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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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slawische Ortsnamen im Brandenburgischen

Alt-Köln war also dem neueren Berlin gegenüber zum Range einer von
Fischern bewohnten Vorstadt herabgesunken. Noch heute erinnern Straßen¬
namen, wie Fischergasse und Fischerbrücke an diese Vergangenheit. Auch wurde
die auf dem damaligen Dorfplatze -- früher Teltower --, jetzt Getraudten-
und Scharrenstraße -- erbaute Kirche dem Patron der Fischer, dem heiligen
Petrus, geweiht. Der Ort war mithin das, was man sonst den Kietz, die
Slawenvorstadt nannte, verwandelte sich aber schon früh aus einer solchen in
eine gleichberechtigte städtische Ansiedlung. Noch heute finden wir einen Kietz
genannten Stadtteil z. B. in Potsdam, in Rummelsburg, in Köpenick.

Mit Vorliebe nannten die alten Einwohner Brandenburgs aber auch
sonst ihre Wohnstätten nach den dort wachsenden Bäumen. Hi"r ist zunächst
die Linde zu nennen, die lipa hieß. Orte wie Liepe, Liebenow, Liebenwalde,
neben deutschen Benennungen wie Linde, Lindenberg, Linderode zeugen hier¬
für. Vielleicht kommt auch Lieberose von lipa in Verbindung mit dem
deutschen rode (Rodung). Auch Leipzig und das benachbarte Lindenau haben
ihren Namen von der Linde. Ebenso hat auch die Buche (but) ihren Namen
fiir viele Orte hergegeben, wie Buckow und Buckau, Buch und Buchholz.
Bukowina, der Buchenwald, heißt das bekannte österreichische Kronland, wie
auch ein Ort (Bukowien) bei Berlin. Dub heißt die Eiche; davon der Dubrow
hinter Köpenick und der Ort Dubraucke, sowie andererseits Eiche, Eichow und
Eichwalde. Polnisch: Dombogora, Eichberg; Dombrowa, Eichwald; Dom-
browka, Eichenhain. Die Birke hat deutschen Ortsnamen wie Birkenwerder
und Birkholz ihren Ursprung gegeben; im polnischen Sprachgebiet leiten sich
sehr viele Namen von ihr ab, die dem deutschen Leser durch ihren Amiant
Brz unverständlich sind. Dieser wird gesprochen b-r-weiches sah, der Orts¬
name Brzezinka dabei noch mit weichem s in der Mitte, also b-r- weiches
sah-e-weiches s usw. Davon der Personenname Brzesinski, deutsch etwa:
von Birkenheim. Die Beresina ist der Birkenfluß (beresina: umgefallener
Birkenstamm). Im Brandenburgischen mag der Ort Breses von Birke (berösa)
herkommen. Es mag auffallen, daß sich von der Birke zwar in Polen so
viele, hierzulande aber nur so wenige Ortsnamen ableiten. Das kommt da>-
her, weil die Birke ursprünglich nur östlich der Weichsel stärker verbreitet war;
erst seit dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts ist sie bei uns in größerem
Umfange angepflanzt worden.

Wollschow kommt von vinda (wendisch wolsche) Erle; desgleichen Öllschen
in Schlesien; Galluhn und Kallinchen von kalina, Feldahorn oder gemeiner
Schneeball; Buschow oder Büssow von bus (andere Form busina), schwarzer
Hollunder. Auch in dem Worte Kiekebusch wird der zweite Teil Hollunder
bedeuten, während der erste Teil vielleicht von kikimora, Waldgeist, abzuleiten
ist. Also: Kiekebusch, ein Geist im Hollunder. Dagegen Kiekemal schlechthin:
Waldgeist. Weiter kommt Grabow von grad, Weißbuche; Jaschinitz in West¬
preußen und Haßberg in Böhmen von jaßen, Esche; Töplitz bei Potsdam leitet


slawische Ortsnamen im Brandenburgischen

Alt-Köln war also dem neueren Berlin gegenüber zum Range einer von
Fischern bewohnten Vorstadt herabgesunken. Noch heute erinnern Straßen¬
namen, wie Fischergasse und Fischerbrücke an diese Vergangenheit. Auch wurde
die auf dem damaligen Dorfplatze — früher Teltower —, jetzt Getraudten-
und Scharrenstraße — erbaute Kirche dem Patron der Fischer, dem heiligen
Petrus, geweiht. Der Ort war mithin das, was man sonst den Kietz, die
Slawenvorstadt nannte, verwandelte sich aber schon früh aus einer solchen in
eine gleichberechtigte städtische Ansiedlung. Noch heute finden wir einen Kietz
genannten Stadtteil z. B. in Potsdam, in Rummelsburg, in Köpenick.

Mit Vorliebe nannten die alten Einwohner Brandenburgs aber auch
sonst ihre Wohnstätten nach den dort wachsenden Bäumen. Hi«r ist zunächst
die Linde zu nennen, die lipa hieß. Orte wie Liepe, Liebenow, Liebenwalde,
neben deutschen Benennungen wie Linde, Lindenberg, Linderode zeugen hier¬
für. Vielleicht kommt auch Lieberose von lipa in Verbindung mit dem
deutschen rode (Rodung). Auch Leipzig und das benachbarte Lindenau haben
ihren Namen von der Linde. Ebenso hat auch die Buche (but) ihren Namen
fiir viele Orte hergegeben, wie Buckow und Buckau, Buch und Buchholz.
Bukowina, der Buchenwald, heißt das bekannte österreichische Kronland, wie
auch ein Ort (Bukowien) bei Berlin. Dub heißt die Eiche; davon der Dubrow
hinter Köpenick und der Ort Dubraucke, sowie andererseits Eiche, Eichow und
Eichwalde. Polnisch: Dombogora, Eichberg; Dombrowa, Eichwald; Dom-
browka, Eichenhain. Die Birke hat deutschen Ortsnamen wie Birkenwerder
und Birkholz ihren Ursprung gegeben; im polnischen Sprachgebiet leiten sich
sehr viele Namen von ihr ab, die dem deutschen Leser durch ihren Amiant
Brz unverständlich sind. Dieser wird gesprochen b-r-weiches sah, der Orts¬
name Brzezinka dabei noch mit weichem s in der Mitte, also b-r- weiches
sah-e-weiches s usw. Davon der Personenname Brzesinski, deutsch etwa:
von Birkenheim. Die Beresina ist der Birkenfluß (beresina: umgefallener
Birkenstamm). Im Brandenburgischen mag der Ort Breses von Birke (berösa)
herkommen. Es mag auffallen, daß sich von der Birke zwar in Polen so
viele, hierzulande aber nur so wenige Ortsnamen ableiten. Das kommt da>-
her, weil die Birke ursprünglich nur östlich der Weichsel stärker verbreitet war;
erst seit dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts ist sie bei uns in größerem
Umfange angepflanzt worden.

Wollschow kommt von vinda (wendisch wolsche) Erle; desgleichen Öllschen
in Schlesien; Galluhn und Kallinchen von kalina, Feldahorn oder gemeiner
Schneeball; Buschow oder Büssow von bus (andere Form busina), schwarzer
Hollunder. Auch in dem Worte Kiekebusch wird der zweite Teil Hollunder
bedeuten, während der erste Teil vielleicht von kikimora, Waldgeist, abzuleiten
ist. Also: Kiekebusch, ein Geist im Hollunder. Dagegen Kiekemal schlechthin:
Waldgeist. Weiter kommt Grabow von grad, Weißbuche; Jaschinitz in West¬
preußen und Haßberg in Böhmen von jaßen, Esche; Töplitz bei Potsdam leitet


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/90>, abgerufen am 15.01.2025.