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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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vor den Trümpfen, die er in der Hand hat, erfüllt. Denn es war eben sehr
geschickt, daß er gesprochen! hat, wo er nicht zu sprechen brauchte. Na, Schluß
mit dieser Sache -- und mit diesen langen, allzulanger Ausführungen.

Sie sehen eben, wir müssen alles doppelt, dreifach durchkauen, damit
wir es ganz verstehen, dann sitzt es. Das Ergebnis dieser Gedankenarbeit ist
Wachsen der Stellung des Kanzlers im Lande. Darüber besteht kein Zweifel.
Und das ist gut so -- auch für die Wirkung nach außen.

Aber nun genug von der hohen Politik. Die Leute bei uns, alte Weiber
und die Greise der Dörfer wissen ja viel besser, was wird. Die Friedenseichen
blühen nämlich in diesem Frühjahr -- und zwar dieselben Bäume, die 1871
geblüht haben. Daraus werden dann natürlich die obligaten Schlüsse gezogen.
Passen Sie mal auf. Auch Sie werden herhalten müssen, um nachher als
Orakel verwertet zu werden.

-- Nun, wir Berliner wissen ja genau soviel wie Sie hier draußen --
nämlich das, was in den Zeitungen steht, und Ihre alten Weiber ersetzt bei
uns die Börse. Aber was haben Sie auf Ihrem Frühstückstisch für herrliche
Butter -- eine Delikatesse bei uns, obwohl es recht gut geht mit dem Butterkarten¬
system. Man kriegt doch wenigstens etwas. Früher hatten es nur die Hamster
und die, die dem Butterfräulein eine seidene Bluse schenkten. Wie steht es mit
der Milch und den Felder?

-- Wird wohl besser werden, wenn das Grünfutter kommt. Nur hackt
nicht zu sehr auf uns Landwirte los. Wir tun, was wir können. Sehen Sie,
früher habe ich mein amerikanisches Fett und Leinöl gehabt. Das ist vorbei.
Jetzt muß ich mit dem bißchen Butter, was mir meine Molkerei gibt, mich,
mein ganzes Haus, meine zehn unverheirateten Kutscher -- wenn ich dieses
Kroppzeug Kutscher nennen kann -- bei guter Laune erhalten. Das ist nicht
leicht. Ich muß natürlich das Fett, das ich von den Hausschlachtungen habe, mit
zu Hilfe nehmen. Aber ich komme schlecht und recht durch -- so wie wir alle
schlecht und recht durchkommen werden. Es ist knapp, aber es geht. schimpft
nicht zuviel auf die Hausschlachtungen, die wir machen mußten. Jetzt ist es ja
vorbei damit -- und auch das ist gut. Jedenfalls sind wir durch den Winter
gekommen.

Mit Eurer Behördenorganisation da in der Großstadt klappt doch so
manches nicht. Humor muß man dabei behalten, sonst geht einem die Galle
über. Jetzt also sind die Hausschlachtungen verboten. Die Kälber werden
geschont. Die Herdbuchgesellschaften machen mobil, weil viele der schönsten
Bullen weggeschlachtet sind. Aber habt Ihr denn nicht gesehen, wie ganze
Leiterwagen mit vollbepackten Nindervierteln den Weg in die Konservenfabriken
gewandert sind? Seid Ihr denn alle blind gewesen? Sitzt Ihr nur in Euren
Büros? Könnt Ihr es dem Bauer verdenken, wenn er seinen Bullen verkauft und
das Geld lieber auf die hohe Kante legt, als an die Erhaltung der Nachzucht zu
denken? Ein rechtzeitiger Ukas, daß kein Stück Rind geschlachtet werden darf,


vor den Trümpfen, die er in der Hand hat, erfüllt. Denn es war eben sehr
geschickt, daß er gesprochen! hat, wo er nicht zu sprechen brauchte. Na, Schluß
mit dieser Sache — und mit diesen langen, allzulanger Ausführungen.

Sie sehen eben, wir müssen alles doppelt, dreifach durchkauen, damit
wir es ganz verstehen, dann sitzt es. Das Ergebnis dieser Gedankenarbeit ist
Wachsen der Stellung des Kanzlers im Lande. Darüber besteht kein Zweifel.
Und das ist gut so — auch für die Wirkung nach außen.

Aber nun genug von der hohen Politik. Die Leute bei uns, alte Weiber
und die Greise der Dörfer wissen ja viel besser, was wird. Die Friedenseichen
blühen nämlich in diesem Frühjahr — und zwar dieselben Bäume, die 1871
geblüht haben. Daraus werden dann natürlich die obligaten Schlüsse gezogen.
Passen Sie mal auf. Auch Sie werden herhalten müssen, um nachher als
Orakel verwertet zu werden.

— Nun, wir Berliner wissen ja genau soviel wie Sie hier draußen —
nämlich das, was in den Zeitungen steht, und Ihre alten Weiber ersetzt bei
uns die Börse. Aber was haben Sie auf Ihrem Frühstückstisch für herrliche
Butter — eine Delikatesse bei uns, obwohl es recht gut geht mit dem Butterkarten¬
system. Man kriegt doch wenigstens etwas. Früher hatten es nur die Hamster
und die, die dem Butterfräulein eine seidene Bluse schenkten. Wie steht es mit
der Milch und den Felder?

— Wird wohl besser werden, wenn das Grünfutter kommt. Nur hackt
nicht zu sehr auf uns Landwirte los. Wir tun, was wir können. Sehen Sie,
früher habe ich mein amerikanisches Fett und Leinöl gehabt. Das ist vorbei.
Jetzt muß ich mit dem bißchen Butter, was mir meine Molkerei gibt, mich,
mein ganzes Haus, meine zehn unverheirateten Kutscher — wenn ich dieses
Kroppzeug Kutscher nennen kann — bei guter Laune erhalten. Das ist nicht
leicht. Ich muß natürlich das Fett, das ich von den Hausschlachtungen habe, mit
zu Hilfe nehmen. Aber ich komme schlecht und recht durch — so wie wir alle
schlecht und recht durchkommen werden. Es ist knapp, aber es geht. schimpft
nicht zuviel auf die Hausschlachtungen, die wir machen mußten. Jetzt ist es ja
vorbei damit — und auch das ist gut. Jedenfalls sind wir durch den Winter
gekommen.

Mit Eurer Behördenorganisation da in der Großstadt klappt doch so
manches nicht. Humor muß man dabei behalten, sonst geht einem die Galle
über. Jetzt also sind die Hausschlachtungen verboten. Die Kälber werden
geschont. Die Herdbuchgesellschaften machen mobil, weil viele der schönsten
Bullen weggeschlachtet sind. Aber habt Ihr denn nicht gesehen, wie ganze
Leiterwagen mit vollbepackten Nindervierteln den Weg in die Konservenfabriken
gewandert sind? Seid Ihr denn alle blind gewesen? Sitzt Ihr nur in Euren
Büros? Könnt Ihr es dem Bauer verdenken, wenn er seinen Bullen verkauft und
das Geld lieber auf die hohe Kante legt, als an die Erhaltung der Nachzucht zu
denken? Ein rechtzeitiger Ukas, daß kein Stück Rind geschlachtet werden darf,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/132>, abgerufen am 01.09.2024.