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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Albaniens Enttäuschung und Erwartung

Mehrere Albaner schätzten die Aufständischen damals schon auf 2000--3000
und rieten dringend von der Expedition ab, auch die noch in Durazzo anwesenden
österreichischen Offiziere, umsomehr als die Aufständischen noch nicht aktiv auf¬
getreten waren und es für den Fürsten verhängnisvoll werden konnte, seine
Untertanen anzugreifen, ehe sie die Waffen gegen ihn erhoben hatten, es daher
persönlicher Überredung noch sehr wohl gelingen konnte, die Irregeleiteter auf
den rechten Weg zurückzubringen.

Trotzdem wurde nachts der Befehl zum Vormarsch gegeben.

schlät wurde ohne Hindernis erreicht, als aber die katholischen Malcoren.
die sich mit den Holländern nur schlecht verständigen konnten, sahen, daß
der Zug noch weiter in eine ihnen völlig fremde Gegend vordringen
sollte, fürchteten sie eine Falle ihrer mohamedanischen Volksgenossen und kehrten
um. Auch jetzt beschlossen die beiden Holländer mit ihrem Trupp von nur
80 bis 100 Mann den weiteren Vormarsch und wurden gleich darauf von
Aufständischen in zehnfacher Übermacht umzingelt. Als die Holländer Feuer
befahlen, entspann sich ein Kampf, in dem die Leute des Fürsten, soweit sie
am Leben blieben, ausnahmslos gefangen genommen wurden. Auf den Lärm
hin war übrigens der Führer der katholischen Malcoren, Simon Doda, zum Trupp
des Fürsten zurückgekehrt, da "er noch nie jemand verlassen hatte, der sich in
Not befand" und fiel so auch in die Hände der Aufständischen.

Die übrigen Malcoren brachten die Nachricht des Mißgeschicks nach Durazzo.
Nun wartete General de Veer nicht, bis er etwa genügend Leute zusammen¬
geschart hatte, sondern sandte unter zwei weiteren Offizieren den Rest der
Gendarmen von Durazzo, etwa 150 Mann, und 30 Freiwillige mit einer
Kanone und zwei Maschinengewehren, um ihre gefangenen Kameraden und die
verlorenen Geschütze herauszuhauen.

Als der Tag anbrach, konnten wir mit dem Scherenfernrohr von der
Terrasse der österreichischen Gesandtschaft beobachten, wie diese Unglücklichen
auf den Höhen hinter der Stadt gegen eine Schwarmlinie von gewiß 1500 Auf¬
ständischen angingen und Trupp für Trupp überwältigt wurden.

Durazzo, auf einem Vorgebirge gebaut, steht bekanntlich mit dem Festland
nur durch eine etwa 10 Meter breite Landenge, über welche die Straße nach
Schia! und Tirana führt, in Verbindung.

Ekrem Bey Vlora hatte am Morgen das Kommando über die Skoda¬
kanonen oben auf der Zitadelle übernommen und bestrick) unaufhörlich diese
schmale Stelle, auf die es zur Verteidigung der Stadt eigentlich allein ankam.

So schlimm also auch beide Expeditionen ausgegangen waren, so bestand
nicht die mindeste Gefahr für die Stadt selbst, solange der Feind nicht bis zur
Landenge oder vielleicht über diese hatte vordringen können. Eine Annäherung
nnter dem Feuer der trefflichen Geschütze wäre aber jedem schlecht be"
kommen.

Trotzdem entstand bald nach Mittag unter den Fremden die wahnsinnigste


Albaniens Enttäuschung und Erwartung

Mehrere Albaner schätzten die Aufständischen damals schon auf 2000—3000
und rieten dringend von der Expedition ab, auch die noch in Durazzo anwesenden
österreichischen Offiziere, umsomehr als die Aufständischen noch nicht aktiv auf¬
getreten waren und es für den Fürsten verhängnisvoll werden konnte, seine
Untertanen anzugreifen, ehe sie die Waffen gegen ihn erhoben hatten, es daher
persönlicher Überredung noch sehr wohl gelingen konnte, die Irregeleiteter auf
den rechten Weg zurückzubringen.

Trotzdem wurde nachts der Befehl zum Vormarsch gegeben.

schlät wurde ohne Hindernis erreicht, als aber die katholischen Malcoren.
die sich mit den Holländern nur schlecht verständigen konnten, sahen, daß
der Zug noch weiter in eine ihnen völlig fremde Gegend vordringen
sollte, fürchteten sie eine Falle ihrer mohamedanischen Volksgenossen und kehrten
um. Auch jetzt beschlossen die beiden Holländer mit ihrem Trupp von nur
80 bis 100 Mann den weiteren Vormarsch und wurden gleich darauf von
Aufständischen in zehnfacher Übermacht umzingelt. Als die Holländer Feuer
befahlen, entspann sich ein Kampf, in dem die Leute des Fürsten, soweit sie
am Leben blieben, ausnahmslos gefangen genommen wurden. Auf den Lärm
hin war übrigens der Führer der katholischen Malcoren, Simon Doda, zum Trupp
des Fürsten zurückgekehrt, da „er noch nie jemand verlassen hatte, der sich in
Not befand" und fiel so auch in die Hände der Aufständischen.

Die übrigen Malcoren brachten die Nachricht des Mißgeschicks nach Durazzo.
Nun wartete General de Veer nicht, bis er etwa genügend Leute zusammen¬
geschart hatte, sondern sandte unter zwei weiteren Offizieren den Rest der
Gendarmen von Durazzo, etwa 150 Mann, und 30 Freiwillige mit einer
Kanone und zwei Maschinengewehren, um ihre gefangenen Kameraden und die
verlorenen Geschütze herauszuhauen.

Als der Tag anbrach, konnten wir mit dem Scherenfernrohr von der
Terrasse der österreichischen Gesandtschaft beobachten, wie diese Unglücklichen
auf den Höhen hinter der Stadt gegen eine Schwarmlinie von gewiß 1500 Auf¬
ständischen angingen und Trupp für Trupp überwältigt wurden.

Durazzo, auf einem Vorgebirge gebaut, steht bekanntlich mit dem Festland
nur durch eine etwa 10 Meter breite Landenge, über welche die Straße nach
Schia! und Tirana führt, in Verbindung.

Ekrem Bey Vlora hatte am Morgen das Kommando über die Skoda¬
kanonen oben auf der Zitadelle übernommen und bestrick) unaufhörlich diese
schmale Stelle, auf die es zur Verteidigung der Stadt eigentlich allein ankam.

So schlimm also auch beide Expeditionen ausgegangen waren, so bestand
nicht die mindeste Gefahr für die Stadt selbst, solange der Feind nicht bis zur
Landenge oder vielleicht über diese hatte vordringen können. Eine Annäherung
nnter dem Feuer der trefflichen Geschütze wäre aber jedem schlecht be«
kommen.

Trotzdem entstand bald nach Mittag unter den Fremden die wahnsinnigste


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[0123] Albaniens Enttäuschung und Erwartung Mehrere Albaner schätzten die Aufständischen damals schon auf 2000—3000 und rieten dringend von der Expedition ab, auch die noch in Durazzo anwesenden österreichischen Offiziere, umsomehr als die Aufständischen noch nicht aktiv auf¬ getreten waren und es für den Fürsten verhängnisvoll werden konnte, seine Untertanen anzugreifen, ehe sie die Waffen gegen ihn erhoben hatten, es daher persönlicher Überredung noch sehr wohl gelingen konnte, die Irregeleiteter auf den rechten Weg zurückzubringen. Trotzdem wurde nachts der Befehl zum Vormarsch gegeben. schlät wurde ohne Hindernis erreicht, als aber die katholischen Malcoren. die sich mit den Holländern nur schlecht verständigen konnten, sahen, daß der Zug noch weiter in eine ihnen völlig fremde Gegend vordringen sollte, fürchteten sie eine Falle ihrer mohamedanischen Volksgenossen und kehrten um. Auch jetzt beschlossen die beiden Holländer mit ihrem Trupp von nur 80 bis 100 Mann den weiteren Vormarsch und wurden gleich darauf von Aufständischen in zehnfacher Übermacht umzingelt. Als die Holländer Feuer befahlen, entspann sich ein Kampf, in dem die Leute des Fürsten, soweit sie am Leben blieben, ausnahmslos gefangen genommen wurden. Auf den Lärm hin war übrigens der Führer der katholischen Malcoren, Simon Doda, zum Trupp des Fürsten zurückgekehrt, da „er noch nie jemand verlassen hatte, der sich in Not befand" und fiel so auch in die Hände der Aufständischen. Die übrigen Malcoren brachten die Nachricht des Mißgeschicks nach Durazzo. Nun wartete General de Veer nicht, bis er etwa genügend Leute zusammen¬ geschart hatte, sondern sandte unter zwei weiteren Offizieren den Rest der Gendarmen von Durazzo, etwa 150 Mann, und 30 Freiwillige mit einer Kanone und zwei Maschinengewehren, um ihre gefangenen Kameraden und die verlorenen Geschütze herauszuhauen. Als der Tag anbrach, konnten wir mit dem Scherenfernrohr von der Terrasse der österreichischen Gesandtschaft beobachten, wie diese Unglücklichen auf den Höhen hinter der Stadt gegen eine Schwarmlinie von gewiß 1500 Auf¬ ständischen angingen und Trupp für Trupp überwältigt wurden. Durazzo, auf einem Vorgebirge gebaut, steht bekanntlich mit dem Festland nur durch eine etwa 10 Meter breite Landenge, über welche die Straße nach Schia! und Tirana führt, in Verbindung. Ekrem Bey Vlora hatte am Morgen das Kommando über die Skoda¬ kanonen oben auf der Zitadelle übernommen und bestrick) unaufhörlich diese schmale Stelle, auf die es zur Verteidigung der Stadt eigentlich allein ankam. So schlimm also auch beide Expeditionen ausgegangen waren, so bestand nicht die mindeste Gefahr für die Stadt selbst, solange der Feind nicht bis zur Landenge oder vielleicht über diese hatte vordringen können. Eine Annäherung nnter dem Feuer der trefflichen Geschütze wäre aber jedem schlecht be« kommen. Trotzdem entstand bald nach Mittag unter den Fremden die wahnsinnigste

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/123>, abgerufen am 01.09.2024.