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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Unsere Gerichte und das feindliche Ausland

Mischen Einschlag so. wie Mohr es tut, hervorzuheben und die falsche Vor¬
stellung zu erwecken, als habe man es mit einen: in erster Linie französischen
Unternehmen zu tun. Dazu kommt noch, daß Mohr die G. in. b. H. als
"rein" ausländische Gesellschaft bezeichnet und daß in Paris nicht einige
tausend, sondern nur einige hundert Läden sind, in denen übrigens nur Milch
und Milcherzeugnisse verkauft werden. Die von der G. in. b. H. in den
Handel gebrachten Waren werden aus deutschen Rohstoffen in Deutschland von
deutschen Arbeitern hergestellt und von Berlin aus durch deutsche kaufmännische
Angestellte vertrieben. Die Behauptung Mohrs, daß der Erlös in das Ausland
abwandere, ist also unrichtig. Dazu kommt noch die geschickte, aber unter den
obwaltenden Umständen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden
Menschen besonders verletzende Ausnutzung des vaterländischen Empfindens, um
die Waren der G. in. b. H. vom Markte zu verdrängen und die eigene Kund¬
schaft dadurch zu vergrößern.

Ans dem Gebiete des Familienrechts ist nur eine einzige Entscheidung
bekannt geworden, sie betrifft die Entlassung eines englischen Vormundes. Das
Kammergericht führt folgendes aus: Das Amt des Vormundes ist nach dem
Geiste des Gesetzes eine auf einer obrigkeitlichen Anordnung beruhende be¬
sondere Vertrauensstellung, die grundsätzlich mit Selbständigkeit ausgestattet
und nur einer Beaufsichtigung durch das Vormundschaftsgericht unterworfen
ist. Daß ein Angehöriger eines mit dem Deutschen Reiche im Kriegszustande
befindlichen ausländischen Staates die Aufgaben einer solchen Stellung einem
deutschen Mündel gegenüber erfüllen und das in ihn zu Setzende Vertrauen recht¬
fertigen werde, muß ganz allgemein bezweifelt werden. Indem davon aus¬
zugehen ist, daß auch er als Ausländer national empfindet, erscheint die
Annahme begründet, daß seine nationale Gesinnung und die nationalen In¬
teressen des deutschen Mündels in einem solchen erheblichen Gegensatze stehen,
daß eine gedeihliche, die Interessen des Mündels voll wahrende Führung der
Vormundschaft durch ihn nicht zu erwarten ist, ganz abgesehen davon, daß
einem minderjährigen Mündel gegenüber die Pflege deutscher Gesinnung zu den
wesentlichsten Aufgaben des Vormundes gehört.

Diesen Entscheidungen deutscher Gerichte sollen nun die englische und die
französische Gesetzgebung und Rechtsprechung gegenübergestellt werden. Vorweg
sei hier auf die Art der Berichterstattung hingewiesen; die deutschen Ent¬
scheidungen sind von mir ausnahmslos juristischen Zeitschriften entnommen, so
daß an der Richtigkeit der Wiedergabe ein Zweifel nicht möglich ist, während
ich betreffs der feindlichen hauptsächlich auf die Tagespresse, und zwar auf
die feindliche angewiesen war. Dadurch wird zwar den Berichten ein Teil ihrer
Zuverlässigkeit genommen, eine Vergleichung ist aber trotzdem noch möglich.

Was zunächst die Verträge betrifft, so haben die deutschen Gerichte nicht
den Umstand allein, daß die andere Vertragspartei feindlicher Ausländer ist,
maßgebend sein lassen, sondern sie haben stets sorgfältig geprüft, ob die Aus-


Unsere Gerichte und das feindliche Ausland

Mischen Einschlag so. wie Mohr es tut, hervorzuheben und die falsche Vor¬
stellung zu erwecken, als habe man es mit einen: in erster Linie französischen
Unternehmen zu tun. Dazu kommt noch, daß Mohr die G. in. b. H. als
»rein" ausländische Gesellschaft bezeichnet und daß in Paris nicht einige
tausend, sondern nur einige hundert Läden sind, in denen übrigens nur Milch
und Milcherzeugnisse verkauft werden. Die von der G. in. b. H. in den
Handel gebrachten Waren werden aus deutschen Rohstoffen in Deutschland von
deutschen Arbeitern hergestellt und von Berlin aus durch deutsche kaufmännische
Angestellte vertrieben. Die Behauptung Mohrs, daß der Erlös in das Ausland
abwandere, ist also unrichtig. Dazu kommt noch die geschickte, aber unter den
obwaltenden Umständen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden
Menschen besonders verletzende Ausnutzung des vaterländischen Empfindens, um
die Waren der G. in. b. H. vom Markte zu verdrängen und die eigene Kund¬
schaft dadurch zu vergrößern.

Ans dem Gebiete des Familienrechts ist nur eine einzige Entscheidung
bekannt geworden, sie betrifft die Entlassung eines englischen Vormundes. Das
Kammergericht führt folgendes aus: Das Amt des Vormundes ist nach dem
Geiste des Gesetzes eine auf einer obrigkeitlichen Anordnung beruhende be¬
sondere Vertrauensstellung, die grundsätzlich mit Selbständigkeit ausgestattet
und nur einer Beaufsichtigung durch das Vormundschaftsgericht unterworfen
ist. Daß ein Angehöriger eines mit dem Deutschen Reiche im Kriegszustande
befindlichen ausländischen Staates die Aufgaben einer solchen Stellung einem
deutschen Mündel gegenüber erfüllen und das in ihn zu Setzende Vertrauen recht¬
fertigen werde, muß ganz allgemein bezweifelt werden. Indem davon aus¬
zugehen ist, daß auch er als Ausländer national empfindet, erscheint die
Annahme begründet, daß seine nationale Gesinnung und die nationalen In¬
teressen des deutschen Mündels in einem solchen erheblichen Gegensatze stehen,
daß eine gedeihliche, die Interessen des Mündels voll wahrende Führung der
Vormundschaft durch ihn nicht zu erwarten ist, ganz abgesehen davon, daß
einem minderjährigen Mündel gegenüber die Pflege deutscher Gesinnung zu den
wesentlichsten Aufgaben des Vormundes gehört.

Diesen Entscheidungen deutscher Gerichte sollen nun die englische und die
französische Gesetzgebung und Rechtsprechung gegenübergestellt werden. Vorweg
sei hier auf die Art der Berichterstattung hingewiesen; die deutschen Ent¬
scheidungen sind von mir ausnahmslos juristischen Zeitschriften entnommen, so
daß an der Richtigkeit der Wiedergabe ein Zweifel nicht möglich ist, während
ich betreffs der feindlichen hauptsächlich auf die Tagespresse, und zwar auf
die feindliche angewiesen war. Dadurch wird zwar den Berichten ein Teil ihrer
Zuverlässigkeit genommen, eine Vergleichung ist aber trotzdem noch möglich.

Was zunächst die Verträge betrifft, so haben die deutschen Gerichte nicht
den Umstand allein, daß die andere Vertragspartei feindlicher Ausländer ist,
maßgebend sein lassen, sondern sie haben stets sorgfältig geprüft, ob die Aus-


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[0193] Unsere Gerichte und das feindliche Ausland Mischen Einschlag so. wie Mohr es tut, hervorzuheben und die falsche Vor¬ stellung zu erwecken, als habe man es mit einen: in erster Linie französischen Unternehmen zu tun. Dazu kommt noch, daß Mohr die G. in. b. H. als »rein" ausländische Gesellschaft bezeichnet und daß in Paris nicht einige tausend, sondern nur einige hundert Läden sind, in denen übrigens nur Milch und Milcherzeugnisse verkauft werden. Die von der G. in. b. H. in den Handel gebrachten Waren werden aus deutschen Rohstoffen in Deutschland von deutschen Arbeitern hergestellt und von Berlin aus durch deutsche kaufmännische Angestellte vertrieben. Die Behauptung Mohrs, daß der Erlös in das Ausland abwandere, ist also unrichtig. Dazu kommt noch die geschickte, aber unter den obwaltenden Umständen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen besonders verletzende Ausnutzung des vaterländischen Empfindens, um die Waren der G. in. b. H. vom Markte zu verdrängen und die eigene Kund¬ schaft dadurch zu vergrößern. Ans dem Gebiete des Familienrechts ist nur eine einzige Entscheidung bekannt geworden, sie betrifft die Entlassung eines englischen Vormundes. Das Kammergericht führt folgendes aus: Das Amt des Vormundes ist nach dem Geiste des Gesetzes eine auf einer obrigkeitlichen Anordnung beruhende be¬ sondere Vertrauensstellung, die grundsätzlich mit Selbständigkeit ausgestattet und nur einer Beaufsichtigung durch das Vormundschaftsgericht unterworfen ist. Daß ein Angehöriger eines mit dem Deutschen Reiche im Kriegszustande befindlichen ausländischen Staates die Aufgaben einer solchen Stellung einem deutschen Mündel gegenüber erfüllen und das in ihn zu Setzende Vertrauen recht¬ fertigen werde, muß ganz allgemein bezweifelt werden. Indem davon aus¬ zugehen ist, daß auch er als Ausländer national empfindet, erscheint die Annahme begründet, daß seine nationale Gesinnung und die nationalen In¬ teressen des deutschen Mündels in einem solchen erheblichen Gegensatze stehen, daß eine gedeihliche, die Interessen des Mündels voll wahrende Führung der Vormundschaft durch ihn nicht zu erwarten ist, ganz abgesehen davon, daß einem minderjährigen Mündel gegenüber die Pflege deutscher Gesinnung zu den wesentlichsten Aufgaben des Vormundes gehört. Diesen Entscheidungen deutscher Gerichte sollen nun die englische und die französische Gesetzgebung und Rechtsprechung gegenübergestellt werden. Vorweg sei hier auf die Art der Berichterstattung hingewiesen; die deutschen Ent¬ scheidungen sind von mir ausnahmslos juristischen Zeitschriften entnommen, so daß an der Richtigkeit der Wiedergabe ein Zweifel nicht möglich ist, während ich betreffs der feindlichen hauptsächlich auf die Tagespresse, und zwar auf die feindliche angewiesen war. Dadurch wird zwar den Berichten ein Teil ihrer Zuverlässigkeit genommen, eine Vergleichung ist aber trotzdem noch möglich. Was zunächst die Verträge betrifft, so haben die deutschen Gerichte nicht den Umstand allein, daß die andere Vertragspartei feindlicher Ausländer ist, maßgebend sein lassen, sondern sie haben stets sorgfältig geprüft, ob die Aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/193>, abgerufen am 01.09.2024.