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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Die türkischen Eisenbahnen

angewandt wurden, um die Hohe Pforte günstig zu beeinflussen, zeigt die Über-
reichung einer silbernen Karte an den Sultan durch eine Gesellschaft, in der
die Eisenbahnlinie durch Edelsteine zur Darstellung gebracht war. Auch dieses
Mal ging die Deutsche Bank siegreich aus dem Wettlauf hervor. Die Aus¬
führung ging aber keineswegs so schnell vonstatten wie der Bau der
Anatolischen Bahn.

Jetzt war es England, das immer wieder hemmend in den Weg trat.
Die Gründe des Widerstandes sind bekannt. Englands Politik zielte darauf
hin. wegen seines indischen Besitzes keiner anderen Macht den schnellsten Weg
nach dem Persischen Golf zu überlassen, sich vielmehr zur Stärkung dieses
Besitzes am Persischen Golf festzusetzen. Die Gegensätze, die zum Teil den
Weltkrieg erklären, kamen hier bei dem Bau der Bagdadbahn frühzeitig zutage
und haben oft zu höchster politischer Spannung geführt.

Der Widerstand Frankreichs und Rußlands war erheblich geringer und
konnte bald beseitigt werden. Frankreich besaß schon seit langem in Kleinasien
und in Syrien Bahnstrecken: die "3lnyrne-La,s8aha et prolonZements" und
die "OÄMÄ8-team3k et pi-olonZemenw", deren weiterer Ausbau den fran¬
zösischen Gesellschaften überlassen blieb. An der Bagdadbahn wurde französisches
Kapital beteiligt, wodurch das Unternehmen einen internationalen Charakter
erhielt. Es führte seitdem den Titel: "Locistö an ekemin ac ter cle LaZäacl".
Die Befriedigung des nationalen Ehrgeizes beseitigte die Schwierigkeiten, die
Frankreich gemacht hatte.

Rußland widersetzte sich dem Baubeginn nur solange, wie die nördliche
Linienführung über Sivas--Diabekr in Frage stand. Als man auf diese ver¬
zichtete, wozu neben der Rücksichtnahme auf die russischen Interessen wohl in
erster Linie technische Schwierigkeiten der Linienführung durch das gebirgige
Armenien nötigten, schwand der russische Widerstand. Ja es scheint sogar
Zeiten gegeben zu haben, in denen Rußland den Bau der Bagdadbahn auf
dem südlichen Wege zu fördern beabsichtigte. Ihm konnte es nur erwünscht sein,
wenn die Machtstellung Englands an der persischen Grenze geschwächt wurde.

England verstand aber immer wieder neue Mittel ausfindig zu machen, um
den Beginn des Baues zu verhindern. Immerhin konnten die ersten 200 Kilometer
Koula--Eregli im Jahre 1902 eröffnet werden. Aber je weiter nach Süden
die Schienenstränge vordrangen, um so nachhaltiger wurde der englische Wider¬
stand, so daß erst 1904 der Weiterbau auf Adana zu beginnen konnte. Im
-Lahre 1912 war es nach vielfachen Verhandlungen gelungen, die Fortsetzung
des Baues durchzusetzen. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Deutsche Bank
lUl Jahre 1899 die Verpflichtung übernommen hatte, die ganze Bahnstrecke von
Koula über Adana--Aleppo--Mosul bis Bagdad innerhalb von acht Jahren fertig¬
zustellen, war in den dreizehn Jahren bis 1912 wirklich wenig erreicht worden. Die
Angaben über die bei Beginn des Krieges fertiggestellten Strecken sind recht ver¬
schieden. Immerhin scheint festzustehen, daß das Gerippe ausgebaut ist, daß vor


Die türkischen Eisenbahnen

angewandt wurden, um die Hohe Pforte günstig zu beeinflussen, zeigt die Über-
reichung einer silbernen Karte an den Sultan durch eine Gesellschaft, in der
die Eisenbahnlinie durch Edelsteine zur Darstellung gebracht war. Auch dieses
Mal ging die Deutsche Bank siegreich aus dem Wettlauf hervor. Die Aus¬
führung ging aber keineswegs so schnell vonstatten wie der Bau der
Anatolischen Bahn.

Jetzt war es England, das immer wieder hemmend in den Weg trat.
Die Gründe des Widerstandes sind bekannt. Englands Politik zielte darauf
hin. wegen seines indischen Besitzes keiner anderen Macht den schnellsten Weg
nach dem Persischen Golf zu überlassen, sich vielmehr zur Stärkung dieses
Besitzes am Persischen Golf festzusetzen. Die Gegensätze, die zum Teil den
Weltkrieg erklären, kamen hier bei dem Bau der Bagdadbahn frühzeitig zutage
und haben oft zu höchster politischer Spannung geführt.

Der Widerstand Frankreichs und Rußlands war erheblich geringer und
konnte bald beseitigt werden. Frankreich besaß schon seit langem in Kleinasien
und in Syrien Bahnstrecken: die „3lnyrne-La,s8aha et prolonZements" und
die „OÄMÄ8-team3k et pi-olonZemenw", deren weiterer Ausbau den fran¬
zösischen Gesellschaften überlassen blieb. An der Bagdadbahn wurde französisches
Kapital beteiligt, wodurch das Unternehmen einen internationalen Charakter
erhielt. Es führte seitdem den Titel: „Locistö an ekemin ac ter cle LaZäacl".
Die Befriedigung des nationalen Ehrgeizes beseitigte die Schwierigkeiten, die
Frankreich gemacht hatte.

Rußland widersetzte sich dem Baubeginn nur solange, wie die nördliche
Linienführung über Sivas—Diabekr in Frage stand. Als man auf diese ver¬
zichtete, wozu neben der Rücksichtnahme auf die russischen Interessen wohl in
erster Linie technische Schwierigkeiten der Linienführung durch das gebirgige
Armenien nötigten, schwand der russische Widerstand. Ja es scheint sogar
Zeiten gegeben zu haben, in denen Rußland den Bau der Bagdadbahn auf
dem südlichen Wege zu fördern beabsichtigte. Ihm konnte es nur erwünscht sein,
wenn die Machtstellung Englands an der persischen Grenze geschwächt wurde.

England verstand aber immer wieder neue Mittel ausfindig zu machen, um
den Beginn des Baues zu verhindern. Immerhin konnten die ersten 200 Kilometer
Koula—Eregli im Jahre 1902 eröffnet werden. Aber je weiter nach Süden
die Schienenstränge vordrangen, um so nachhaltiger wurde der englische Wider¬
stand, so daß erst 1904 der Weiterbau auf Adana zu beginnen konnte. Im
-Lahre 1912 war es nach vielfachen Verhandlungen gelungen, die Fortsetzung
des Baues durchzusetzen. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Deutsche Bank
lUl Jahre 1899 die Verpflichtung übernommen hatte, die ganze Bahnstrecke von
Koula über Adana—Aleppo—Mosul bis Bagdad innerhalb von acht Jahren fertig¬
zustellen, war in den dreizehn Jahren bis 1912 wirklich wenig erreicht worden. Die
Angaben über die bei Beginn des Krieges fertiggestellten Strecken sind recht ver¬
schieden. Immerhin scheint festzustehen, daß das Gerippe ausgebaut ist, daß vor


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/305>, abgerufen am 23.12.2024.