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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Bausteine zur Geschichte des Laltenicmdes

Herrschaft über sie zu übernehmen. Er gewährleistet die Übung des evangeli¬
schen Bekenntnisses. Der erbitterte Blankenfeld sucht außerhalb des Landes
Hilfe, aber der wachsame Meister überwältigt den Verräter, der auf seiner
Residenz kapitulieren muß. Der Landtag in Wolmar 1526 sollte für die Zu¬
kunft des Landes von größter Bedeutung fein. Die Stände waren über das
Verhalten Blankenfelds so erbittert, daß es für Plettenberg bei richtiger Aus¬
nutzung der Stimmung leicht gewesen wäre, sich zum alleinigen Herrn des
Landes zu machen. Aber Plettenberg schreckt vor diesem Entschlüsse zurück. Er
will dem Orden, dem alten Glauben nicht untreu werden. Vielleicht scheut er
auch die im Falle der Säkularisation kaum zu vermeidende Unterwerfung unter
die Lehnshoheit Polens. Daß er den Weg nicht fand, ist tief zu bedauern.
Die Zusammenfassung des Landes unter einem Herrn würde feine innere Kraft
und die Widerstandsfähigkeit gegen äußere Feinde erhöht haben; nur eine
Dynastie konnte die auseinander strebenden Kräfte des Landes fest zusammen¬
halten. Es ist nur ein scheinbarer Erfolg Plettenbergs, wenn noch im Jahre
1526 auf einem neuen Landtage in Wolmar der Erzbischof samt seinen Suff-
raganen von Osel, Reval und Kurland verspricht, dem Orden treu und ge¬
horsam zu sein und Heeresfolge zu leisten. Nur zu bald vergißt Blankenfeld
seine Versprechungen, und sein Nachfolger Thomas Schöning, der sich in Mark¬
graf Wilhelm von Brandenburg, dem jüngsten Bruder Herzog Albrechts in
der Hoffnung, durch dessen Verbindungen den Orden aus der Gewalt zu
drängen, einen egoistischen, nur auf Landgewinn bedachten Koadjutor ge¬
wonnen hatte, sucht Verbindung mit Polen und Preußen und bringt das
ganze Land mit Ausnahme Rigas zum Abfall vom Meister. Auf einem Land¬
tage von 1630 muß sich Plettenberg dem Schiedsspruch der Bischöfe von Ösel
und Dorpat unterwerfen, durch den der Rezeß von 1526 ausgehoben wird
und Thomas Schöning die geteilte Oberhoheit über Riga wieder erhält. In
den letzten Jahren Plettenbergs und noch mehr unter seinem Nachfolger zeigen
sich überall im Lande traurige Zeichen des Verfalls. Über Genußsucht, Vettern¬
wirtschaft. Fehlen des Gemeinsinns wird allgemein geklagt.

Eine besondere Gefahr für das Land werden die selbstsüchtigen Pläne
Wilhelms von Brandenburg. Dieser nimmt sich Christoph von Mecklenburg
zum Koadjutor, um dadurch auswärtigen Beistand zu erhalten, und gewinnt
durch Geld den zweiten Mann des Ordens, den Landmarschall Jasper von
Münster. Man plant, nach dem Tode des Meisters Heinrich von Galen,
Münster zum Meister, Christoph von Mecklenburg zum Koadjutor zu machen,
dann das Land zu teilen und in erblichen Besitz zu nehmen. Obwohl 1556
Wilhelm von Fürstenberg, ein tapferer und warmherziger Deutscher, zum
Koadjutor gewählt war, läßt sich Wilhelm von Brandenburg nicht entmutigen,
ändern wendet sich an seinen Bruder in Preußen um Hilfe. Dieser sollte
nach Kurland rücken und auf Riga ziehen. Als der Landesverrat des Erz-
b'schoss bekannt wird, wendet der Orden sich gegen ihn und nimmt ihn und


Grenzboten II 1S16 18
Bausteine zur Geschichte des Laltenicmdes

Herrschaft über sie zu übernehmen. Er gewährleistet die Übung des evangeli¬
schen Bekenntnisses. Der erbitterte Blankenfeld sucht außerhalb des Landes
Hilfe, aber der wachsame Meister überwältigt den Verräter, der auf seiner
Residenz kapitulieren muß. Der Landtag in Wolmar 1526 sollte für die Zu¬
kunft des Landes von größter Bedeutung fein. Die Stände waren über das
Verhalten Blankenfelds so erbittert, daß es für Plettenberg bei richtiger Aus¬
nutzung der Stimmung leicht gewesen wäre, sich zum alleinigen Herrn des
Landes zu machen. Aber Plettenberg schreckt vor diesem Entschlüsse zurück. Er
will dem Orden, dem alten Glauben nicht untreu werden. Vielleicht scheut er
auch die im Falle der Säkularisation kaum zu vermeidende Unterwerfung unter
die Lehnshoheit Polens. Daß er den Weg nicht fand, ist tief zu bedauern.
Die Zusammenfassung des Landes unter einem Herrn würde feine innere Kraft
und die Widerstandsfähigkeit gegen äußere Feinde erhöht haben; nur eine
Dynastie konnte die auseinander strebenden Kräfte des Landes fest zusammen¬
halten. Es ist nur ein scheinbarer Erfolg Plettenbergs, wenn noch im Jahre
1526 auf einem neuen Landtage in Wolmar der Erzbischof samt seinen Suff-
raganen von Osel, Reval und Kurland verspricht, dem Orden treu und ge¬
horsam zu sein und Heeresfolge zu leisten. Nur zu bald vergißt Blankenfeld
seine Versprechungen, und sein Nachfolger Thomas Schöning, der sich in Mark¬
graf Wilhelm von Brandenburg, dem jüngsten Bruder Herzog Albrechts in
der Hoffnung, durch dessen Verbindungen den Orden aus der Gewalt zu
drängen, einen egoistischen, nur auf Landgewinn bedachten Koadjutor ge¬
wonnen hatte, sucht Verbindung mit Polen und Preußen und bringt das
ganze Land mit Ausnahme Rigas zum Abfall vom Meister. Auf einem Land¬
tage von 1630 muß sich Plettenberg dem Schiedsspruch der Bischöfe von Ösel
und Dorpat unterwerfen, durch den der Rezeß von 1526 ausgehoben wird
und Thomas Schöning die geteilte Oberhoheit über Riga wieder erhält. In
den letzten Jahren Plettenbergs und noch mehr unter seinem Nachfolger zeigen
sich überall im Lande traurige Zeichen des Verfalls. Über Genußsucht, Vettern¬
wirtschaft. Fehlen des Gemeinsinns wird allgemein geklagt.

Eine besondere Gefahr für das Land werden die selbstsüchtigen Pläne
Wilhelms von Brandenburg. Dieser nimmt sich Christoph von Mecklenburg
zum Koadjutor, um dadurch auswärtigen Beistand zu erhalten, und gewinnt
durch Geld den zweiten Mann des Ordens, den Landmarschall Jasper von
Münster. Man plant, nach dem Tode des Meisters Heinrich von Galen,
Münster zum Meister, Christoph von Mecklenburg zum Koadjutor zu machen,
dann das Land zu teilen und in erblichen Besitz zu nehmen. Obwohl 1556
Wilhelm von Fürstenberg, ein tapferer und warmherziger Deutscher, zum
Koadjutor gewählt war, läßt sich Wilhelm von Brandenburg nicht entmutigen,
ändern wendet sich an seinen Bruder in Preußen um Hilfe. Dieser sollte
nach Kurland rücken und auf Riga ziehen. Als der Landesverrat des Erz-
b'schoss bekannt wird, wendet der Orden sich gegen ihn und nimmt ihn und


Grenzboten II 1S16 18
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[0285] Bausteine zur Geschichte des Laltenicmdes Herrschaft über sie zu übernehmen. Er gewährleistet die Übung des evangeli¬ schen Bekenntnisses. Der erbitterte Blankenfeld sucht außerhalb des Landes Hilfe, aber der wachsame Meister überwältigt den Verräter, der auf seiner Residenz kapitulieren muß. Der Landtag in Wolmar 1526 sollte für die Zu¬ kunft des Landes von größter Bedeutung fein. Die Stände waren über das Verhalten Blankenfelds so erbittert, daß es für Plettenberg bei richtiger Aus¬ nutzung der Stimmung leicht gewesen wäre, sich zum alleinigen Herrn des Landes zu machen. Aber Plettenberg schreckt vor diesem Entschlüsse zurück. Er will dem Orden, dem alten Glauben nicht untreu werden. Vielleicht scheut er auch die im Falle der Säkularisation kaum zu vermeidende Unterwerfung unter die Lehnshoheit Polens. Daß er den Weg nicht fand, ist tief zu bedauern. Die Zusammenfassung des Landes unter einem Herrn würde feine innere Kraft und die Widerstandsfähigkeit gegen äußere Feinde erhöht haben; nur eine Dynastie konnte die auseinander strebenden Kräfte des Landes fest zusammen¬ halten. Es ist nur ein scheinbarer Erfolg Plettenbergs, wenn noch im Jahre 1526 auf einem neuen Landtage in Wolmar der Erzbischof samt seinen Suff- raganen von Osel, Reval und Kurland verspricht, dem Orden treu und ge¬ horsam zu sein und Heeresfolge zu leisten. Nur zu bald vergißt Blankenfeld seine Versprechungen, und sein Nachfolger Thomas Schöning, der sich in Mark¬ graf Wilhelm von Brandenburg, dem jüngsten Bruder Herzog Albrechts in der Hoffnung, durch dessen Verbindungen den Orden aus der Gewalt zu drängen, einen egoistischen, nur auf Landgewinn bedachten Koadjutor ge¬ wonnen hatte, sucht Verbindung mit Polen und Preußen und bringt das ganze Land mit Ausnahme Rigas zum Abfall vom Meister. Auf einem Land¬ tage von 1630 muß sich Plettenberg dem Schiedsspruch der Bischöfe von Ösel und Dorpat unterwerfen, durch den der Rezeß von 1526 ausgehoben wird und Thomas Schöning die geteilte Oberhoheit über Riga wieder erhält. In den letzten Jahren Plettenbergs und noch mehr unter seinem Nachfolger zeigen sich überall im Lande traurige Zeichen des Verfalls. Über Genußsucht, Vettern¬ wirtschaft. Fehlen des Gemeinsinns wird allgemein geklagt. Eine besondere Gefahr für das Land werden die selbstsüchtigen Pläne Wilhelms von Brandenburg. Dieser nimmt sich Christoph von Mecklenburg zum Koadjutor, um dadurch auswärtigen Beistand zu erhalten, und gewinnt durch Geld den zweiten Mann des Ordens, den Landmarschall Jasper von Münster. Man plant, nach dem Tode des Meisters Heinrich von Galen, Münster zum Meister, Christoph von Mecklenburg zum Koadjutor zu machen, dann das Land zu teilen und in erblichen Besitz zu nehmen. Obwohl 1556 Wilhelm von Fürstenberg, ein tapferer und warmherziger Deutscher, zum Koadjutor gewählt war, läßt sich Wilhelm von Brandenburg nicht entmutigen, ändern wendet sich an seinen Bruder in Preußen um Hilfe. Dieser sollte nach Kurland rücken und auf Riga ziehen. Als der Landesverrat des Erz- b'schoss bekannt wird, wendet der Orden sich gegen ihn und nimmt ihn und Grenzboten II 1S16 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/285>, abgerufen am 28.07.2024.