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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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<Kilt Besuch auf den: Lande

weil wir keine Karte haben, und auf dem Lande gibts keine Fleischer. Da
werden wir einen Kommunalfleischer oder vielleicht eine Kommunalamazone an¬
stellen müssen, die uns auch das besorgt. Sehen Sie, auch wir machen Fort¬
schritte nach dem Kommunismus hin.

Kommen Sie mit in die Mühle auf einen Augenblick? Muß mit demi
alten erfahrenen Müllermeister ein Wort sprechen, -- er mahlt den Selbst¬
versorgern das Mehl und das Mühlchen, das sauber und fein mit den neuesten
Mahlgängen eingerichtet ist, wirft ein gutes Erträgnis ab. Hat jetzt mit der
hohen Polizei zu tun, wie übrigens sehr viele andere. --

Wir treten in die blitzblanke Mühle.

-- Meister, ich muß Ihren sachverständigen Rat einholen. Ich säe in
diesem Jahre seit 35 Jahren zum erstenmal wieder Leinsaat. Wieviel
Saat rechnet man aus den Morgen? Gibt es im Dorfe unter den alten
Leuten noch jemand, der Leinsaat säen kann? Unser jetziges Geschlecht, das
nur die Maschine kennt, hat ja kaum mehr gelernt, Getreide zu säen. Und
jetzt müssen wir den großen Schritt in die Vergangenheit zurückmachen, was
Rußland uns geliefert hat, selbst herstellen. Da müssen auch die alten Methoden
wieder ausgekramt werden. --

-- 25 Pfund auf den Morgen wird genügen. Der alte wendische Kral'
wird Ihnen den Gefallen schon einmal tun, die Aussaat zu übernehmen und
den Jungen zeigen, wie man es macht. Da werden aber Ihre Weiber zu jäten
haben! Bei mir war heute der Gendarm. Das verd.....Pack von
Fleischer wollte mich reinlegen. Von diesem Hinterkorn hier -- ich habe mir
eine Probe aufgehoben -- habe ich meinem Schweinchen zu fressen gegeben.
Da kann mir niemand an den Kragen. Ich verkaufe dem Kerl ein fettes
Schwein. Nach 4 Wochen kommt er zu mir und sagt: Sie müssen mir jetzt
Ihre anderen Schweine auch verkaufen. Ich erwiderte: Kein Mensch muß
müssen, ich auch nicht. -- Dann zeige ich Sie an, wir haben im Magen Ihres
ersten Schweines Korn gefunden. Nun, dann kam die Anzeige und der Gendarm.
Wenn mein Sohn nur hier wäre, so muß ich alter Kerl alles selbst ausbaden.

-- Nun, Meister, seien Sie ruhig. Der Richter wird die Erpressungs¬
manöver des Fleischers richtig einschätzen. Ihre Mühle ist ja ein Schmuck¬
kästchen. Wie kann der Sohn sich einmal freuen. --

-- Ja, -- wenn er nur zurückkommt. Er schreibt uns so treu. Ist ja unser
einziger. --

Wir verlassen die Mühle, deren Rad mit seinem plätschernden Gange gut
in die Frühlingsstimmung hineinpaßt, und gehen durch den Wald nach Hause.

-- So sind die Bauern -- belehrt mich mein freundlicher Wirt. -- Wenn der¬
selbe Fleischer nach ein paar Monaten zu demselben Müller kommt, verkauft er ihm
doch sein Schwein. In jedem anderen Berufe wäre ein solcher Mann längst
boukottiert und unmöglich. Der Bauer hat keine Organisation und ist ein gut¬
mütiges Schaf.


<Kilt Besuch auf den: Lande

weil wir keine Karte haben, und auf dem Lande gibts keine Fleischer. Da
werden wir einen Kommunalfleischer oder vielleicht eine Kommunalamazone an¬
stellen müssen, die uns auch das besorgt. Sehen Sie, auch wir machen Fort¬
schritte nach dem Kommunismus hin.

Kommen Sie mit in die Mühle auf einen Augenblick? Muß mit demi
alten erfahrenen Müllermeister ein Wort sprechen, — er mahlt den Selbst¬
versorgern das Mehl und das Mühlchen, das sauber und fein mit den neuesten
Mahlgängen eingerichtet ist, wirft ein gutes Erträgnis ab. Hat jetzt mit der
hohen Polizei zu tun, wie übrigens sehr viele andere. —

Wir treten in die blitzblanke Mühle.

— Meister, ich muß Ihren sachverständigen Rat einholen. Ich säe in
diesem Jahre seit 35 Jahren zum erstenmal wieder Leinsaat. Wieviel
Saat rechnet man aus den Morgen? Gibt es im Dorfe unter den alten
Leuten noch jemand, der Leinsaat säen kann? Unser jetziges Geschlecht, das
nur die Maschine kennt, hat ja kaum mehr gelernt, Getreide zu säen. Und
jetzt müssen wir den großen Schritt in die Vergangenheit zurückmachen, was
Rußland uns geliefert hat, selbst herstellen. Da müssen auch die alten Methoden
wieder ausgekramt werden. —

— 25 Pfund auf den Morgen wird genügen. Der alte wendische Kral'
wird Ihnen den Gefallen schon einmal tun, die Aussaat zu übernehmen und
den Jungen zeigen, wie man es macht. Da werden aber Ihre Weiber zu jäten
haben! Bei mir war heute der Gendarm. Das verd.....Pack von
Fleischer wollte mich reinlegen. Von diesem Hinterkorn hier — ich habe mir
eine Probe aufgehoben — habe ich meinem Schweinchen zu fressen gegeben.
Da kann mir niemand an den Kragen. Ich verkaufe dem Kerl ein fettes
Schwein. Nach 4 Wochen kommt er zu mir und sagt: Sie müssen mir jetzt
Ihre anderen Schweine auch verkaufen. Ich erwiderte: Kein Mensch muß
müssen, ich auch nicht. — Dann zeige ich Sie an, wir haben im Magen Ihres
ersten Schweines Korn gefunden. Nun, dann kam die Anzeige und der Gendarm.
Wenn mein Sohn nur hier wäre, so muß ich alter Kerl alles selbst ausbaden.

— Nun, Meister, seien Sie ruhig. Der Richter wird die Erpressungs¬
manöver des Fleischers richtig einschätzen. Ihre Mühle ist ja ein Schmuck¬
kästchen. Wie kann der Sohn sich einmal freuen. —

— Ja, — wenn er nur zurückkommt. Er schreibt uns so treu. Ist ja unser
einziger. —

Wir verlassen die Mühle, deren Rad mit seinem plätschernden Gange gut
in die Frühlingsstimmung hineinpaßt, und gehen durch den Wald nach Hause.

— So sind die Bauern — belehrt mich mein freundlicher Wirt. — Wenn der¬
selbe Fleischer nach ein paar Monaten zu demselben Müller kommt, verkauft er ihm
doch sein Schwein. In jedem anderen Berufe wäre ein solcher Mann längst
boukottiert und unmöglich. Der Bauer hat keine Organisation und ist ein gut¬
mütiges Schaf.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/136>, abgerufen am 01.09.2024.