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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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slawische Ortsnamen im Brandenburgischen

Markwarte; der Ort hieß bis ins 18. Jahrhundert Schorin und wurde dann
erst nach dem Vornamen des damaligen Rittergutsbesitzers Marquart genannt.
Um mit Namensdeutungen sicher zu gehen, müßte man also eigentlich in jedem
einzelnen Falle wissen, welchem Umstände der betreffende Ort wirklich seinen
Namen verdankt. Außerdem müßte man aber auch wissen, wie der betreffende
Name ursprünglich gelautet hat. So scheint z. B. auch die Deutung des
Namens Fischhausen (in Ostpreußen) sehr einfach; die Ableitung von Fischen
oder Fischern wird aber dadurch unmöglich, daß wir zufällig wissen, daß der
Ort von einem Bischof gegründet ist und erst Bischofshausen geheißen hat.

Wir wollen nun in vorliegendem Aufsatze nicht so verfahren, daß wir
einfach dasjenige zusammenstellen, was sich in anderen Büchern oder Aufsätzen
an Namensdeutungen schon fertig vorfindet. Denn abgesehen von allem an¬
deren lassen diese älteren Angaben vielfach nicht einmal erkennen, worauf sie
fußen, und wenn sie Worte als slawisch anführen, so weiß man oft gar nicht
einmal, ob es sich etwa um das Altwendische, oder um eine der beiden heutigen
wendischen Mundarten, das Niedersorbische oder das Obersorbische handelt, oder
um das noch bis ins 17. Jahrhundert gesprochene Polabische oder Nieder-
elbische im hannöverischen Wendland, oder um das Tschechische, oder um was
sonst. Ferner wird auch nicht einmal immer angegeben, ob die betreffenden
Formen wirklich fester Überlieferung entnommen, oder ob sie nur, wie man es
nennt, "erschlossen" sind, also mehr oder weniger auf Mutmaßung beruhen.
Denn es ist durchaus zu beachten, daß wir gerade für das hier in Frage
kommende Gebiet fast niemals in der Lage sind, über die Entstehung und die
erste Form der alten Ortsnamen etwas Bestimmtes zu wissen, zumal auch sonst
von der altsorbischen Sprache so gut wie nichts erhalten ist. Immerhin aber
können wir einerseits die noch heute gesprochenen wendischen Mundarten, an-
dererseits auch andere slawische Sprachen zum Vergleiche heranziehen. Bei der
großen Ähnlichkeit der verschiedenen slawischen Sprachen, und angesichts des
Umstandes, daß es sich für unsere Zwecke nur um die Wortstamme handelt,
können wir uns z. B. gut auf das Russische stützen. Dabei bietet diese Sprache
noch den großen Vorteil, daß ihre Kenntnis einerseits verhältnismäßig weit
verbreitet ist, und daß andererseits die russische Rechtschreibung auf einem recht
frühen Zeitpunkt stehen geblieben ist. Das Schriftbild eines russischen Wortes
gibt uns dann eine alte, für uns brauchbare Form auch da, wo das Lautbild
ganz anders aussteht. So heißt Honig im Russischen geschrieben med (deutsch:
Meth), gesprochen aber mjod. Das Tschechische schreibt und spricht hier noch
die ältere Form: med. Wir werden uns im Nachfolgenden -- wo nichts an¬
deres ausdrücklich bemerkt ist -- durchgängig an das Rassische halten und hierbei
die Umschreibung in unsere Schrift möglichst so vornehmen, wie es der im
Deutschen üblichen Bedeutung der Buchstaben entspricht, dabei aber insbesondere
das wie jo gesprochene e durch e und das wie a gesprochene o durch o wieder¬
geben, da für uns, wie aus dem angeführten Beispiel erhellt, das Schriftbild


slawische Ortsnamen im Brandenburgischen

Markwarte; der Ort hieß bis ins 18. Jahrhundert Schorin und wurde dann
erst nach dem Vornamen des damaligen Rittergutsbesitzers Marquart genannt.
Um mit Namensdeutungen sicher zu gehen, müßte man also eigentlich in jedem
einzelnen Falle wissen, welchem Umstände der betreffende Ort wirklich seinen
Namen verdankt. Außerdem müßte man aber auch wissen, wie der betreffende
Name ursprünglich gelautet hat. So scheint z. B. auch die Deutung des
Namens Fischhausen (in Ostpreußen) sehr einfach; die Ableitung von Fischen
oder Fischern wird aber dadurch unmöglich, daß wir zufällig wissen, daß der
Ort von einem Bischof gegründet ist und erst Bischofshausen geheißen hat.

Wir wollen nun in vorliegendem Aufsatze nicht so verfahren, daß wir
einfach dasjenige zusammenstellen, was sich in anderen Büchern oder Aufsätzen
an Namensdeutungen schon fertig vorfindet. Denn abgesehen von allem an¬
deren lassen diese älteren Angaben vielfach nicht einmal erkennen, worauf sie
fußen, und wenn sie Worte als slawisch anführen, so weiß man oft gar nicht
einmal, ob es sich etwa um das Altwendische, oder um eine der beiden heutigen
wendischen Mundarten, das Niedersorbische oder das Obersorbische handelt, oder
um das noch bis ins 17. Jahrhundert gesprochene Polabische oder Nieder-
elbische im hannöverischen Wendland, oder um das Tschechische, oder um was
sonst. Ferner wird auch nicht einmal immer angegeben, ob die betreffenden
Formen wirklich fester Überlieferung entnommen, oder ob sie nur, wie man es
nennt, „erschlossen" sind, also mehr oder weniger auf Mutmaßung beruhen.
Denn es ist durchaus zu beachten, daß wir gerade für das hier in Frage
kommende Gebiet fast niemals in der Lage sind, über die Entstehung und die
erste Form der alten Ortsnamen etwas Bestimmtes zu wissen, zumal auch sonst
von der altsorbischen Sprache so gut wie nichts erhalten ist. Immerhin aber
können wir einerseits die noch heute gesprochenen wendischen Mundarten, an-
dererseits auch andere slawische Sprachen zum Vergleiche heranziehen. Bei der
großen Ähnlichkeit der verschiedenen slawischen Sprachen, und angesichts des
Umstandes, daß es sich für unsere Zwecke nur um die Wortstamme handelt,
können wir uns z. B. gut auf das Russische stützen. Dabei bietet diese Sprache
noch den großen Vorteil, daß ihre Kenntnis einerseits verhältnismäßig weit
verbreitet ist, und daß andererseits die russische Rechtschreibung auf einem recht
frühen Zeitpunkt stehen geblieben ist. Das Schriftbild eines russischen Wortes
gibt uns dann eine alte, für uns brauchbare Form auch da, wo das Lautbild
ganz anders aussteht. So heißt Honig im Russischen geschrieben med (deutsch:
Meth), gesprochen aber mjod. Das Tschechische schreibt und spricht hier noch
die ältere Form: med. Wir werden uns im Nachfolgenden — wo nichts an¬
deres ausdrücklich bemerkt ist — durchgängig an das Rassische halten und hierbei
die Umschreibung in unsere Schrift möglichst so vornehmen, wie es der im
Deutschen üblichen Bedeutung der Buchstaben entspricht, dabei aber insbesondere
das wie jo gesprochene e durch e und das wie a gesprochene o durch o wieder¬
geben, da für uns, wie aus dem angeführten Beispiel erhellt, das Schriftbild


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/87>, abgerufen am 15.01.2025.