Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Zum Ariegsausbruch
v Muckwar-Stradow on

n der letzten Zeit sind mehrere Publikationen erschienen, die zu dem
Thema des Kriegsausbruches, über das es eine Weile still
gewesen ist, sich äußern und die entweder neue Tatsachen oder
neue Betrachtungen über die bekannten Tatsachen bringen.

Neue Tatsachen hat vor allem die Veröffentlichung der
"Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" vom 26. Februar 1916 zur Dumarede
des russischen Außenministers Ssasonow gebracht. Nach den Aufzeichnungen des
deutschen Botschafters Grafen Pourtalös in Petersburg werden hier die Unter¬
redungen des Grafen mit Ssasonow wiedergegeben, die mit immer steigender
Deutlichkeit darauf hinweisen, daß die russischen militärischen Vorbereitungen,
die nach dem deutschen Weißbuch schon am 26. Juli begonnen haben, zum
Kriege führen und das Vermittlungswerk stören können. Man hat den
Eindruck, daß deutlicher aber auch besonnener nicht gesprochen werden konnte.
Man fühlt in den Unterredungen des Botschafters mit dem russischen Minister
den gradweise, von Tag zu Tag gespannter werdenden Ton der Erörterungen
der europäischen Kabinette, der einen tragischen Akzent erhält, als die russische
Mobilmachung gegen Österreich-Ungarn, und einen hoffnungslosen, als die
Gesäme Mobilmachung des russischen Reiches erfolgt. Trotzdem hat Deutschland
nicht aufgehört, für den Frieden zu arbeiten, selbst als die Lage bereits
hoffnungslos erschien. Dafür legt jenes letzte Gespräch des Grafen Pourtalös
mit dem russischen Zaren Zeugnis ab, das am Morgen nach der russischen
Gesamtmobilmachung in Peterhof stattgefunden hat. Ein Wort von jener Stelle,
und das unendliche Blutvergießen hätte vermieden werden können. Dieses Wort
wurde "aus technischen Gründen" nicht gesprochen, in der Tat deshalb nicht,
weil Rußland vom Beginn der Krise an entschlossen war. jedes Vorgehen
Österreich-Ungarns gegen Serbien als Kriegsfall zu betrachten.


Geboten II t916 1


Zum Ariegsausbruch
v Muckwar-Stradow on

n der letzten Zeit sind mehrere Publikationen erschienen, die zu dem
Thema des Kriegsausbruches, über das es eine Weile still
gewesen ist, sich äußern und die entweder neue Tatsachen oder
neue Betrachtungen über die bekannten Tatsachen bringen.

Neue Tatsachen hat vor allem die Veröffentlichung der
„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" vom 26. Februar 1916 zur Dumarede
des russischen Außenministers Ssasonow gebracht. Nach den Aufzeichnungen des
deutschen Botschafters Grafen Pourtalös in Petersburg werden hier die Unter¬
redungen des Grafen mit Ssasonow wiedergegeben, die mit immer steigender
Deutlichkeit darauf hinweisen, daß die russischen militärischen Vorbereitungen,
die nach dem deutschen Weißbuch schon am 26. Juli begonnen haben, zum
Kriege führen und das Vermittlungswerk stören können. Man hat den
Eindruck, daß deutlicher aber auch besonnener nicht gesprochen werden konnte.
Man fühlt in den Unterredungen des Botschafters mit dem russischen Minister
den gradweise, von Tag zu Tag gespannter werdenden Ton der Erörterungen
der europäischen Kabinette, der einen tragischen Akzent erhält, als die russische
Mobilmachung gegen Österreich-Ungarn, und einen hoffnungslosen, als die
Gesäme Mobilmachung des russischen Reiches erfolgt. Trotzdem hat Deutschland
nicht aufgehört, für den Frieden zu arbeiten, selbst als die Lage bereits
hoffnungslos erschien. Dafür legt jenes letzte Gespräch des Grafen Pourtalös
mit dem russischen Zaren Zeugnis ab, das am Morgen nach der russischen
Gesamtmobilmachung in Peterhof stattgefunden hat. Ein Wort von jener Stelle,
und das unendliche Blutvergießen hätte vermieden werden können. Dieses Wort
wurde „aus technischen Gründen" nicht gesprochen, in der Tat deshalb nicht,
weil Rußland vom Beginn der Krise an entschlossen war. jedes Vorgehen
Österreich-Ungarns gegen Serbien als Kriegsfall zu betrachten.


Geboten II t916 1
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0013" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330113"/>
              <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341903_330101/figures/grenzboten_341903_330101_330113_000.jpg"/><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zum Ariegsausbruch<lb/>
v<note type="byline"> Muckwar-Stradow</note> on </head><lb/>
          <p xml:id="ID_2"> n der letzten Zeit sind mehrere Publikationen erschienen, die zu dem<lb/>
Thema des Kriegsausbruches, über das es eine Weile still<lb/>
gewesen ist, sich äußern und die entweder neue Tatsachen oder<lb/>
neue Betrachtungen über die bekannten Tatsachen bringen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3"> Neue Tatsachen hat vor allem die Veröffentlichung der<lb/>
&#x201E;Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" vom 26. Februar 1916 zur Dumarede<lb/>
des russischen Außenministers Ssasonow gebracht. Nach den Aufzeichnungen des<lb/>
deutschen Botschafters Grafen Pourtalös in Petersburg werden hier die Unter¬<lb/>
redungen des Grafen mit Ssasonow wiedergegeben, die mit immer steigender<lb/>
Deutlichkeit darauf hinweisen, daß die russischen militärischen Vorbereitungen,<lb/>
die nach dem deutschen Weißbuch schon am 26. Juli begonnen haben, zum<lb/>
Kriege führen und das Vermittlungswerk stören können. Man hat den<lb/>
Eindruck, daß deutlicher aber auch besonnener nicht gesprochen werden konnte.<lb/>
Man fühlt in den Unterredungen des Botschafters mit dem russischen Minister<lb/>
den gradweise, von Tag zu Tag gespannter werdenden Ton der Erörterungen<lb/>
der europäischen Kabinette, der einen tragischen Akzent erhält, als die russische<lb/>
Mobilmachung gegen Österreich-Ungarn, und einen hoffnungslosen, als die<lb/>
Gesäme Mobilmachung des russischen Reiches erfolgt. Trotzdem hat Deutschland<lb/>
nicht aufgehört, für den Frieden zu arbeiten, selbst als die Lage bereits<lb/>
hoffnungslos erschien. Dafür legt jenes letzte Gespräch des Grafen Pourtalös<lb/>
mit dem russischen Zaren Zeugnis ab, das am Morgen nach der russischen<lb/>
Gesamtmobilmachung in Peterhof stattgefunden hat. Ein Wort von jener Stelle,<lb/>
und das unendliche Blutvergießen hätte vermieden werden können. Dieses Wort<lb/>
wurde &#x201E;aus technischen Gründen" nicht gesprochen, in der Tat deshalb nicht,<lb/>
weil Rußland vom Beginn der Krise an entschlossen war. jedes Vorgehen<lb/>
Österreich-Ungarns gegen Serbien als Kriegsfall zu betrachten.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Geboten II t916 1</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0013] [Abbildung] Zum Ariegsausbruch v Muckwar-Stradow on n der letzten Zeit sind mehrere Publikationen erschienen, die zu dem Thema des Kriegsausbruches, über das es eine Weile still gewesen ist, sich äußern und die entweder neue Tatsachen oder neue Betrachtungen über die bekannten Tatsachen bringen. Neue Tatsachen hat vor allem die Veröffentlichung der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" vom 26. Februar 1916 zur Dumarede des russischen Außenministers Ssasonow gebracht. Nach den Aufzeichnungen des deutschen Botschafters Grafen Pourtalös in Petersburg werden hier die Unter¬ redungen des Grafen mit Ssasonow wiedergegeben, die mit immer steigender Deutlichkeit darauf hinweisen, daß die russischen militärischen Vorbereitungen, die nach dem deutschen Weißbuch schon am 26. Juli begonnen haben, zum Kriege führen und das Vermittlungswerk stören können. Man hat den Eindruck, daß deutlicher aber auch besonnener nicht gesprochen werden konnte. Man fühlt in den Unterredungen des Botschafters mit dem russischen Minister den gradweise, von Tag zu Tag gespannter werdenden Ton der Erörterungen der europäischen Kabinette, der einen tragischen Akzent erhält, als die russische Mobilmachung gegen Österreich-Ungarn, und einen hoffnungslosen, als die Gesäme Mobilmachung des russischen Reiches erfolgt. Trotzdem hat Deutschland nicht aufgehört, für den Frieden zu arbeiten, selbst als die Lage bereits hoffnungslos erschien. Dafür legt jenes letzte Gespräch des Grafen Pourtalös mit dem russischen Zaren Zeugnis ab, das am Morgen nach der russischen Gesamtmobilmachung in Peterhof stattgefunden hat. Ein Wort von jener Stelle, und das unendliche Blutvergießen hätte vermieden werden können. Dieses Wort wurde „aus technischen Gründen" nicht gesprochen, in der Tat deshalb nicht, weil Rußland vom Beginn der Krise an entschlossen war. jedes Vorgehen Österreich-Ungarns gegen Serbien als Kriegsfall zu betrachten. Geboten II t916 1

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/13
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/13>, abgerufen am 27.07.2024.