Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.Treitschke in englischer Leleuchtmig das Frankfurter Parlament in das Jahr 1852. S. 186 wird der bekannte Treitschke in englischer Leleuchtmig das Frankfurter Parlament in das Jahr 1852. S. 186 wird der bekannte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0147" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330247"/> <fw type="header" place="top"> Treitschke in englischer Leleuchtmig</fw><lb/> <p xml:id="ID_514" prev="#ID_513"> das Frankfurter Parlament in das Jahr 1852. S. 186 wird der bekannte<lb/> Renaissancepapst als Leo der Dreizehnte bezeichnet; S. 33: Österreich und Preußen<lb/> beendeten den dänischen Konflikt in der der echt deutschen Art, daß sie Däne¬<lb/> mark zerschmetterten (erusn) und „sich seine Provinzen aneigneten"; er weiß<lb/> nicht — wie übrigens alle Engländer — daß Holstein stets auch ganz offiziell<lb/> und staatsrechtlich zu Deutschland gehört hatte, und auch Schleswig nie eine<lb/> „Dänische Provinz" gewesen war, ja daß gerade dies einzige, es zur Provinz<lb/> zu machen, die Großmächte dem dänischen König verboten hatten. S. 152: Goethe<lb/> verachtete Preußen aufs tiefste, und liebte den süddeutschen Staat Gotha (II).<lb/> S. 265 ff. wird Eucken zum Führer der mystisch-religiösen Schule in Deutschland,<lb/> der Chemiker Ostwald zum Physiker gemacht, Sybel und Droysen als „jüngere"<lb/> Geschichtsschreiber, die Treitschkes Werk fortsetzen, bezeichnet. Bei diesen Kennt¬<lb/> nissen in der Wissenschaftsgeschichte ist es nicht zu verwundern, daß McCabe<lb/> Schopenhauers Willenslehre nennt a purely aLÄäemie tkeor^, >vniLN is almost<lb/> entirel)? al3erecliieä in pliilosopdy to - äay (S. 270), also nicht weiß, daß<lb/> kein Geringerer als Wilhelm Wundt, der große Voluntarist der Gegenwart,<lb/> sie in modernerer Form erneuert hat. Entschieden unrichtige Vorstellungen hat<lb/> McCabe vor allem auch von Treitschkes Stellung und Einfluß. Immer<lb/> wieder nennt er ihn den offiziellen Historiker Preußens und kann nicht oft<lb/> genug betonen, welche Bedeutung das Wort eines Mannes in solcher Stellung<lb/> haben mußte. Nun ist es richtig, daß Treitschke 1886 als Nachfolger Rankes<lb/> zum „Historiographen des preußischen Staates" ernannt worden ist; sowenig<lb/> diese Würde aber Ranke gehindert hat, der anerkannt objektivste Geschichts¬<lb/> schreiber aller Zeiten zu sein, von dessen 54 Bänden gerade vier der preußischen<lb/> Geschichte gewidmet sind, sowenig bedeutete sie für Treitschke eine Verpflichtung<lb/> zu einer bestimmten Parteinahme. Gewiß war Treitschke ein Apostel des<lb/> Preußentums und um deswillen 1874 nach Berlin berufen worden, aber<lb/> damit war selbstverständlich kein Auftrag verbunden, Geschichte in offiziell<lb/> preußischem Sinne vorzutragen. Schon der Gedanke eines solchen Auftrags<lb/> erscheint uns Deutschen absurd. Auch seine Geschichtsschreibung war in keiner<lb/> Beziehung von der Regierung veranlaßt oder beeinflußt, wie es etwa die<lb/> Sybels war, als er die Begründung des Deutschen Reichs durch Wilhelm den<lb/> Ersten schrieb; daß sie sehr einseitig preußisch orientiert war — was ihm den<lb/> scharfen Angriff des ehemaligen Freundes Hermann Baumgarten eintrug —<lb/> beruhte ausschließlich auf seinen persönlichen, politischen Überzeugungen. Wäre<lb/> übrigens in Deutschland ein Professor denkbar, der sich dazu hergäbe, Geschichte<lb/> in einem von der Negierung gewünschten Sinne vorzutragen, so würde die<lb/> Wirkung natürlich die gerade entgegengesetzte sein: seine Kollegen würden ihn<lb/> nicht für voll ansehen und die Studenten ihn geringschützen. Das bisweilen<lb/> kaum erträgliche Übermaß von Subjektivität in Treitschkes Lehre und Geschichts ¬<lb/> Schreibung wurde eben nur deshalb ertragen, weil man wußte, daß es der<lb/> ganz echte Ausdruck seiner leidenschaftlichen Persönlichkeit war.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0147]
Treitschke in englischer Leleuchtmig
das Frankfurter Parlament in das Jahr 1852. S. 186 wird der bekannte
Renaissancepapst als Leo der Dreizehnte bezeichnet; S. 33: Österreich und Preußen
beendeten den dänischen Konflikt in der der echt deutschen Art, daß sie Däne¬
mark zerschmetterten (erusn) und „sich seine Provinzen aneigneten"; er weiß
nicht — wie übrigens alle Engländer — daß Holstein stets auch ganz offiziell
und staatsrechtlich zu Deutschland gehört hatte, und auch Schleswig nie eine
„Dänische Provinz" gewesen war, ja daß gerade dies einzige, es zur Provinz
zu machen, die Großmächte dem dänischen König verboten hatten. S. 152: Goethe
verachtete Preußen aufs tiefste, und liebte den süddeutschen Staat Gotha (II).
S. 265 ff. wird Eucken zum Führer der mystisch-religiösen Schule in Deutschland,
der Chemiker Ostwald zum Physiker gemacht, Sybel und Droysen als „jüngere"
Geschichtsschreiber, die Treitschkes Werk fortsetzen, bezeichnet. Bei diesen Kennt¬
nissen in der Wissenschaftsgeschichte ist es nicht zu verwundern, daß McCabe
Schopenhauers Willenslehre nennt a purely aLÄäemie tkeor^, >vniLN is almost
entirel)? al3erecliieä in pliilosopdy to - äay (S. 270), also nicht weiß, daß
kein Geringerer als Wilhelm Wundt, der große Voluntarist der Gegenwart,
sie in modernerer Form erneuert hat. Entschieden unrichtige Vorstellungen hat
McCabe vor allem auch von Treitschkes Stellung und Einfluß. Immer
wieder nennt er ihn den offiziellen Historiker Preußens und kann nicht oft
genug betonen, welche Bedeutung das Wort eines Mannes in solcher Stellung
haben mußte. Nun ist es richtig, daß Treitschke 1886 als Nachfolger Rankes
zum „Historiographen des preußischen Staates" ernannt worden ist; sowenig
diese Würde aber Ranke gehindert hat, der anerkannt objektivste Geschichts¬
schreiber aller Zeiten zu sein, von dessen 54 Bänden gerade vier der preußischen
Geschichte gewidmet sind, sowenig bedeutete sie für Treitschke eine Verpflichtung
zu einer bestimmten Parteinahme. Gewiß war Treitschke ein Apostel des
Preußentums und um deswillen 1874 nach Berlin berufen worden, aber
damit war selbstverständlich kein Auftrag verbunden, Geschichte in offiziell
preußischem Sinne vorzutragen. Schon der Gedanke eines solchen Auftrags
erscheint uns Deutschen absurd. Auch seine Geschichtsschreibung war in keiner
Beziehung von der Regierung veranlaßt oder beeinflußt, wie es etwa die
Sybels war, als er die Begründung des Deutschen Reichs durch Wilhelm den
Ersten schrieb; daß sie sehr einseitig preußisch orientiert war — was ihm den
scharfen Angriff des ehemaligen Freundes Hermann Baumgarten eintrug —
beruhte ausschließlich auf seinen persönlichen, politischen Überzeugungen. Wäre
übrigens in Deutschland ein Professor denkbar, der sich dazu hergäbe, Geschichte
in einem von der Negierung gewünschten Sinne vorzutragen, so würde die
Wirkung natürlich die gerade entgegengesetzte sein: seine Kollegen würden ihn
nicht für voll ansehen und die Studenten ihn geringschützen. Das bisweilen
kaum erträgliche Übermaß von Subjektivität in Treitschkes Lehre und Geschichts ¬
Schreibung wurde eben nur deshalb ertragen, weil man wußte, daß es der
ganz echte Ausdruck seiner leidenschaftlichen Persönlichkeit war.
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