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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Ariegslitercitnr

führenden wie auch leider besonders auf die Neutralen ein. Die durch England
bewirkte Isolierung Deutschlands haben unsere Gegner voll auszunutzen gewußt
und durch ihr seit Jahren mit großen Mitteln aufgebautes Kabelnetz die Welt
mit ihren Lügennachrichten über Deutschlands Niederlagen und inneren Schwierig¬
keiten, über deutsche Greueltaten und Verbrechen verpestet. Es ist. wie auch
Fischer hervorhebt, nicht zu verwundern, daß die neutralen Länder, die zu
Beginn des Krieges wochenlang, ja Monate hindurch nur auf diese Lügen-
nachrtchten angewiesen waren, diese schließlich für richtig hielten und den spärlich
und sehr viel später eintreffenden deutschen Nachrichten von vornherein kein
Gehör noch Glauben schenkten. Welch Schaden uns dadurch entstanden ist und
vielleicht noch entstehen wird, ist kaum abzumessen, denn es wird schwerfallen,
die Lügen auszurotten, die sich leider allzu tief in den Herzen sehr vieler
Neutraler eingenistet haben. In voller Erkenntnis dieses Übelstandes verlangt
Fischer, daß wir beim Friedensschluß auf dem Gebiete des internationalen
Nachrichtenverkehrs vor allem zwei Ziele im Ange behalten müssen: "Die
Durchbrechung des englischen Kabelmonopols und die Erreichung eines wirk-
sameren völkerrechtlichen Schutzes für diesen Verkehr."

Dieselben Friedensbedingungen für die Presse stellt der Auslandsredakteur
der "Vossischen Zeitung", Rudolf Rothen, in einer Broschüre, die er im
Verlage von Puttkammer L Mühlbrecht veröffentlicht, und der er das Losungs¬
wort gegeben hat: "Los von Reuter und Havas!" Nach Rothen stellt
fest, daß eine Neuordnung unseres Nachnchtenverkehrs mit dem Auslande nach
den "nach vielen Seiten höchst unerfreulichen Erscheinungen eine unabweisbare
Forderung geworden" ist. Einen großen Teil seiner Schrift bildet die
Wiedergabe von Klagen über die Mängel unseres Nachrichtendienstes. Der
Verfasser gibt jedoch als Mann der Praxis auch Vorschläge, wie diese Mängel
Zu beheben sind. Vor allem fordert er ein großes deutsches Nachrichtenbüro,
dessen Gründungs- und Betriebskapital er schätzungsweise auf 5 Millionen Mark
berechnet und das durch diese Mittel in den Stand gesetzt werden würde, uns
unabhängig zu machen von Reuter und Havas. Dieses neue Nachrichtenbüro
müsse "in engem, vertrauensvollen Einvernehmen mit der Negierung, aber
unabhängig von ihr" arbeiten. Erforderlich für einen guten Nachrichtenverkehr
ist ein Stab gut vo> gebildeter, mit den nötigen Geldmitteln versehener
Berichterstatter im Auslande der in enger Fühlung steht zu den diplomatischen
und konsularischen Vertretungen seines Landes.

Auch der bekannte Leipzigs Nationalökonom Karl Bücher tritt in einer
Broschüre "Unsere Sache und die Tagespresse" (Verlag von I. C, B.
Mohr) für eine stärkere Berücksichtigung der Presse ein. Im zweiten Teile
dieser Schrift, der den Titel "Krieg und Presse" trägt, gibt Bücher eine kurze
Übersicht über die Entwicklung der Presse und zeigt, daß schon seit dem
16. Jahrhundert neben dem Kriege mit den Waffen stets "ein Krieg mit
Druckerschwärze" geführt worden ist, der seine höchste Vervollkommnung jedoch


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führenden wie auch leider besonders auf die Neutralen ein. Die durch England
bewirkte Isolierung Deutschlands haben unsere Gegner voll auszunutzen gewußt
und durch ihr seit Jahren mit großen Mitteln aufgebautes Kabelnetz die Welt
mit ihren Lügennachrichten über Deutschlands Niederlagen und inneren Schwierig¬
keiten, über deutsche Greueltaten und Verbrechen verpestet. Es ist. wie auch
Fischer hervorhebt, nicht zu verwundern, daß die neutralen Länder, die zu
Beginn des Krieges wochenlang, ja Monate hindurch nur auf diese Lügen-
nachrtchten angewiesen waren, diese schließlich für richtig hielten und den spärlich
und sehr viel später eintreffenden deutschen Nachrichten von vornherein kein
Gehör noch Glauben schenkten. Welch Schaden uns dadurch entstanden ist und
vielleicht noch entstehen wird, ist kaum abzumessen, denn es wird schwerfallen,
die Lügen auszurotten, die sich leider allzu tief in den Herzen sehr vieler
Neutraler eingenistet haben. In voller Erkenntnis dieses Übelstandes verlangt
Fischer, daß wir beim Friedensschluß auf dem Gebiete des internationalen
Nachrichtenverkehrs vor allem zwei Ziele im Ange behalten müssen: „Die
Durchbrechung des englischen Kabelmonopols und die Erreichung eines wirk-
sameren völkerrechtlichen Schutzes für diesen Verkehr."

Dieselben Friedensbedingungen für die Presse stellt der Auslandsredakteur
der „Vossischen Zeitung", Rudolf Rothen, in einer Broschüre, die er im
Verlage von Puttkammer L Mühlbrecht veröffentlicht, und der er das Losungs¬
wort gegeben hat: „Los von Reuter und Havas!" Nach Rothen stellt
fest, daß eine Neuordnung unseres Nachnchtenverkehrs mit dem Auslande nach
den „nach vielen Seiten höchst unerfreulichen Erscheinungen eine unabweisbare
Forderung geworden" ist. Einen großen Teil seiner Schrift bildet die
Wiedergabe von Klagen über die Mängel unseres Nachrichtendienstes. Der
Verfasser gibt jedoch als Mann der Praxis auch Vorschläge, wie diese Mängel
Zu beheben sind. Vor allem fordert er ein großes deutsches Nachrichtenbüro,
dessen Gründungs- und Betriebskapital er schätzungsweise auf 5 Millionen Mark
berechnet und das durch diese Mittel in den Stand gesetzt werden würde, uns
unabhängig zu machen von Reuter und Havas. Dieses neue Nachrichtenbüro
müsse „in engem, vertrauensvollen Einvernehmen mit der Negierung, aber
unabhängig von ihr" arbeiten. Erforderlich für einen guten Nachrichtenverkehr
ist ein Stab gut vo> gebildeter, mit den nötigen Geldmitteln versehener
Berichterstatter im Auslande der in enger Fühlung steht zu den diplomatischen
und konsularischen Vertretungen seines Landes.

Auch der bekannte Leipzigs Nationalökonom Karl Bücher tritt in einer
Broschüre „Unsere Sache und die Tagespresse" (Verlag von I. C, B.
Mohr) für eine stärkere Berücksichtigung der Presse ein. Im zweiten Teile
dieser Schrift, der den Titel „Krieg und Presse" trägt, gibt Bücher eine kurze
Übersicht über die Entwicklung der Presse und zeigt, daß schon seit dem
16. Jahrhundert neben dem Kriege mit den Waffen stets „ein Krieg mit
Druckerschwärze" geführt worden ist, der seine höchste Vervollkommnung jedoch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/169>, abgerufen am 23.12.2024.