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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Künftige Welt-Blockpolitik

schon heute in uns die schärfsten Mitbewerber um weite Marktgebiete, die ihrem
wirtschaftlichen Herzen, d. h. ihrer Börse, sehr nahe liegen. Und damit berühren
wir das künftige Verhältnis zu dem spanisch-südamerikanischen und ostasiatischen
Wirtschaftsblock.

Spaniens Weltmacht empfing einst von England den Stoß, der England
selbst heute von uns zugedacht ist. So ist es nur verständlich, wenn Spaniens
Neigung heute überwiegend zu uns steht. Spaniens Urteil ist aber in vielem
noch immer für seine südamertkanischen Tochterstaaten maßgebend. So spricht
denn alles dafür, daß unsere schon vordem angenehmen geistig-materiellen Be¬
ziehungen zu diesem fünften Großblock künftig noch weiter erstarken werden.
Die Gründung der "deutsch-spanischen Vereinigung", die Schaffung zuverlässiger
Zeitungsorgane hüben wie drüben soll diesen fruchtbaren Güteraustausch vor¬
bereiten; und selbst unsere Freundin, die "Times", stellte kürzlich mit Mißbehagen
fest, daß im spanischen Mutterlande fünfzigtausend (?) Deutsche am Werke seien,
deutschem Kaufmannsgeist und Schaffensdrangs wirksam den Weg zu ebnen.

Der Britenblock wird also, will er sich hier mit uns messen, einen harten
Stand haben. Und nicht minder die Union. Die spanische Welt hat den
spanisch-amerikanischen Krieg, der Spanien ein paar wertvolle Kronjuwelen
kostete, nicht vergessen und fürchtet seit Aufstellung der "Monroedoktrin", daß
das Aankeeland eines Tages Appetit bekommen könnte, gleich Kuba und den
Philippinen sich auch Südamerika einzuverleiben. So ist es denn bezeichnend,
daß die Anstrengungen der Union, das kriegerische Interregnum durch Schaffung
und Förderung neuer Schiffahrtslinien nach Südamerika auszunutzen, bisher im
ganzen erfolglos geblieben sind. An dieser Gesamtstimmung dürfte auch das
von England bezahlte portugiesische Intermezzo wenig oder nichts ändern.

Die zweite sür unsere Zukunft besonders wichtige Mächtegruppe ist der
letzte, der ostasiatische Blockriese. Denn daß das Blocksystem sich auch im fernen
Osten durchsetzt, ist unzweifelhaft. Mögen Japans und Chinas Interessen im
einzelnen noch so sehr auseinander gehen, beide Mächte sind schon durch ihre
Lage derart aufeinander angewiesen, sie sind durch so viele gemeinsame Not¬
wendigkeiten aneinander gekettet, daß sich auf diejer Basis früher oder später
ein dauernder Ausgleich, ein endgültiges Gleichgewicht der Kräfte herstellen
muß. Der neue Block, der Block der Gelben, wird dadurch eine ganz ge¬
waltige Stoßkraft gegenüber den Rivalen erlangen. Diese Rivalen aber --
mit Rußland scheint man sich soeben einigen zu wollen --, sind in erster Linie
die Union und Großengland. Schon heute zeigt sich bei der vorläufig führenden
Ostmacht Japan der tastende Wunsch, die östlichen Meere durch Schließung der
Straße von Singapur für die britische Allgegenwart zu sperren, und wie groß
und drohend die Spannung gegenüber Nordamerika ist, lehrt die krampfhafte
Bemühung des Aankeeftaates, durch Heeresvergrößerungen, durch Schaffung
von Tauchbootstationen an der Westküste dem furchtbaren Feinde in letzter
Stunde ein Paroli zu bieten.


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Künftige Welt-Blockpolitik

schon heute in uns die schärfsten Mitbewerber um weite Marktgebiete, die ihrem
wirtschaftlichen Herzen, d. h. ihrer Börse, sehr nahe liegen. Und damit berühren
wir das künftige Verhältnis zu dem spanisch-südamerikanischen und ostasiatischen
Wirtschaftsblock.

Spaniens Weltmacht empfing einst von England den Stoß, der England
selbst heute von uns zugedacht ist. So ist es nur verständlich, wenn Spaniens
Neigung heute überwiegend zu uns steht. Spaniens Urteil ist aber in vielem
noch immer für seine südamertkanischen Tochterstaaten maßgebend. So spricht
denn alles dafür, daß unsere schon vordem angenehmen geistig-materiellen Be¬
ziehungen zu diesem fünften Großblock künftig noch weiter erstarken werden.
Die Gründung der „deutsch-spanischen Vereinigung", die Schaffung zuverlässiger
Zeitungsorgane hüben wie drüben soll diesen fruchtbaren Güteraustausch vor¬
bereiten; und selbst unsere Freundin, die „Times", stellte kürzlich mit Mißbehagen
fest, daß im spanischen Mutterlande fünfzigtausend (?) Deutsche am Werke seien,
deutschem Kaufmannsgeist und Schaffensdrangs wirksam den Weg zu ebnen.

Der Britenblock wird also, will er sich hier mit uns messen, einen harten
Stand haben. Und nicht minder die Union. Die spanische Welt hat den
spanisch-amerikanischen Krieg, der Spanien ein paar wertvolle Kronjuwelen
kostete, nicht vergessen und fürchtet seit Aufstellung der „Monroedoktrin", daß
das Aankeeland eines Tages Appetit bekommen könnte, gleich Kuba und den
Philippinen sich auch Südamerika einzuverleiben. So ist es denn bezeichnend,
daß die Anstrengungen der Union, das kriegerische Interregnum durch Schaffung
und Förderung neuer Schiffahrtslinien nach Südamerika auszunutzen, bisher im
ganzen erfolglos geblieben sind. An dieser Gesamtstimmung dürfte auch das
von England bezahlte portugiesische Intermezzo wenig oder nichts ändern.

Die zweite sür unsere Zukunft besonders wichtige Mächtegruppe ist der
letzte, der ostasiatische Blockriese. Denn daß das Blocksystem sich auch im fernen
Osten durchsetzt, ist unzweifelhaft. Mögen Japans und Chinas Interessen im
einzelnen noch so sehr auseinander gehen, beide Mächte sind schon durch ihre
Lage derart aufeinander angewiesen, sie sind durch so viele gemeinsame Not¬
wendigkeiten aneinander gekettet, daß sich auf diejer Basis früher oder später
ein dauernder Ausgleich, ein endgültiges Gleichgewicht der Kräfte herstellen
muß. Der neue Block, der Block der Gelben, wird dadurch eine ganz ge¬
waltige Stoßkraft gegenüber den Rivalen erlangen. Diese Rivalen aber —
mit Rußland scheint man sich soeben einigen zu wollen —, sind in erster Linie
die Union und Großengland. Schon heute zeigt sich bei der vorläufig führenden
Ostmacht Japan der tastende Wunsch, die östlichen Meere durch Schließung der
Straße von Singapur für die britische Allgegenwart zu sperren, und wie groß
und drohend die Spannung gegenüber Nordamerika ist, lehrt die krampfhafte
Bemühung des Aankeeftaates, durch Heeresvergrößerungen, durch Schaffung
von Tauchbootstationen an der Westküste dem furchtbaren Feinde in letzter
Stunde ein Paroli zu bieten.


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[0239] Künftige Welt-Blockpolitik schon heute in uns die schärfsten Mitbewerber um weite Marktgebiete, die ihrem wirtschaftlichen Herzen, d. h. ihrer Börse, sehr nahe liegen. Und damit berühren wir das künftige Verhältnis zu dem spanisch-südamerikanischen und ostasiatischen Wirtschaftsblock. Spaniens Weltmacht empfing einst von England den Stoß, der England selbst heute von uns zugedacht ist. So ist es nur verständlich, wenn Spaniens Neigung heute überwiegend zu uns steht. Spaniens Urteil ist aber in vielem noch immer für seine südamertkanischen Tochterstaaten maßgebend. So spricht denn alles dafür, daß unsere schon vordem angenehmen geistig-materiellen Be¬ ziehungen zu diesem fünften Großblock künftig noch weiter erstarken werden. Die Gründung der „deutsch-spanischen Vereinigung", die Schaffung zuverlässiger Zeitungsorgane hüben wie drüben soll diesen fruchtbaren Güteraustausch vor¬ bereiten; und selbst unsere Freundin, die „Times", stellte kürzlich mit Mißbehagen fest, daß im spanischen Mutterlande fünfzigtausend (?) Deutsche am Werke seien, deutschem Kaufmannsgeist und Schaffensdrangs wirksam den Weg zu ebnen. Der Britenblock wird also, will er sich hier mit uns messen, einen harten Stand haben. Und nicht minder die Union. Die spanische Welt hat den spanisch-amerikanischen Krieg, der Spanien ein paar wertvolle Kronjuwelen kostete, nicht vergessen und fürchtet seit Aufstellung der „Monroedoktrin", daß das Aankeeland eines Tages Appetit bekommen könnte, gleich Kuba und den Philippinen sich auch Südamerika einzuverleiben. So ist es denn bezeichnend, daß die Anstrengungen der Union, das kriegerische Interregnum durch Schaffung und Förderung neuer Schiffahrtslinien nach Südamerika auszunutzen, bisher im ganzen erfolglos geblieben sind. An dieser Gesamtstimmung dürfte auch das von England bezahlte portugiesische Intermezzo wenig oder nichts ändern. Die zweite sür unsere Zukunft besonders wichtige Mächtegruppe ist der letzte, der ostasiatische Blockriese. Denn daß das Blocksystem sich auch im fernen Osten durchsetzt, ist unzweifelhaft. Mögen Japans und Chinas Interessen im einzelnen noch so sehr auseinander gehen, beide Mächte sind schon durch ihre Lage derart aufeinander angewiesen, sie sind durch so viele gemeinsame Not¬ wendigkeiten aneinander gekettet, daß sich auf diejer Basis früher oder später ein dauernder Ausgleich, ein endgültiges Gleichgewicht der Kräfte herstellen muß. Der neue Block, der Block der Gelben, wird dadurch eine ganz ge¬ waltige Stoßkraft gegenüber den Rivalen erlangen. Diese Rivalen aber — mit Rußland scheint man sich soeben einigen zu wollen —, sind in erster Linie die Union und Großengland. Schon heute zeigt sich bei der vorläufig führenden Ostmacht Japan der tastende Wunsch, die östlichen Meere durch Schließung der Straße von Singapur für die britische Allgegenwart zu sperren, und wie groß und drohend die Spannung gegenüber Nordamerika ist, lehrt die krampfhafte Bemühung des Aankeeftaates, durch Heeresvergrößerungen, durch Schaffung von Tauchbootstationen an der Westküste dem furchtbaren Feinde in letzter Stunde ein Paroli zu bieten. 16*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/239>, abgerufen am 28.07.2024.