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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Albaniens Enttäuschung und Erwartung

geklärten Tosken, die knirschend freilich zunächst die Besetzung Valonas durch
Italien und des übrigen Südens durch Griechenland ertragen mußten, nicht
nur die Nordalbaner, die sich gegen die verhaßten Montenegriner und Serben
wandten, sondern auch die Leute von schlät und Tirana, Elbassen, Kruja und
Kavaja.

So hat sich erwiesen, was Kenner der albanischen Verhältnisse schon seit
vielen Jahren vertreten haben, daß die österreichische, und damit heute die
deutsche Politik für das Adriaproblem im albanischen Volke einen Freund hat,
daß also die Klugheit fordert, die albanisch^nationalen Bestrebungen zu stärken.

In Heft 6 der Österreichischen Rundschau vom Jahre 1908 schreibt ein
hervorragender und äußerst einflußreicher Albaner unter dem Titel "Ziele und
Zukunft der Albanesen": "Was haben die anderen Balkanvölker schon von der
zivilisierten Welt erhalten! Weit mehr, als wir heute verlangen. Verlangen,
ich wiederhole es, aber nur von 'einem Staate, weil dieser uns durch eigene
Interessen verpflichtet, helfen kann, helfen muß! Welche Macht kann hier für
uns Albanesen in Betracht kommen, als Österreich-Ungarn . .." Und später
"die Monarchie soll in der Adria der Erbe Venedigs sein . .. Aber es scheint,
daß man den richtigen Standpunkt noch nicht erkannt hat. . . Noch ist es
nicht zu spät! Ein natürlich offener Weg und gegenseitige Interessen sind es,
die heute noch immer im Westen des Balkan wenigstens das Verlorene leicht
ersetzen lassen. Durch die Mithilfe eines Volkes wird dem Handel- und Unter¬
nehmungsgeist der Monarchie ein weites Feld eröffnet ... der Albanesen,
deren Land heute weder der Kultur noch dem Handel eröffnet ist und die sich
heute nach einem Beschützer umsehen."

Und zuletzt: "Wir sind bereit Opfer zu bringen, die die Integrität unseres
Landes nicht antasten. . . und verlangen nichts anderes, als daß man auch
unsere Existenz als Volk in Betracht zieht... daß man uns die Rechte und
Pflichten vorschreibt, die zu Gluck und Segen führen. Die Form überlassen
wir dem Gutachten der zivilisierten Welt und wir können nur hoffen, daß uns
ein Staat wie Österreich-Ungarn unter seine wohlwollende Vormundschaft nehmen
wird, dadurch wird unsere innere Ruhe und Einigkeit gesichert sein." Diesen
Worten ist auch heute noch kaum eine Silbe beizufügen.

Daß die Stimmung heute unter den Albanern die gleiche ist, wie damals,
haben die Albaner in den Kämpfen gegen Montenegro und die Italiener
bewiesen.

Ohne Zweifel wird diese Stimmung, diese Neigung, dieser gemeinsame
Kampf bei der Neugestaltung der Valkanverhältnisse in Betracht gezogen werden.
Unter welcher Form das geschieht, ist heute noch nicht zu bestimmen. Immerhin
aber ist jetzt der Augenblick, ehe noch endgültige Entscheidungen getroffen wurden,
festzustellen, daß Albanien für seine Freunde nur zum kleinsten Teil aus eigener
Schuld zur Enttäuschung geworden war, sondern deshalb, weil sich mit Italien
der Wolf zum Hüter der Schafherde aufgeworfen hatte und des weiteren, weil


Albaniens Enttäuschung und Erwartung

geklärten Tosken, die knirschend freilich zunächst die Besetzung Valonas durch
Italien und des übrigen Südens durch Griechenland ertragen mußten, nicht
nur die Nordalbaner, die sich gegen die verhaßten Montenegriner und Serben
wandten, sondern auch die Leute von schlät und Tirana, Elbassen, Kruja und
Kavaja.

So hat sich erwiesen, was Kenner der albanischen Verhältnisse schon seit
vielen Jahren vertreten haben, daß die österreichische, und damit heute die
deutsche Politik für das Adriaproblem im albanischen Volke einen Freund hat,
daß also die Klugheit fordert, die albanisch^nationalen Bestrebungen zu stärken.

In Heft 6 der Österreichischen Rundschau vom Jahre 1908 schreibt ein
hervorragender und äußerst einflußreicher Albaner unter dem Titel „Ziele und
Zukunft der Albanesen": „Was haben die anderen Balkanvölker schon von der
zivilisierten Welt erhalten! Weit mehr, als wir heute verlangen. Verlangen,
ich wiederhole es, aber nur von 'einem Staate, weil dieser uns durch eigene
Interessen verpflichtet, helfen kann, helfen muß! Welche Macht kann hier für
uns Albanesen in Betracht kommen, als Österreich-Ungarn . .." Und später
„die Monarchie soll in der Adria der Erbe Venedigs sein . .. Aber es scheint,
daß man den richtigen Standpunkt noch nicht erkannt hat. . . Noch ist es
nicht zu spät! Ein natürlich offener Weg und gegenseitige Interessen sind es,
die heute noch immer im Westen des Balkan wenigstens das Verlorene leicht
ersetzen lassen. Durch die Mithilfe eines Volkes wird dem Handel- und Unter¬
nehmungsgeist der Monarchie ein weites Feld eröffnet ... der Albanesen,
deren Land heute weder der Kultur noch dem Handel eröffnet ist und die sich
heute nach einem Beschützer umsehen."

Und zuletzt: „Wir sind bereit Opfer zu bringen, die die Integrität unseres
Landes nicht antasten. . . und verlangen nichts anderes, als daß man auch
unsere Existenz als Volk in Betracht zieht... daß man uns die Rechte und
Pflichten vorschreibt, die zu Gluck und Segen führen. Die Form überlassen
wir dem Gutachten der zivilisierten Welt und wir können nur hoffen, daß uns
ein Staat wie Österreich-Ungarn unter seine wohlwollende Vormundschaft nehmen
wird, dadurch wird unsere innere Ruhe und Einigkeit gesichert sein." Diesen
Worten ist auch heute noch kaum eine Silbe beizufügen.

Daß die Stimmung heute unter den Albanern die gleiche ist, wie damals,
haben die Albaner in den Kämpfen gegen Montenegro und die Italiener
bewiesen.

Ohne Zweifel wird diese Stimmung, diese Neigung, dieser gemeinsame
Kampf bei der Neugestaltung der Valkanverhältnisse in Betracht gezogen werden.
Unter welcher Form das geschieht, ist heute noch nicht zu bestimmen. Immerhin
aber ist jetzt der Augenblick, ehe noch endgültige Entscheidungen getroffen wurden,
festzustellen, daß Albanien für seine Freunde nur zum kleinsten Teil aus eigener
Schuld zur Enttäuschung geworden war, sondern deshalb, weil sich mit Italien
der Wolf zum Hüter der Schafherde aufgeworfen hatte und des weiteren, weil


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/126>, abgerufen am 23.12.2024.