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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Unsere Gerichte und das feindliche Ausland

zeichnen. Die Gründe sind also dieselben wie bei der Frage des Rechts zum
Rücktritt von einem mit einer englischen Versicherungsgesellschaft geschlossenen
Vertrage.

Eine andere Entscheidung betrifft einen Streit der Maggi-Gesellschaft in. b. H.
mit den Altonaer Margarine-Werken Mohr u. Co. G. in. H. Im Oktober 1914
versandte Mohr ein Rundschreiben, in welchem er nach Hervorhebung der
Vorzüge seines Erzeugnisses Ochsena sagte, in Suppenwürfeln und Suppen¬
extrakt sei eine ausländische Firma, die Maggi-Gesellschaft, eine Hauptkonkurrenz,
weil sie es seit Jahren verstanden habe, durch eine große geschickte Reklame
ihre Artikel einzuführen; sie habe für ihr deutsches Geschäft allerdings eine
Zweigniederlassung in Singen in Baden, indessen sei sie eine rein ausländische
Gesellschaft, ihren Sitz habe sie zum Teil in der Schweiz und zum Teil in
Paris, wo sie mehrere tausend Verkaufsstellen besitze; Mohr halte es für
patriotischer, wenn statt dieser ausländischen Suppen und Extrakte deutsche
Erzeugnisse verwendet würden, es bleibe dann der bei dem Geschäft erzielte
Nutzen in Deutschland und es würden zahlreiche Deutsche als Angestellte dabei
beschäftigt. Die Maggi-Gesellschaft bezeichnete diese Behauptungen als unrichtig,
worauf Mohr ein weiteres Rundschreiben versandte, in welchem es hieß, man
betrachte es im Hinblick auf die Maßnahmen Englands und Frankreichs
allgemein in Deutschland als selbstverständlich, daß die aus England und
Frankreich stammenden Waren möglichst nicht mehr gekauft würden; zu diesen
ausländischen Artikeln gehörten der von einer englischen Gesellschaft hergestellte
Fleischextrakt Liebigs und die Erzeugnisse der Maggi-Gesellschaft, die eine französisch¬
schweizerische Gesellschaft sei. Darauf erwirkte Maggi beim Landgericht Altona eine
einstweilige Verfügung, durch die Mohr die weitere Verbreitung seiner Behaup¬
tung untersagt wurde. Seine dagegen eingelegte Berufung ist vom Oberlandes¬
gericht Kiel zurückgewiesen. In dem gerichtlichen Verfahren sind über die Ver¬
hältnisse der Maggi-Gesellschaft genaue Feststellungen getroffen. Das Stamm¬
haus mit der Firma "Allgemeine Maggi-Gesellschaft" befindet sich in Kempttal
bei Zürich; in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern sind Tochter¬
gesellschaften gegründet; ursprünglich waren in Singen und Berlin Zweig¬
niederlassungen, sie sind aber 1897 aufgelöst, an ihre Stelle ist eine selbständige
und unabhängige G. in. b. H. getreten mit dem Sitz in Singen und einer
Zweigniederlassung in Berlin. Ein weiterer wirtschaftlicher Zusammenhang mit
dem Stammhaus besteht insofern, als letzteres mit 3 800 000 Mark an der
G. in. b. H. beteiligt ist. Von dem französischen Unternehmen befindet sich der
überwiegende Teil des Aktienkapitals im Besitze des Stammhauses, von den
Aktien des Stammhauses sind etwas über 7 Prozent in Frankreich unter¬
gebracht. Hiernach ließe sich die Bezeichnung der G. in. b. H. als eines
deutsch-schweizerischen Unternehmens rechtfertigen, die kleine Beteiligung fran¬
zösischen Kapitals an einem schweizer Unternehmen, das an der G. in. b. H.
beteiligt ist, läßt es jedoch als durchaus unangebracht erscheinen, den frau-


Unsere Gerichte und das feindliche Ausland

zeichnen. Die Gründe sind also dieselben wie bei der Frage des Rechts zum
Rücktritt von einem mit einer englischen Versicherungsgesellschaft geschlossenen
Vertrage.

Eine andere Entscheidung betrifft einen Streit der Maggi-Gesellschaft in. b. H.
mit den Altonaer Margarine-Werken Mohr u. Co. G. in. H. Im Oktober 1914
versandte Mohr ein Rundschreiben, in welchem er nach Hervorhebung der
Vorzüge seines Erzeugnisses Ochsena sagte, in Suppenwürfeln und Suppen¬
extrakt sei eine ausländische Firma, die Maggi-Gesellschaft, eine Hauptkonkurrenz,
weil sie es seit Jahren verstanden habe, durch eine große geschickte Reklame
ihre Artikel einzuführen; sie habe für ihr deutsches Geschäft allerdings eine
Zweigniederlassung in Singen in Baden, indessen sei sie eine rein ausländische
Gesellschaft, ihren Sitz habe sie zum Teil in der Schweiz und zum Teil in
Paris, wo sie mehrere tausend Verkaufsstellen besitze; Mohr halte es für
patriotischer, wenn statt dieser ausländischen Suppen und Extrakte deutsche
Erzeugnisse verwendet würden, es bleibe dann der bei dem Geschäft erzielte
Nutzen in Deutschland und es würden zahlreiche Deutsche als Angestellte dabei
beschäftigt. Die Maggi-Gesellschaft bezeichnete diese Behauptungen als unrichtig,
worauf Mohr ein weiteres Rundschreiben versandte, in welchem es hieß, man
betrachte es im Hinblick auf die Maßnahmen Englands und Frankreichs
allgemein in Deutschland als selbstverständlich, daß die aus England und
Frankreich stammenden Waren möglichst nicht mehr gekauft würden; zu diesen
ausländischen Artikeln gehörten der von einer englischen Gesellschaft hergestellte
Fleischextrakt Liebigs und die Erzeugnisse der Maggi-Gesellschaft, die eine französisch¬
schweizerische Gesellschaft sei. Darauf erwirkte Maggi beim Landgericht Altona eine
einstweilige Verfügung, durch die Mohr die weitere Verbreitung seiner Behaup¬
tung untersagt wurde. Seine dagegen eingelegte Berufung ist vom Oberlandes¬
gericht Kiel zurückgewiesen. In dem gerichtlichen Verfahren sind über die Ver¬
hältnisse der Maggi-Gesellschaft genaue Feststellungen getroffen. Das Stamm¬
haus mit der Firma „Allgemeine Maggi-Gesellschaft" befindet sich in Kempttal
bei Zürich; in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern sind Tochter¬
gesellschaften gegründet; ursprünglich waren in Singen und Berlin Zweig¬
niederlassungen, sie sind aber 1897 aufgelöst, an ihre Stelle ist eine selbständige
und unabhängige G. in. b. H. getreten mit dem Sitz in Singen und einer
Zweigniederlassung in Berlin. Ein weiterer wirtschaftlicher Zusammenhang mit
dem Stammhaus besteht insofern, als letzteres mit 3 800 000 Mark an der
G. in. b. H. beteiligt ist. Von dem französischen Unternehmen befindet sich der
überwiegende Teil des Aktienkapitals im Besitze des Stammhauses, von den
Aktien des Stammhauses sind etwas über 7 Prozent in Frankreich unter¬
gebracht. Hiernach ließe sich die Bezeichnung der G. in. b. H. als eines
deutsch-schweizerischen Unternehmens rechtfertigen, die kleine Beteiligung fran¬
zösischen Kapitals an einem schweizer Unternehmen, das an der G. in. b. H.
beteiligt ist, läßt es jedoch als durchaus unangebracht erscheinen, den frau-


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[0192] Unsere Gerichte und das feindliche Ausland zeichnen. Die Gründe sind also dieselben wie bei der Frage des Rechts zum Rücktritt von einem mit einer englischen Versicherungsgesellschaft geschlossenen Vertrage. Eine andere Entscheidung betrifft einen Streit der Maggi-Gesellschaft in. b. H. mit den Altonaer Margarine-Werken Mohr u. Co. G. in. H. Im Oktober 1914 versandte Mohr ein Rundschreiben, in welchem er nach Hervorhebung der Vorzüge seines Erzeugnisses Ochsena sagte, in Suppenwürfeln und Suppen¬ extrakt sei eine ausländische Firma, die Maggi-Gesellschaft, eine Hauptkonkurrenz, weil sie es seit Jahren verstanden habe, durch eine große geschickte Reklame ihre Artikel einzuführen; sie habe für ihr deutsches Geschäft allerdings eine Zweigniederlassung in Singen in Baden, indessen sei sie eine rein ausländische Gesellschaft, ihren Sitz habe sie zum Teil in der Schweiz und zum Teil in Paris, wo sie mehrere tausend Verkaufsstellen besitze; Mohr halte es für patriotischer, wenn statt dieser ausländischen Suppen und Extrakte deutsche Erzeugnisse verwendet würden, es bleibe dann der bei dem Geschäft erzielte Nutzen in Deutschland und es würden zahlreiche Deutsche als Angestellte dabei beschäftigt. Die Maggi-Gesellschaft bezeichnete diese Behauptungen als unrichtig, worauf Mohr ein weiteres Rundschreiben versandte, in welchem es hieß, man betrachte es im Hinblick auf die Maßnahmen Englands und Frankreichs allgemein in Deutschland als selbstverständlich, daß die aus England und Frankreich stammenden Waren möglichst nicht mehr gekauft würden; zu diesen ausländischen Artikeln gehörten der von einer englischen Gesellschaft hergestellte Fleischextrakt Liebigs und die Erzeugnisse der Maggi-Gesellschaft, die eine französisch¬ schweizerische Gesellschaft sei. Darauf erwirkte Maggi beim Landgericht Altona eine einstweilige Verfügung, durch die Mohr die weitere Verbreitung seiner Behaup¬ tung untersagt wurde. Seine dagegen eingelegte Berufung ist vom Oberlandes¬ gericht Kiel zurückgewiesen. In dem gerichtlichen Verfahren sind über die Ver¬ hältnisse der Maggi-Gesellschaft genaue Feststellungen getroffen. Das Stamm¬ haus mit der Firma „Allgemeine Maggi-Gesellschaft" befindet sich in Kempttal bei Zürich; in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern sind Tochter¬ gesellschaften gegründet; ursprünglich waren in Singen und Berlin Zweig¬ niederlassungen, sie sind aber 1897 aufgelöst, an ihre Stelle ist eine selbständige und unabhängige G. in. b. H. getreten mit dem Sitz in Singen und einer Zweigniederlassung in Berlin. Ein weiterer wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Stammhaus besteht insofern, als letzteres mit 3 800 000 Mark an der G. in. b. H. beteiligt ist. Von dem französischen Unternehmen befindet sich der überwiegende Teil des Aktienkapitals im Besitze des Stammhauses, von den Aktien des Stammhauses sind etwas über 7 Prozent in Frankreich unter¬ gebracht. Hiernach ließe sich die Bezeichnung der G. in. b. H. als eines deutsch-schweizerischen Unternehmens rechtfertigen, die kleine Beteiligung fran¬ zösischen Kapitals an einem schweizer Unternehmen, das an der G. in. b. H. beteiligt ist, läßt es jedoch als durchaus unangebracht erscheinen, den frau-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/192>, abgerufen am 01.09.2024.