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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Ariegsliteratur

die ihnen zukommende Bedeutung festzustellen." Außerdem fordert auch Meister
die Gründung eines großen unabhängigen deutschen Nachrichtenbureaus, dem
die amerikanische "H,880Lig,wä ?rs88" vielleicht zum Vorbild dienen könnte, nur
mit dem Unterschiede, daß das deutsche Nachrichtenbureau seine Nachrichten nicht
nur an deutsche, sondern auch an ausländische Blätter abgibt. "Wir müssen
auf eine allen Völkern Zugänge Nachrichtenanstalt hinauskommen, bei der nicht
nur Mitglieder, sondern möglichst jeder, der will, abonnieren kann."

Mit der "Dreiverbandspresse" beschäftigt sich Gustav v. Pander im
26. Heft der bereits obengenannten Sammlung "Zwischen Krieg und Frieden."
Der Verfasser sucht zunächst die Frage zu beantworten: Wie war die Kriegs¬
begeisterung, wie wir sie bei Kriegsausbruch erlebt haben, in den Ländern des
Dreiverbandes möglich? Pander sieht die Antwort auf diese Frage in der
"Massensuggestion", die von den Regierungen Englands, Frankreichs und Ru߬
lands sowie ihrer Trabanten jahraus jahrein "durch einen nach einem be¬
stimmten Ziele minierenden Preßapparat" hervorgerufen worden ist.

Dieser Preßhetze muß für die Zukunft entgegengearbeitet werden. Für
ein internationales Schiedsgericht hält der Verfasser die Zeit zwar noch nicht
reif. "Wohl aber wäre eine internationale, aus der Gesamtheit der Bevölke¬
rung der europäischen Staaten hervorgehende Instanz denkbar, die sich lediglich
darauf zu beschränken hätte, einer von Seiten einzelner Machthaber ange¬
strebten Massensuggestion entgegenzutreten, welche auf Irreführung der öffent¬
lichen Meinung eines Landes zur Erzeugung von Kriegsstimmung abzielt."

Gewiß "denkbar" ist eine solche Instanz schon, aber an ihrer Verwirk¬
lichung dürfte man doch mancherlei Zweifel haben. Auch der Vorschlag, wie
der Verfasser sich die Ausführung seines Planes denkt, wird auf ungeheure
Schwierigkeiten stoßen, und die in Aussicht genommene Instanz dürfte in der
Stunde der Gefahr nicht die Wacht und den Einfluß haben, um mit Erfolg
gegen etwaige Kriegsgelüste eines Staates einschreiten zu können. Pander ver¬
sieht die Errichtung einer "ständigen internationalen Kommission zur Über¬
wachung der Publizistik der europäischen Nationen", die der bereits vor dem
Kriege vorhanden gewesenen Interparlamentarischen Union angegliedert werden
und etwa 50 Mitglieder zählen soll.

So schön der Gedanke an sich ist, -- wie gesagt, wir glauben nicht an
seine Umsetzung in die Tat. Auch können wir der Hoffnung des Verfassers
nicht beipflichten, daß "die ganze politische Moral des Erdteils . . . durch
das fortwirkende Läulerungswerk dieses Völkertribunals Schritt für Schritt auf
eine weit höhere Stufe gehoben" werden würde, "als die politische Praxis
der Staatsmänner des neunzehnten Jahrhunderts und das Rechtsbewußtsein
der damals lebenden Geschlechter der Bevölkerung sie gekannt hatte."
Pander vergißt leider bei seinen Vorschlägen, daß zwischen Theorie und Praxis
ein recht weiter, oft unüberbrückbarer Abstand ist, und daß nicht alles, was
theoretisch möglich und erstrebenswert erscheint, seine Verwirklichung finden


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die ihnen zukommende Bedeutung festzustellen." Außerdem fordert auch Meister
die Gründung eines großen unabhängigen deutschen Nachrichtenbureaus, dem
die amerikanische „H,880Lig,wä ?rs88" vielleicht zum Vorbild dienen könnte, nur
mit dem Unterschiede, daß das deutsche Nachrichtenbureau seine Nachrichten nicht
nur an deutsche, sondern auch an ausländische Blätter abgibt. „Wir müssen
auf eine allen Völkern Zugänge Nachrichtenanstalt hinauskommen, bei der nicht
nur Mitglieder, sondern möglichst jeder, der will, abonnieren kann."

Mit der „Dreiverbandspresse" beschäftigt sich Gustav v. Pander im
26. Heft der bereits obengenannten Sammlung „Zwischen Krieg und Frieden."
Der Verfasser sucht zunächst die Frage zu beantworten: Wie war die Kriegs¬
begeisterung, wie wir sie bei Kriegsausbruch erlebt haben, in den Ländern des
Dreiverbandes möglich? Pander sieht die Antwort auf diese Frage in der
„Massensuggestion", die von den Regierungen Englands, Frankreichs und Ru߬
lands sowie ihrer Trabanten jahraus jahrein „durch einen nach einem be¬
stimmten Ziele minierenden Preßapparat" hervorgerufen worden ist.

Dieser Preßhetze muß für die Zukunft entgegengearbeitet werden. Für
ein internationales Schiedsgericht hält der Verfasser die Zeit zwar noch nicht
reif. „Wohl aber wäre eine internationale, aus der Gesamtheit der Bevölke¬
rung der europäischen Staaten hervorgehende Instanz denkbar, die sich lediglich
darauf zu beschränken hätte, einer von Seiten einzelner Machthaber ange¬
strebten Massensuggestion entgegenzutreten, welche auf Irreführung der öffent¬
lichen Meinung eines Landes zur Erzeugung von Kriegsstimmung abzielt."

Gewiß „denkbar" ist eine solche Instanz schon, aber an ihrer Verwirk¬
lichung dürfte man doch mancherlei Zweifel haben. Auch der Vorschlag, wie
der Verfasser sich die Ausführung seines Planes denkt, wird auf ungeheure
Schwierigkeiten stoßen, und die in Aussicht genommene Instanz dürfte in der
Stunde der Gefahr nicht die Wacht und den Einfluß haben, um mit Erfolg
gegen etwaige Kriegsgelüste eines Staates einschreiten zu können. Pander ver¬
sieht die Errichtung einer „ständigen internationalen Kommission zur Über¬
wachung der Publizistik der europäischen Nationen", die der bereits vor dem
Kriege vorhanden gewesenen Interparlamentarischen Union angegliedert werden
und etwa 50 Mitglieder zählen soll.

So schön der Gedanke an sich ist, — wie gesagt, wir glauben nicht an
seine Umsetzung in die Tat. Auch können wir der Hoffnung des Verfassers
nicht beipflichten, daß „die ganze politische Moral des Erdteils . . . durch
das fortwirkende Läulerungswerk dieses Völkertribunals Schritt für Schritt auf
eine weit höhere Stufe gehoben" werden würde, „als die politische Praxis
der Staatsmänner des neunzehnten Jahrhunderts und das Rechtsbewußtsein
der damals lebenden Geschlechter der Bevölkerung sie gekannt hatte."
Pander vergißt leider bei seinen Vorschlägen, daß zwischen Theorie und Praxis
ein recht weiter, oft unüberbrückbarer Abstand ist, und daß nicht alles, was
theoretisch möglich und erstrebenswert erscheint, seine Verwirklichung finden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/171>, abgerufen am 01.09.2024.