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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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ein, die zu einem großangelegten Siedlungswerke führen sollen, wie denn
eigentlich die Frage der Wiederbcsiedlung in den Bren npunkt der ganzen Auf¬
bauarbeit gestellt wird. Da ist es nun ein großes Glück, daß die Provinz an
ihrer Spitze einen Mann sieht, der, wie Oberpräsident Exzellenz von Batocki
einen aufgeschlossenen Sinn für eine großzügige Siedlungspolitik schon aus seiner
früheren Tätigkeit in eine so hohe, verantwortungsreiche Stellung mitbnnat,
der selbst in der Presse durch verschiedene sehr beachtete Vorschläge sich als aus¬
gezeichneter Kenner auf diesem Gebiet gezeigt hat und erst neuerdings noch als
ein warmer Verfechter des Eigenheimgedankens hervorgetreten ist.

Der Wiederaufbau Ostpreußens ist mit Recht als die größte bauliche Auf¬
gabe der Gegenwart bezeichnet worden. Allein nach der Zahl der festgestellten
Zerstörungen an Gebäuden und Hausgeräten kann man sich eine ungefähre
Vorstellung von dem Umfange der zu leistenden Arbeit machen, Nach zahlen¬
mäßig genauer Zusammenstellung hat sich jetzt gezeigt, daß 33 553 Gebäude
vernichtet worden sind. Der Gesamtschaden dieser zerstörten Baulichkeiten ist
mit 300 Millionen Mark nicht zu hoch geschätzt.

Über die durch den Krieg hervorgerufene Bevölkerungsbewegung gibt einen
Begriff die Tatsache, daß ihre Heimat vorübergehend oder für längere Zeit
rund 900 000 Personen verlassen haben. Von diesen ist ein großer Teil be-
sondeis auch vom Lande zurückgekehrt, während in den Städten ein erheblicher
Teil der Einwohner sich noch nicht wieder eingestellt hat. Da liegt denn die
Gefahr nahe, daß nicht nur in den an Freizügigkeit gewöhnten Kreisen der
Bevölkerung, sondern auch in der landsässigen Bevölkerung die auch jetzt noch
stark fühlbare Verschüchterung und Verängstigung zu einer dauernden Abwände-'
rung Anlaß gibt. Es ist daher begreiflich, daß die Bestrebungen der leitenden
Stellen dahin gehen mußten, die Abgewanderten zurückzuführen, die vollständige
Verödung der an sich nicht dicht bevölkerten Provinz aufzuhalten und die Zurück¬
gekehrten durch günstige Lebensbedingungen dauernd seßhaft zu machen. Dies
wird nicht zuletzt durch die besondere Rücksichtnahme auf die Verschönerung
und hygienische Verbesserung beim Wiederaufbau erreicht werden. Die neu¬
erstehenden kleineren Orte und Landstädte, die früher alle jene in den westlichen
Gegenden des Reiches als fast unentbehrlich angesehene Verbesserungen, wie
Wasserleitung und Kanalisation, nicht kannten, werden durch deren Einführung
die Zurückkehrenden, die in den westlichen Teilen des Reiches den Nutzen solcher
Vorkehrungen kennen gelernt haben, fester an ihre Mauern binden und den
Zuzug neuer Personen aus sich lenken. Wenn bei der Besprechung der Kosten¬
frage von Regierungsseite die Ansicht ausgesprochen worden ist, daß der Staat
zwar nicht rechtlich, aber doch moralisch zu den Wiederherstellungsarbeiten auch
in Hinsicht auf die Verschönerung der Städte verpflichtet ist, in der richtigen
Erkenntnis, daß die Aufwendungen kultureller Art in ständigen Kreislauf der
Steuerkraft des Staates und der Hebung der wirtschaftlichen Lebenshaltung
wieder zufließen, so ist dies eine Ansicht, die man vom Standpunkte Neuzeit-


ein, die zu einem großangelegten Siedlungswerke führen sollen, wie denn
eigentlich die Frage der Wiederbcsiedlung in den Bren npunkt der ganzen Auf¬
bauarbeit gestellt wird. Da ist es nun ein großes Glück, daß die Provinz an
ihrer Spitze einen Mann sieht, der, wie Oberpräsident Exzellenz von Batocki
einen aufgeschlossenen Sinn für eine großzügige Siedlungspolitik schon aus seiner
früheren Tätigkeit in eine so hohe, verantwortungsreiche Stellung mitbnnat,
der selbst in der Presse durch verschiedene sehr beachtete Vorschläge sich als aus¬
gezeichneter Kenner auf diesem Gebiet gezeigt hat und erst neuerdings noch als
ein warmer Verfechter des Eigenheimgedankens hervorgetreten ist.

Der Wiederaufbau Ostpreußens ist mit Recht als die größte bauliche Auf¬
gabe der Gegenwart bezeichnet worden. Allein nach der Zahl der festgestellten
Zerstörungen an Gebäuden und Hausgeräten kann man sich eine ungefähre
Vorstellung von dem Umfange der zu leistenden Arbeit machen, Nach zahlen¬
mäßig genauer Zusammenstellung hat sich jetzt gezeigt, daß 33 553 Gebäude
vernichtet worden sind. Der Gesamtschaden dieser zerstörten Baulichkeiten ist
mit 300 Millionen Mark nicht zu hoch geschätzt.

Über die durch den Krieg hervorgerufene Bevölkerungsbewegung gibt einen
Begriff die Tatsache, daß ihre Heimat vorübergehend oder für längere Zeit
rund 900 000 Personen verlassen haben. Von diesen ist ein großer Teil be-
sondeis auch vom Lande zurückgekehrt, während in den Städten ein erheblicher
Teil der Einwohner sich noch nicht wieder eingestellt hat. Da liegt denn die
Gefahr nahe, daß nicht nur in den an Freizügigkeit gewöhnten Kreisen der
Bevölkerung, sondern auch in der landsässigen Bevölkerung die auch jetzt noch
stark fühlbare Verschüchterung und Verängstigung zu einer dauernden Abwände-'
rung Anlaß gibt. Es ist daher begreiflich, daß die Bestrebungen der leitenden
Stellen dahin gehen mußten, die Abgewanderten zurückzuführen, die vollständige
Verödung der an sich nicht dicht bevölkerten Provinz aufzuhalten und die Zurück¬
gekehrten durch günstige Lebensbedingungen dauernd seßhaft zu machen. Dies
wird nicht zuletzt durch die besondere Rücksichtnahme auf die Verschönerung
und hygienische Verbesserung beim Wiederaufbau erreicht werden. Die neu¬
erstehenden kleineren Orte und Landstädte, die früher alle jene in den westlichen
Gegenden des Reiches als fast unentbehrlich angesehene Verbesserungen, wie
Wasserleitung und Kanalisation, nicht kannten, werden durch deren Einführung
die Zurückkehrenden, die in den westlichen Teilen des Reiches den Nutzen solcher
Vorkehrungen kennen gelernt haben, fester an ihre Mauern binden und den
Zuzug neuer Personen aus sich lenken. Wenn bei der Besprechung der Kosten¬
frage von Regierungsseite die Ansicht ausgesprochen worden ist, daß der Staat
zwar nicht rechtlich, aber doch moralisch zu den Wiederherstellungsarbeiten auch
in Hinsicht auf die Verschönerung der Städte verpflichtet ist, in der richtigen
Erkenntnis, daß die Aufwendungen kultureller Art in ständigen Kreislauf der
Steuerkraft des Staates und der Hebung der wirtschaftlichen Lebenshaltung
wieder zufließen, so ist dies eine Ansicht, die man vom Standpunkte Neuzeit-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/404>, abgerufen am 15.01.2025.