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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Ein Sonderausschuß für die Finanzreform
Justizrat Bau berger von

s ist eine bekannte, aber wohl kaum genügend gewürdigte Tatsache,
daß die Reichsämter einen guten Teil gesetzgeberischer Tätigkeit
nutzlos aufwenden. Wieviel Gesetzentwürfe mit Begründungen,
zahlenmäßigen Nachweisungen, Ausführungsbestimmungen werden
ausgearbeitet, um nach kürzerer oder längerer Zeit, nach vielfachen
Erörterungen im Reichstage, in den Ausschüssen und in der Presse schließlich
im Papierkorb zu verschwinden. Eine statistische Erhebung über den Umfang dieser
vergeblichen Arbeit, über so viel verlorene Zeit und Kosten, wäre recht lehrreich.
So findet jahraus, jahrein ein nutzloser Aufwand an Kraft und Geld statt, der
zu Lasten der Gesamtheit, d. h. der Steuerzahler, geht. Darin soll kein Vorwurf
liegen. Der Übelstand ist die natürliche Folge des Umstandes, daß zur Beschlu߬
fassung über Reichsgesetze verfassungsmäßig zwei Faktoren, Bundesrat und Reichs¬
tag, berufen sind. Der eine Faktor kann nicht mit Bestimmtheit voraussehen,
wie sich der andere zu seinen Vorschlägen stellen wird. Gelangt ein Gefetzes-
vorschlag nicht zur Annahme, so ist die ganze Vorarbeit zurzeit oder endgültig
nutzlos. Es ist sehr begreiflich, wenn dieser Stand der Dinge zu Klagen Anlaß
gibt, wenn die Arbeitslust und die Arbeitsfähigkeit der Beamten, aber auch der
Leiter der Ämter selbst dadurch beeinträchtigt wird. Nicht selten wirken diese
Unzuträglichkeiten so stark ein, daß sie Personalveränderungen, den Verlust von
bewährten Beamten und damit eine weitere Belastung der Reichskasse zur Folge
haben. Es liegt nahe, nach einem Mittel der Abhilfe zu suchen. Die Frage
tritt jetzt besonders in den Vordergrund, wenn man das gewaltige Gesetz¬
gebungswerk ins Auge faßt, das der Wiederaufbau der erschütterten Reichs-
finauzen in Kürze notwendig macht. Zwar läßt sich noch nicht ermessen, wie
hoch sich der Betrag der Reichsschuld bei Beendigung des Krieges belaufen und
inwieweit er sich durch die Folgen des Krieges erhöhen wird. Da indessen


Grenzboten II 19t 6 17


Ein Sonderausschuß für die Finanzreform
Justizrat Bau berger von

s ist eine bekannte, aber wohl kaum genügend gewürdigte Tatsache,
daß die Reichsämter einen guten Teil gesetzgeberischer Tätigkeit
nutzlos aufwenden. Wieviel Gesetzentwürfe mit Begründungen,
zahlenmäßigen Nachweisungen, Ausführungsbestimmungen werden
ausgearbeitet, um nach kürzerer oder längerer Zeit, nach vielfachen
Erörterungen im Reichstage, in den Ausschüssen und in der Presse schließlich
im Papierkorb zu verschwinden. Eine statistische Erhebung über den Umfang dieser
vergeblichen Arbeit, über so viel verlorene Zeit und Kosten, wäre recht lehrreich.
So findet jahraus, jahrein ein nutzloser Aufwand an Kraft und Geld statt, der
zu Lasten der Gesamtheit, d. h. der Steuerzahler, geht. Darin soll kein Vorwurf
liegen. Der Übelstand ist die natürliche Folge des Umstandes, daß zur Beschlu߬
fassung über Reichsgesetze verfassungsmäßig zwei Faktoren, Bundesrat und Reichs¬
tag, berufen sind. Der eine Faktor kann nicht mit Bestimmtheit voraussehen,
wie sich der andere zu seinen Vorschlägen stellen wird. Gelangt ein Gefetzes-
vorschlag nicht zur Annahme, so ist die ganze Vorarbeit zurzeit oder endgültig
nutzlos. Es ist sehr begreiflich, wenn dieser Stand der Dinge zu Klagen Anlaß
gibt, wenn die Arbeitslust und die Arbeitsfähigkeit der Beamten, aber auch der
Leiter der Ämter selbst dadurch beeinträchtigt wird. Nicht selten wirken diese
Unzuträglichkeiten so stark ein, daß sie Personalveränderungen, den Verlust von
bewährten Beamten und damit eine weitere Belastung der Reichskasse zur Folge
haben. Es liegt nahe, nach einem Mittel der Abhilfe zu suchen. Die Frage
tritt jetzt besonders in den Vordergrund, wenn man das gewaltige Gesetz¬
gebungswerk ins Auge faßt, das der Wiederaufbau der erschütterten Reichs-
finauzen in Kürze notwendig macht. Zwar läßt sich noch nicht ermessen, wie
hoch sich der Betrag der Reichsschuld bei Beendigung des Krieges belaufen und
inwieweit er sich durch die Folgen des Krieges erhöhen wird. Da indessen


Grenzboten II 19t 6 17
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[0269] [Abbildung] Ein Sonderausschuß für die Finanzreform Justizrat Bau berger von s ist eine bekannte, aber wohl kaum genügend gewürdigte Tatsache, daß die Reichsämter einen guten Teil gesetzgeberischer Tätigkeit nutzlos aufwenden. Wieviel Gesetzentwürfe mit Begründungen, zahlenmäßigen Nachweisungen, Ausführungsbestimmungen werden ausgearbeitet, um nach kürzerer oder längerer Zeit, nach vielfachen Erörterungen im Reichstage, in den Ausschüssen und in der Presse schließlich im Papierkorb zu verschwinden. Eine statistische Erhebung über den Umfang dieser vergeblichen Arbeit, über so viel verlorene Zeit und Kosten, wäre recht lehrreich. So findet jahraus, jahrein ein nutzloser Aufwand an Kraft und Geld statt, der zu Lasten der Gesamtheit, d. h. der Steuerzahler, geht. Darin soll kein Vorwurf liegen. Der Übelstand ist die natürliche Folge des Umstandes, daß zur Beschlu߬ fassung über Reichsgesetze verfassungsmäßig zwei Faktoren, Bundesrat und Reichs¬ tag, berufen sind. Der eine Faktor kann nicht mit Bestimmtheit voraussehen, wie sich der andere zu seinen Vorschlägen stellen wird. Gelangt ein Gefetzes- vorschlag nicht zur Annahme, so ist die ganze Vorarbeit zurzeit oder endgültig nutzlos. Es ist sehr begreiflich, wenn dieser Stand der Dinge zu Klagen Anlaß gibt, wenn die Arbeitslust und die Arbeitsfähigkeit der Beamten, aber auch der Leiter der Ämter selbst dadurch beeinträchtigt wird. Nicht selten wirken diese Unzuträglichkeiten so stark ein, daß sie Personalveränderungen, den Verlust von bewährten Beamten und damit eine weitere Belastung der Reichskasse zur Folge haben. Es liegt nahe, nach einem Mittel der Abhilfe zu suchen. Die Frage tritt jetzt besonders in den Vordergrund, wenn man das gewaltige Gesetz¬ gebungswerk ins Auge faßt, das der Wiederaufbau der erschütterten Reichs- finauzen in Kürze notwendig macht. Zwar läßt sich noch nicht ermessen, wie hoch sich der Betrag der Reichsschuld bei Beendigung des Krieges belaufen und inwieweit er sich durch die Folgen des Krieges erhöhen wird. Da indessen Grenzboten II 19t 6 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/269>, abgerufen am 01.09.2024.