Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Der Wiederaufbau Ostpreußens Verwaltung viele Tausende gefangener Russen für die Aufräumungsarbeiten zur Besonders eindrucksvoll ist aber der Kruchensche Organisationsplan dort, Die Stadtgemeinde, die sich ein derartiges Arbeitskommando entleibt, zahlt Die Beschaffung des im größten Umfange zerstörten Hausgerätes ist auch Der Wiederaufbau Ostpreußens Verwaltung viele Tausende gefangener Russen für die Aufräumungsarbeiten zur Besonders eindrucksvoll ist aber der Kruchensche Organisationsplan dort, Die Stadtgemeinde, die sich ein derartiges Arbeitskommando entleibt, zahlt Die Beschaffung des im größten Umfange zerstörten Hausgerätes ist auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0412" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330080"/> <fw type="header" place="top"> Der Wiederaufbau Ostpreußens</fw><lb/> <p xml:id="ID_1404" prev="#ID_1403"> Verwaltung viele Tausende gefangener Russen für die Aufräumungsarbeiten zur<lb/> Verfügung gestellt. Dies ist besonders in Stallupönen der Fall, wo unter<lb/> Leitung und nach Angaben des Regierungsbaumeisters Hauptmann d. L. Kruchen<lb/> die Aufräumungs arbeiten in systematischer Weise (unterstützt durch große Gleis¬<lb/> anlagen) von Hunderten gefangener Russen erledigt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1405"> Besonders eindrucksvoll ist aber der Kruchensche Organisationsplan dort,<lb/> wo er die Heranziehung von Gefangenen zu den Aufbauarbeiten, insbesondere<lb/> auch für die Arbeiten des inneren Ausbaues der Gebäude regelt. Es werden<lb/> nicht nur die in den verschiedensten Gefangenenlagern verstreuten ausgebildeten<lb/> Handwerker, insbesondere die vielen gefangenen Deutschrussen herangezogen —<lb/> was das Kriegsministerium mit weitesten Entgegenkommen unterstützt —,<lb/> sondern darüber hinaus werden auch unausgebildete russische Gefangene in<lb/> großen Werkstättengebäuden durch deutsche Soldaten der einzelnen Arbeits-<lb/> kommandos im Handwerklichen unterrichtet. Auf diese Weise wird eine Unzahl<lb/> von billigsten Arbeitskräften für den Wiederaufbau gewonnen. Es sind rein<lb/> militärisch organisierte Arbeitsgruppen von je 20 Russen und zwei Deutschen,<lb/> von denen letztere als Vorarbeiter und Lehrmeister tätig sind. Es bestehen in<lb/> der Hauptsache Tischler- und Schlosserarbeitsabteilungen. Man denkt aber zur<lb/> Verwertung der Gefangenenarbeit auch weiter an die Anlegung von Ziegeleien,<lb/> Mörtelwerken usw., die von den Stadtgemeinden in eigene Regie genommen<lb/> werden sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1406"> Die Stadtgemeinde, die sich ein derartiges Arbeitskommando entleibt, zahlt<lb/> für jede Gefangenenarbeitsstunde 50 oder 60 Pfennige, der Restbetrag zwischen<lb/> diesem und dem wirklich an den Gefangenen bezahlten Betrag wird nach Abzug<lb/> eines geringen Teiles für Regiekosten einem Grundstock zugeführt, der zur<lb/> Anftedlung derartig ausgebildeter deutsch - russischer Gefangener und ebenso<lb/> deutscher Arbeitskräfte des Handwerks dienen soll. Also auch hier wieder ein<lb/> sehr beachtlicher kolonisatorischer Gedanke.</p><lb/> <p xml:id="ID_1407" next="#ID_1408"> Die Beschaffung des im größten Umfange zerstörten Hausgerätes ist auch<lb/> der Inhalt der getroffenen Maßnahmen. Durch einen Erlaß vom 20. Juni 1915<lb/> sind Landräte und Oberbürgermeister darauf hingewiesen, daß bei Bezahlung<lb/> von Rechnungen auf Vorentschädtgung zur Beschaffung von Hausgerät und<lb/> Erteilung darauf bezüglicher Bescheinigungen dahin zu wirken ist, daß nur<lb/> solche Bezugsquellen gewählt werden, von denen Lieferung einwandfreier Waren<lb/> zu angemessenen Preis zu erwarten ist. Damit ist schon ein großer Schritt<lb/> vorwärts getan, um das Publikum, soweit es sich aus Geschädigten zusammen¬<lb/> setzt, im Sinne geschmackbildender Wertarbeit beeinflussen zu können. Eine<lb/> derartige Maßnahme war dringend nötig; ihr weiterer Ausbau ist eine unab¬<lb/> weisbare Forderung. Denn die Befürchtung, daß die Rausch- und Abzahlungs¬<lb/> waren von ganz Deutschland nach Ostpreußen abgeschoben würden, ist zum<lb/> Teil schon eingetroffen. In den zerstörten Städten wird man große Lager<lb/> dieser schlimmen Handwerkskunst finden. Zwar besteht jetzt schon eine größere</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0412]
Der Wiederaufbau Ostpreußens
Verwaltung viele Tausende gefangener Russen für die Aufräumungsarbeiten zur
Verfügung gestellt. Dies ist besonders in Stallupönen der Fall, wo unter
Leitung und nach Angaben des Regierungsbaumeisters Hauptmann d. L. Kruchen
die Aufräumungs arbeiten in systematischer Weise (unterstützt durch große Gleis¬
anlagen) von Hunderten gefangener Russen erledigt werden.
Besonders eindrucksvoll ist aber der Kruchensche Organisationsplan dort,
wo er die Heranziehung von Gefangenen zu den Aufbauarbeiten, insbesondere
auch für die Arbeiten des inneren Ausbaues der Gebäude regelt. Es werden
nicht nur die in den verschiedensten Gefangenenlagern verstreuten ausgebildeten
Handwerker, insbesondere die vielen gefangenen Deutschrussen herangezogen —
was das Kriegsministerium mit weitesten Entgegenkommen unterstützt —,
sondern darüber hinaus werden auch unausgebildete russische Gefangene in
großen Werkstättengebäuden durch deutsche Soldaten der einzelnen Arbeits-
kommandos im Handwerklichen unterrichtet. Auf diese Weise wird eine Unzahl
von billigsten Arbeitskräften für den Wiederaufbau gewonnen. Es sind rein
militärisch organisierte Arbeitsgruppen von je 20 Russen und zwei Deutschen,
von denen letztere als Vorarbeiter und Lehrmeister tätig sind. Es bestehen in
der Hauptsache Tischler- und Schlosserarbeitsabteilungen. Man denkt aber zur
Verwertung der Gefangenenarbeit auch weiter an die Anlegung von Ziegeleien,
Mörtelwerken usw., die von den Stadtgemeinden in eigene Regie genommen
werden sollen.
Die Stadtgemeinde, die sich ein derartiges Arbeitskommando entleibt, zahlt
für jede Gefangenenarbeitsstunde 50 oder 60 Pfennige, der Restbetrag zwischen
diesem und dem wirklich an den Gefangenen bezahlten Betrag wird nach Abzug
eines geringen Teiles für Regiekosten einem Grundstock zugeführt, der zur
Anftedlung derartig ausgebildeter deutsch - russischer Gefangener und ebenso
deutscher Arbeitskräfte des Handwerks dienen soll. Also auch hier wieder ein
sehr beachtlicher kolonisatorischer Gedanke.
Die Beschaffung des im größten Umfange zerstörten Hausgerätes ist auch
der Inhalt der getroffenen Maßnahmen. Durch einen Erlaß vom 20. Juni 1915
sind Landräte und Oberbürgermeister darauf hingewiesen, daß bei Bezahlung
von Rechnungen auf Vorentschädtgung zur Beschaffung von Hausgerät und
Erteilung darauf bezüglicher Bescheinigungen dahin zu wirken ist, daß nur
solche Bezugsquellen gewählt werden, von denen Lieferung einwandfreier Waren
zu angemessenen Preis zu erwarten ist. Damit ist schon ein großer Schritt
vorwärts getan, um das Publikum, soweit es sich aus Geschädigten zusammen¬
setzt, im Sinne geschmackbildender Wertarbeit beeinflussen zu können. Eine
derartige Maßnahme war dringend nötig; ihr weiterer Ausbau ist eine unab¬
weisbare Forderung. Denn die Befürchtung, daß die Rausch- und Abzahlungs¬
waren von ganz Deutschland nach Ostpreußen abgeschoben würden, ist zum
Teil schon eingetroffen. In den zerstörten Städten wird man große Lager
dieser schlimmen Handwerkskunst finden. Zwar besteht jetzt schon eine größere
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