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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Künftige weit-Blockpolitik

Was man erreichen kann, ist freilich bestenfalls ein Aufschieben der Ka¬
tastrophe. Der Zündstoff liegt zu hoch getürmt, -- man denke nur an Mexikos japan¬
freundliche Bevölkerung! -- um nicht endlich einmal zu explodieren. Wer weiß denn,
ob nicht schon die Villa-Carranza-Burleske, die sich eben vor unseren Augen ab¬
spielte, der Auftakt ist zu großen, die östliche Welt umgestaltenden Kämpfen . . .

Von besonderer Bedeutung sür unsere Stellung zum Ostblock ist noch ein
anderer Punkt. Wieder einmal liegt China in schweren, von Japan an¬
gezettelten inneren Wirren. Wird es ihm gelingen, sein Hausrecht zu wahren
und sich in dem kommenden großmongolischen Block genügend Sitz und Stimme
zu retten, um über seine künftige Wirtschaftspolitik selbst bestimmen zu können?
Wenn nicht, so geht der Schlüssel zum Hause Ostasien für absehbare Zeit in
Japans Hände über, Japan aber, soviel ist sicher, schließt dem gesamten fremden
Handel durch Schutzzölle Tor und Tür und setzt die eigene Industrie an die
Stelle der eingewanderten. Damit fallen ganz bedeutende Interessen unseres
Heimatblocks der Vernichtung anheim.

Der andere Ausgang wäre, daß das japanische Element lediglich zu einer
Art organisatorischen Sauerteigs, etwa zum politischen Preußentum des Ostens
wird, das mit Chinas älterer Kultur zu einem höheren Ganzen verschmilzt.
Es wäre an eine militärisch-politische Union oder an einen Bundesstaat zu
denken, in dem auch die Wucht der chinesischen Zahl zur Geltung kommt.
Laufen die Dinge so, dann eröffnen sich uns wirtschaftlich-kulturell ganz un¬
geahnte Möglichkeiten. Wir werden dann nicht nur an der wirtschaftlichen
Erschließung Chinas in weit höherem Maße teilnehmen als zuvor. Auch der
bereits vor dem Kriege eingeleitete geistige Güteraustausch beider Kulturnationen
wird reichste Früchte tragen. Dann werden deutsche Kaufleute, Aerzte, Ingenieure,
Künstler neben den bevorzugten Japanern und den geschäftstüchtigen Uankees
um die Palme ringen, und um den Ausgang dieses Wettstreites braucht uns
nicht bange zu sein. Chinas Sympathieen gehören uns schon heute . . . Die
jüngst begründete "Deutsch-chinesische Vereinigung" ist denn auch die erste
Schwalbe, die dem kommenden west-östlichen Kultursommer vorauffliegen will.
Freilich: eine Schwalbe macht noch keinen Sommer!....

Und so schließt sich denn der Ring der künstigen Weltwirtschaftsmächte.
Sie werden die Politik der Einzelnationen, ins Grandiose übertragen, fort¬
setzen, eine Gruppe erzgepanzerter Riesen, die sich stützen und befehden, Krieg
führen und Frieden schließen werden, wie vordem die Menschen und Völker¬
individuen. Krieg führen, sei es mit blanker Waffe, sei es mit wirtschaftlichen
Boykotts und Aushungerungsmaßnahmen. Der Erdrosselungsfeldzug, den die
Englandgruppe heute gegen uns führt, kann sich zwischen anderen Gruppen
sehr gut wiederholen. Jede einzelne wird also darauf angewiesen sein, ihre
innere Organisation aufs beste auszubauen, um dem zu begegnen. Mehr als je
heißt auch für uns nach dem Kriege die Parole: stark sein! --




Künftige weit-Blockpolitik

Was man erreichen kann, ist freilich bestenfalls ein Aufschieben der Ka¬
tastrophe. Der Zündstoff liegt zu hoch getürmt, — man denke nur an Mexikos japan¬
freundliche Bevölkerung! — um nicht endlich einmal zu explodieren. Wer weiß denn,
ob nicht schon die Villa-Carranza-Burleske, die sich eben vor unseren Augen ab¬
spielte, der Auftakt ist zu großen, die östliche Welt umgestaltenden Kämpfen . . .

Von besonderer Bedeutung sür unsere Stellung zum Ostblock ist noch ein
anderer Punkt. Wieder einmal liegt China in schweren, von Japan an¬
gezettelten inneren Wirren. Wird es ihm gelingen, sein Hausrecht zu wahren
und sich in dem kommenden großmongolischen Block genügend Sitz und Stimme
zu retten, um über seine künftige Wirtschaftspolitik selbst bestimmen zu können?
Wenn nicht, so geht der Schlüssel zum Hause Ostasien für absehbare Zeit in
Japans Hände über, Japan aber, soviel ist sicher, schließt dem gesamten fremden
Handel durch Schutzzölle Tor und Tür und setzt die eigene Industrie an die
Stelle der eingewanderten. Damit fallen ganz bedeutende Interessen unseres
Heimatblocks der Vernichtung anheim.

Der andere Ausgang wäre, daß das japanische Element lediglich zu einer
Art organisatorischen Sauerteigs, etwa zum politischen Preußentum des Ostens
wird, das mit Chinas älterer Kultur zu einem höheren Ganzen verschmilzt.
Es wäre an eine militärisch-politische Union oder an einen Bundesstaat zu
denken, in dem auch die Wucht der chinesischen Zahl zur Geltung kommt.
Laufen die Dinge so, dann eröffnen sich uns wirtschaftlich-kulturell ganz un¬
geahnte Möglichkeiten. Wir werden dann nicht nur an der wirtschaftlichen
Erschließung Chinas in weit höherem Maße teilnehmen als zuvor. Auch der
bereits vor dem Kriege eingeleitete geistige Güteraustausch beider Kulturnationen
wird reichste Früchte tragen. Dann werden deutsche Kaufleute, Aerzte, Ingenieure,
Künstler neben den bevorzugten Japanern und den geschäftstüchtigen Uankees
um die Palme ringen, und um den Ausgang dieses Wettstreites braucht uns
nicht bange zu sein. Chinas Sympathieen gehören uns schon heute . . . Die
jüngst begründete „Deutsch-chinesische Vereinigung" ist denn auch die erste
Schwalbe, die dem kommenden west-östlichen Kultursommer vorauffliegen will.
Freilich: eine Schwalbe macht noch keinen Sommer!....

Und so schließt sich denn der Ring der künstigen Weltwirtschaftsmächte.
Sie werden die Politik der Einzelnationen, ins Grandiose übertragen, fort¬
setzen, eine Gruppe erzgepanzerter Riesen, die sich stützen und befehden, Krieg
führen und Frieden schließen werden, wie vordem die Menschen und Völker¬
individuen. Krieg führen, sei es mit blanker Waffe, sei es mit wirtschaftlichen
Boykotts und Aushungerungsmaßnahmen. Der Erdrosselungsfeldzug, den die
Englandgruppe heute gegen uns führt, kann sich zwischen anderen Gruppen
sehr gut wiederholen. Jede einzelne wird also darauf angewiesen sein, ihre
innere Organisation aufs beste auszubauen, um dem zu begegnen. Mehr als je
heißt auch für uns nach dem Kriege die Parole: stark sein! —




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[0240] Künftige weit-Blockpolitik Was man erreichen kann, ist freilich bestenfalls ein Aufschieben der Ka¬ tastrophe. Der Zündstoff liegt zu hoch getürmt, — man denke nur an Mexikos japan¬ freundliche Bevölkerung! — um nicht endlich einmal zu explodieren. Wer weiß denn, ob nicht schon die Villa-Carranza-Burleske, die sich eben vor unseren Augen ab¬ spielte, der Auftakt ist zu großen, die östliche Welt umgestaltenden Kämpfen . . . Von besonderer Bedeutung sür unsere Stellung zum Ostblock ist noch ein anderer Punkt. Wieder einmal liegt China in schweren, von Japan an¬ gezettelten inneren Wirren. Wird es ihm gelingen, sein Hausrecht zu wahren und sich in dem kommenden großmongolischen Block genügend Sitz und Stimme zu retten, um über seine künftige Wirtschaftspolitik selbst bestimmen zu können? Wenn nicht, so geht der Schlüssel zum Hause Ostasien für absehbare Zeit in Japans Hände über, Japan aber, soviel ist sicher, schließt dem gesamten fremden Handel durch Schutzzölle Tor und Tür und setzt die eigene Industrie an die Stelle der eingewanderten. Damit fallen ganz bedeutende Interessen unseres Heimatblocks der Vernichtung anheim. Der andere Ausgang wäre, daß das japanische Element lediglich zu einer Art organisatorischen Sauerteigs, etwa zum politischen Preußentum des Ostens wird, das mit Chinas älterer Kultur zu einem höheren Ganzen verschmilzt. Es wäre an eine militärisch-politische Union oder an einen Bundesstaat zu denken, in dem auch die Wucht der chinesischen Zahl zur Geltung kommt. Laufen die Dinge so, dann eröffnen sich uns wirtschaftlich-kulturell ganz un¬ geahnte Möglichkeiten. Wir werden dann nicht nur an der wirtschaftlichen Erschließung Chinas in weit höherem Maße teilnehmen als zuvor. Auch der bereits vor dem Kriege eingeleitete geistige Güteraustausch beider Kulturnationen wird reichste Früchte tragen. Dann werden deutsche Kaufleute, Aerzte, Ingenieure, Künstler neben den bevorzugten Japanern und den geschäftstüchtigen Uankees um die Palme ringen, und um den Ausgang dieses Wettstreites braucht uns nicht bange zu sein. Chinas Sympathieen gehören uns schon heute . . . Die jüngst begründete „Deutsch-chinesische Vereinigung" ist denn auch die erste Schwalbe, die dem kommenden west-östlichen Kultursommer vorauffliegen will. Freilich: eine Schwalbe macht noch keinen Sommer!.... Und so schließt sich denn der Ring der künstigen Weltwirtschaftsmächte. Sie werden die Politik der Einzelnationen, ins Grandiose übertragen, fort¬ setzen, eine Gruppe erzgepanzerter Riesen, die sich stützen und befehden, Krieg führen und Frieden schließen werden, wie vordem die Menschen und Völker¬ individuen. Krieg führen, sei es mit blanker Waffe, sei es mit wirtschaftlichen Boykotts und Aushungerungsmaßnahmen. Der Erdrosselungsfeldzug, den die Englandgruppe heute gegen uns führt, kann sich zwischen anderen Gruppen sehr gut wiederholen. Jede einzelne wird also darauf angewiesen sein, ihre innere Organisation aufs beste auszubauen, um dem zu begegnen. Mehr als je heißt auch für uns nach dem Kriege die Parole: stark sein! —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/240>, abgerufen am 01.09.2024.