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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Treitschke in englischer Beleuchtung

Verfassers). 2. Verherrlichung Deutschlands. 3. Verunglimpfung Englands.
4. Lobpreis des Kriegsgottes. 5. Reichsvergrößerung und Sittengesetz. 6. Die
deutsche "Kultur". 7. Die Wirkung des Giftes.

Wir können sie nicht alle, geschweige denn alle in gleicher Ausführlichkeit
hier durchsprechen, auch nicht alle einzelnen Irrtümer berichtigen, die sich allent¬
halben verstreut finden, noch endlich es unternehmen, die besonderen Ansichten
des Verfassers, die alle Kennzeichen echt englischer Verständnislosigkeit für alles
Nicht-Englische tragen, zu widerlegen.*) Wir wollen nur die Hauptpunkte der
fünf mittleren Kapitel kritisch betrachten.

a) Daß eines davon über "Verunglimpfung Englands" handeln kann,
sollte man nach der Lektüre der am Eingang dieses Aufsatzes erwähnten Studie
nicht für möglich halten. Nicht als ob Treitschke nicht über England auch
manches sehr scharfe Urteil gefällt hätte,' aber mit absoluter Deutlichkeit erhellt
aus Cornicelius' streng objektiver, quellenmäßiger Untersuchung, wie gründlich
er sich immer aufs neue in englische Verhältnisse versenkte, wie ernst er um
eine gerechte Würdigung englischer Volksart und Einrichtungen gerungen hat, wie
widerwillig und ungern er tadelte und verurteilte. So warm und herzlich war
bisweilen seine Anerkennung, daß man allerdings das Recht hat, von unver¬
hohlener Bewunderung zu sprechen und Me Cabes Behauptung "He riever
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(S. 108) als unwahr zu bezeichnen. Und selbst wo Treitschke mit der Gegen¬
wartspolitik Englands nicht zufrieden ist, erinnert er dies Volk und Land an
die Größe seiner Geschichte mit Worten, wie sie wärmer auch ein Brite nicht
hätte wählen können.**)

Erst das Verhalten Englands während des siebziger Krieges hat ihn zum
ersten Male zu einem scharfen Angriff veranlaßt; aber auch später hat er, weit
entfernt, irgendwann und -wo Gehässigkeit gegen England zu predigen, viel¬
mehr der Herbeiführung eines freundschaftlichen Verständnisses zwischen beiden
Völkern wiederholt das Wort geredet. Andererseits enthält die "Deutsche
Geschichte im neunzehnten Jahrhundert", wie Cornicelius im einzelnen nach¬
weist, eine große Reihe scharf abfälliger Urteile über die englische Politik des
gleichen Zeitraums, die McCabe willkommenes Material hätten bieten können;




*) Am allerwenigsten denken wir daran, die frechen Verleumdungen unserer Krieg¬
führung in Belgien (persistent war upon civilians, nornble outraZes committeä in elle
kirst molten ok me war 07 the Qerman solcliers usw.) zu widerlegen. Dies ist längst
von deutschen und neutralen Zeugen in absolut einwandfreier Weise geschehen. Aber es
gehört zum System der englischen Preßmeute, über Wahrheiten, die ihr nicht Passen, einfach
zur Tagesordnung überzugehen.
**> Ich meine jene von Cornicelius a. a> O> Sy. 83 angegebene Stelle: "Wir meinten,
die großen Erinnerungen einer glorreichen Geschichte, die Weisheit eines staatskundigen Adels,
der Rechtssinn eines freien Volkes würden einen Damm bilden" usw.
Treitschke in englischer Beleuchtung

Verfassers). 2. Verherrlichung Deutschlands. 3. Verunglimpfung Englands.
4. Lobpreis des Kriegsgottes. 5. Reichsvergrößerung und Sittengesetz. 6. Die
deutsche „Kultur". 7. Die Wirkung des Giftes.

Wir können sie nicht alle, geschweige denn alle in gleicher Ausführlichkeit
hier durchsprechen, auch nicht alle einzelnen Irrtümer berichtigen, die sich allent¬
halben verstreut finden, noch endlich es unternehmen, die besonderen Ansichten
des Verfassers, die alle Kennzeichen echt englischer Verständnislosigkeit für alles
Nicht-Englische tragen, zu widerlegen.*) Wir wollen nur die Hauptpunkte der
fünf mittleren Kapitel kritisch betrachten.

a) Daß eines davon über „Verunglimpfung Englands" handeln kann,
sollte man nach der Lektüre der am Eingang dieses Aufsatzes erwähnten Studie
nicht für möglich halten. Nicht als ob Treitschke nicht über England auch
manches sehr scharfe Urteil gefällt hätte,' aber mit absoluter Deutlichkeit erhellt
aus Cornicelius' streng objektiver, quellenmäßiger Untersuchung, wie gründlich
er sich immer aufs neue in englische Verhältnisse versenkte, wie ernst er um
eine gerechte Würdigung englischer Volksart und Einrichtungen gerungen hat, wie
widerwillig und ungern er tadelte und verurteilte. So warm und herzlich war
bisweilen seine Anerkennung, daß man allerdings das Recht hat, von unver¬
hohlener Bewunderung zu sprechen und Me Cabes Behauptung „He riever
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(S. 108) als unwahr zu bezeichnen. Und selbst wo Treitschke mit der Gegen¬
wartspolitik Englands nicht zufrieden ist, erinnert er dies Volk und Land an
die Größe seiner Geschichte mit Worten, wie sie wärmer auch ein Brite nicht
hätte wählen können.**)

Erst das Verhalten Englands während des siebziger Krieges hat ihn zum
ersten Male zu einem scharfen Angriff veranlaßt; aber auch später hat er, weit
entfernt, irgendwann und -wo Gehässigkeit gegen England zu predigen, viel¬
mehr der Herbeiführung eines freundschaftlichen Verständnisses zwischen beiden
Völkern wiederholt das Wort geredet. Andererseits enthält die „Deutsche
Geschichte im neunzehnten Jahrhundert", wie Cornicelius im einzelnen nach¬
weist, eine große Reihe scharf abfälliger Urteile über die englische Politik des
gleichen Zeitraums, die McCabe willkommenes Material hätten bieten können;




*) Am allerwenigsten denken wir daran, die frechen Verleumdungen unserer Krieg¬
führung in Belgien (persistent war upon civilians, nornble outraZes committeä in elle
kirst molten ok me war 07 the Qerman solcliers usw.) zu widerlegen. Dies ist längst
von deutschen und neutralen Zeugen in absolut einwandfreier Weise geschehen. Aber es
gehört zum System der englischen Preßmeute, über Wahrheiten, die ihr nicht Passen, einfach
zur Tagesordnung überzugehen.
**> Ich meine jene von Cornicelius a. a> O> Sy. 83 angegebene Stelle: „Wir meinten,
die großen Erinnerungen einer glorreichen Geschichte, die Weisheit eines staatskundigen Adels,
der Rechtssinn eines freien Volkes würden einen Damm bilden" usw.
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[0152] Treitschke in englischer Beleuchtung Verfassers). 2. Verherrlichung Deutschlands. 3. Verunglimpfung Englands. 4. Lobpreis des Kriegsgottes. 5. Reichsvergrößerung und Sittengesetz. 6. Die deutsche „Kultur". 7. Die Wirkung des Giftes. Wir können sie nicht alle, geschweige denn alle in gleicher Ausführlichkeit hier durchsprechen, auch nicht alle einzelnen Irrtümer berichtigen, die sich allent¬ halben verstreut finden, noch endlich es unternehmen, die besonderen Ansichten des Verfassers, die alle Kennzeichen echt englischer Verständnislosigkeit für alles Nicht-Englische tragen, zu widerlegen.*) Wir wollen nur die Hauptpunkte der fünf mittleren Kapitel kritisch betrachten. a) Daß eines davon über „Verunglimpfung Englands" handeln kann, sollte man nach der Lektüre der am Eingang dieses Aufsatzes erwähnten Studie nicht für möglich halten. Nicht als ob Treitschke nicht über England auch manches sehr scharfe Urteil gefällt hätte,' aber mit absoluter Deutlichkeit erhellt aus Cornicelius' streng objektiver, quellenmäßiger Untersuchung, wie gründlich er sich immer aufs neue in englische Verhältnisse versenkte, wie ernst er um eine gerechte Würdigung englischer Volksart und Einrichtungen gerungen hat, wie widerwillig und ungern er tadelte und verurteilte. So warm und herzlich war bisweilen seine Anerkennung, daß man allerdings das Recht hat, von unver¬ hohlener Bewunderung zu sprechen und Me Cabes Behauptung „He riever xvriteZ will admiration, but elle laces ars too 8tronZ OLcasiciNÄl!^ lor Kis prsjuäiLe, auel Ke cioeZ justics to a tho ok tlo keatureZ ok LnZll8k Ule" (S. 108) als unwahr zu bezeichnen. Und selbst wo Treitschke mit der Gegen¬ wartspolitik Englands nicht zufrieden ist, erinnert er dies Volk und Land an die Größe seiner Geschichte mit Worten, wie sie wärmer auch ein Brite nicht hätte wählen können.**) Erst das Verhalten Englands während des siebziger Krieges hat ihn zum ersten Male zu einem scharfen Angriff veranlaßt; aber auch später hat er, weit entfernt, irgendwann und -wo Gehässigkeit gegen England zu predigen, viel¬ mehr der Herbeiführung eines freundschaftlichen Verständnisses zwischen beiden Völkern wiederholt das Wort geredet. Andererseits enthält die „Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert", wie Cornicelius im einzelnen nach¬ weist, eine große Reihe scharf abfälliger Urteile über die englische Politik des gleichen Zeitraums, die McCabe willkommenes Material hätten bieten können; *) Am allerwenigsten denken wir daran, die frechen Verleumdungen unserer Krieg¬ führung in Belgien (persistent war upon civilians, nornble outraZes committeä in elle kirst molten ok me war 07 the Qerman solcliers usw.) zu widerlegen. Dies ist längst von deutschen und neutralen Zeugen in absolut einwandfreier Weise geschehen. Aber es gehört zum System der englischen Preßmeute, über Wahrheiten, die ihr nicht Passen, einfach zur Tagesordnung überzugehen. **> Ich meine jene von Cornicelius a. a> O> Sy. 83 angegebene Stelle: „Wir meinten, die großen Erinnerungen einer glorreichen Geschichte, die Weisheit eines staatskundigen Adels, der Rechtssinn eines freien Volkes würden einen Damm bilden" usw.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/152>, abgerufen am 01.09.2024.