krieges fortgesetzt werden
konnte, an vielen Stellen Verzögerungen erlitten haben.

Welche militärische Machtquelle die Bagdadbahn, wenn schon vor Beginn
des Krieges vollendet gewesen, bedeutet hätte, das beweisen die Bahnen in
Syrien und Kleinasien, die oft zu Truppenverschiebungen benutzt worden sind, sobald
durch feindliche Landungsversuche einzelne Küstengebiete bedroht waren. Dadurch
konnte bisher stets verhindert werden, daß der Gegner hier festen Fuß faßte.
Diese Bahnlinien sind im Besitz von englischen oder französischen Gesellschaften,
mit Ausnahme der türkischen Hedschas-Bahn--Damaskus--Deraa--Medina
und Halfa--Deraa. Die türkischen Bahnen sind schmalspurig. Für sie hat der
Sultan Abdul Hamid die Anregung gegeben. Er faßte im Jahre 1900 den
großen Plan, für die Pilgerkarawanen zur Vermeidung der vierzigtägigen beschwer¬
lichen Landreise von Damaskus nach Mekka eine Bahn durch das Hedschas, den
Landstrich zwischen Syrien und Mekka, zu bauen und durch sie die heiligen
Städte Mekka und Medina fester an das Osmanische Reich zu ketten. Im
Jahre 1908 war die Strecke bis Medina in über 1300 Kilometer Länge betriebs¬
fähig. Nach der Abdankung Abdul Hamids im Jahre 1908 wurde der Weiter¬
bau eingestellt und ist erst im Jahre 1912 wieder aufgenommen worden. Die
Mittel wurden durch freiwillige Gaben aus der ganzen mohammedanischen Welt
und durch besondere Steuern aufgebracht. Die Ausführung erfolgte zur Er¬
sparung von Kosten durch zwei für diesen Zweck gebildete Eisenbahn-Bataillone.
Die technische Leitung lag in der Hand des deutschen Oberingenieurs Meißner-
Pascha. Diese zunächst rein religiösen Zwecken bestimmte Bahn dient jetzt
naturgemäß in erster Linie den profanen Zwecken des rauhen Kriegshandwerks.

Aber die Zeit wird kommen, wo auch diese Bahn ihrem ursprünglichen
Zweck zurückgegeben wird. Dasselbe gilt für das große Bahnnetz der Türkei,
das im Frieden bald eine weitere Verzweigung erfahren wird und dann mit
dazu beitragen wird, die im osmanischen Volke schlafenden verborgenen Kräfte
L. s. einer ungeahnten Entwicklung entgegenzuführen.




Die türkischen Eisenbahnen

allem eine Verbindung bis zum Euphrat besteht, die in der Hauptsache durch
Schienengeleise und Eisenbahnbetrieb hergestellt ist. Nach dem letzten Bauplan
sollte die ganze Strecke im Jahre 1916 betriebsfähig sein. Es entzieht sich natur¬
gemäß der allgemeinen Kenntnis, wieviel hiervon erreicht ist. Auf alle Fälle
dürfte der Bau, wenn er überhaupt während des Krieges fortgesetzt werden
konnte, an vielen Stellen Verzögerungen erlitten haben.

Welche militärische Machtquelle die Bagdadbahn, wenn schon vor Beginn
des Krieges vollendet gewesen, bedeutet hätte, das beweisen die Bahnen in
Syrien und Kleinasien, die oft zu Truppenverschiebungen benutzt worden sind, sobald
durch feindliche Landungsversuche einzelne Küstengebiete bedroht waren. Dadurch
konnte bisher stets verhindert werden, daß der Gegner hier festen Fuß faßte.
Diese Bahnlinien sind im Besitz von englischen oder französischen Gesellschaften,
mit Ausnahme der türkischen Hedschas-Bahn—Damaskus—Deraa—Medina
und Halfa—Deraa. Die türkischen Bahnen sind schmalspurig. Für sie hat der
Sultan Abdul Hamid die Anregung gegeben. Er faßte im Jahre 1900 den
großen Plan, für die Pilgerkarawanen zur Vermeidung der vierzigtägigen beschwer¬
lichen Landreise von Damaskus nach Mekka eine Bahn durch das Hedschas, den
Landstrich zwischen Syrien und Mekka, zu bauen und durch sie die heiligen
Städte Mekka und Medina fester an das Osmanische Reich zu ketten. Im
Jahre 1908 war die Strecke bis Medina in über 1300 Kilometer Länge betriebs¬
fähig. Nach der Abdankung Abdul Hamids im Jahre 1908 wurde der Weiter¬
bau eingestellt und ist erst im Jahre 1912 wieder aufgenommen worden. Die
Mittel wurden durch freiwillige Gaben aus der ganzen mohammedanischen Welt
und durch besondere Steuern aufgebracht. Die Ausführung erfolgte zur Er¬
sparung von Kosten durch zwei für diesen Zweck gebildete Eisenbahn-Bataillone.
Die technische Leitung lag in der Hand des deutschen Oberingenieurs Meißner-
Pascha. Diese zunächst rein religiösen Zwecken bestimmte Bahn dient jetzt
naturgemäß in erster Linie den profanen Zwecken des rauhen Kriegshandwerks.

Aber die Zeit wird kommen, wo auch diese Bahn ihrem ursprünglichen
Zweck zurückgegeben wird. Dasselbe gilt für das große Bahnnetz der Türkei,
das im Frieden bald eine weitere Verzweigung erfahren wird und dann mit
dazu beitragen wird, die im osmanischen Volke schlafenden verborgenen Kräfte
L. s. einer ungeahnten Entwicklung entgegenzuführen.




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[0306] Die türkischen Eisenbahnen allem eine Verbindung bis zum Euphrat besteht, die in der Hauptsache durch Schienengeleise und Eisenbahnbetrieb hergestellt ist. Nach dem letzten Bauplan sollte die ganze Strecke im Jahre 1916 betriebsfähig sein. Es entzieht sich natur¬ gemäß der allgemeinen Kenntnis, wieviel hiervon erreicht ist. Auf alle Fälle dürfte der Bau, wenn er überhaupt während des Krieges fortgesetzt werden konnte, an vielen Stellen Verzögerungen erlitten haben. Welche militärische Machtquelle die Bagdadbahn, wenn schon vor Beginn des Krieges vollendet gewesen, bedeutet hätte, das beweisen die Bahnen in Syrien und Kleinasien, die oft zu Truppenverschiebungen benutzt worden sind, sobald durch feindliche Landungsversuche einzelne Küstengebiete bedroht waren. Dadurch konnte bisher stets verhindert werden, daß der Gegner hier festen Fuß faßte. Diese Bahnlinien sind im Besitz von englischen oder französischen Gesellschaften, mit Ausnahme der türkischen Hedschas-Bahn—Damaskus—Deraa—Medina und Halfa—Deraa. Die türkischen Bahnen sind schmalspurig. Für sie hat der Sultan Abdul Hamid die Anregung gegeben. Er faßte im Jahre 1900 den großen Plan, für die Pilgerkarawanen zur Vermeidung der vierzigtägigen beschwer¬ lichen Landreise von Damaskus nach Mekka eine Bahn durch das Hedschas, den Landstrich zwischen Syrien und Mekka, zu bauen und durch sie die heiligen Städte Mekka und Medina fester an das Osmanische Reich zu ketten. Im Jahre 1908 war die Strecke bis Medina in über 1300 Kilometer Länge betriebs¬ fähig. Nach der Abdankung Abdul Hamids im Jahre 1908 wurde der Weiter¬ bau eingestellt und ist erst im Jahre 1912 wieder aufgenommen worden. Die Mittel wurden durch freiwillige Gaben aus der ganzen mohammedanischen Welt und durch besondere Steuern aufgebracht. Die Ausführung erfolgte zur Er¬ sparung von Kosten durch zwei für diesen Zweck gebildete Eisenbahn-Bataillone. Die technische Leitung lag in der Hand des deutschen Oberingenieurs Meißner- Pascha. Diese zunächst rein religiösen Zwecken bestimmte Bahn dient jetzt naturgemäß in erster Linie den profanen Zwecken des rauhen Kriegshandwerks. Aber die Zeit wird kommen, wo auch diese Bahn ihrem ursprünglichen Zweck zurückgegeben wird. Dasselbe gilt für das große Bahnnetz der Türkei, das im Frieden bald eine weitere Verzweigung erfahren wird und dann mit dazu beitragen wird, die im osmanischen Volke schlafenden verborgenen Kräfte L. s. einer ungeahnten Entwicklung entgegenzuführen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/306>, abgerufen am 22.12.2024.