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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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pitirim

dabei tadelnd auf die "fremdstämmige" Herkunft des Metropoliten verwiesen.
Der bekannte Kursker Abgeordnete Markow II hat aber seine aufgeregten
Parteigenossen nach dieser Richtung hin beschwichtigt und ihnen geschworen,
daß Pitirim einer rein russischen Familie entstammt. Er hat auch beruhigend
darauf hingewiesen, daß der Metropolit während seiner achtjährigen Wirksam¬
keit als Bischof in Kursk die dortige Organisation des "Bundes des russischen
Volkes" begünstigt habe. Demgegenüber wiegen allerdings schwer Pitirims
Beziehungen zu den Oktobristen in Samara und seine Tätigkeit in Grüften,
wo er sogar Fühlung mit sozialistischen Föderalisten genommen, und sich mit
ihnen sehr gut gestanden hat. Zu einem definitiven Entschluß sind die Rechten
nach sorgfältiger Prüfung des gesamten über Pitirim vorliegenden Materials
unter diesen Umständen noch nicht gekommen. Sie wollen sich in ihrer
Stellungnahme dem Metropoliten gegenüber einstweilen abwartend verhalten.
Daß er als Mitglied des Srmods in der Presse gegen das Sablersche Projekt
aufgetreten ist, wird von den Rechtsparteien gemißbilligt. Sie erkennen und
fürchten aber in ihm den kommenden Mann, mit dem man paktieren muß.
Und so sind am 10. Februar der Führer der Rechten, Graf Bobrinsky, und
der Minister des Innern, Chwostow, gemeinsam bei Pitirim gewesen. Man
geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß dieser Besuch nicht ein bloßer
Höflichkeitsakt gewesen ist.

Will Pitirim auf dem kirchlichen Gebiete seine Zwecke erreichen, so muß
er zwei Leute stürzen, zunächst den Oberprokurator des Synods Wolshin, der ihm
wegen seiner Pressetätigkeit einen Tadel erteilt hat -- wahrscheinlich zu einer Zeit,
als man in den oberen Sphären in der Einschätzung der Persönlichkeit Pitirims
ein wenig geschwankt hat. Jetzt ist das Schwanken vorbei. Ein Mann, der
Ministerpräsidenten macht, läßt sich von Oberprokuratoren keinen Tadel geben,
sondern sorgt dafür, daß die ihm genehmen Leute auf diesen Posten kommen.
In der Tat scheint Wolshin wenig Rückhalt "in den Sphären" zu haben, man
hat eine Zeitlang davon gesprochen, daß Stürmer das Portefeuille des Ober-
prokureurs übernehmen sollte, was allerdings eine in Rußland noch nicht da¬
gewesene Neuerung bedeutet hätte. Jetzt, nachdem Stürmers Kandidatur durch
seine Ernennung zum Minister des Innern beseitigt ist, nennt man den Sohn
des früheren Petersburger Geistlichen Paladij, den Direktor der Petersburger
Frauenkurse. Rajew, als Nachfolger von Wolshin. Wie dem auch sei, Wolshin
scheint gehen zu müssen.

Aber im spröd wird ein zweiter großer Kampf geführt, nämlich zwischen
dem Metropoliten Pitirim und dem Kiewer Metropoliten Wladimir. "Es
können eben in Petersburg nicht zwei Metropoliten herrschen". Wladimir ist --
bis jetzt wenigstens noch -- das präsidierende Mitglied im heiligen spröd
und versucht als solches den beherrschenden Einfluß zu behalten. Von diesem
aber möchte ihn Pitirim verdrängen. -- Es handelt sich hier ganz unzweifel¬
haft um einen Kampf um die Vorherrschaft in der Kirchenverwaltung zwischen


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pitirim

dabei tadelnd auf die „fremdstämmige" Herkunft des Metropoliten verwiesen.
Der bekannte Kursker Abgeordnete Markow II hat aber seine aufgeregten
Parteigenossen nach dieser Richtung hin beschwichtigt und ihnen geschworen,
daß Pitirim einer rein russischen Familie entstammt. Er hat auch beruhigend
darauf hingewiesen, daß der Metropolit während seiner achtjährigen Wirksam¬
keit als Bischof in Kursk die dortige Organisation des „Bundes des russischen
Volkes" begünstigt habe. Demgegenüber wiegen allerdings schwer Pitirims
Beziehungen zu den Oktobristen in Samara und seine Tätigkeit in Grüften,
wo er sogar Fühlung mit sozialistischen Föderalisten genommen, und sich mit
ihnen sehr gut gestanden hat. Zu einem definitiven Entschluß sind die Rechten
nach sorgfältiger Prüfung des gesamten über Pitirim vorliegenden Materials
unter diesen Umständen noch nicht gekommen. Sie wollen sich in ihrer
Stellungnahme dem Metropoliten gegenüber einstweilen abwartend verhalten.
Daß er als Mitglied des Srmods in der Presse gegen das Sablersche Projekt
aufgetreten ist, wird von den Rechtsparteien gemißbilligt. Sie erkennen und
fürchten aber in ihm den kommenden Mann, mit dem man paktieren muß.
Und so sind am 10. Februar der Führer der Rechten, Graf Bobrinsky, und
der Minister des Innern, Chwostow, gemeinsam bei Pitirim gewesen. Man
geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß dieser Besuch nicht ein bloßer
Höflichkeitsakt gewesen ist.

Will Pitirim auf dem kirchlichen Gebiete seine Zwecke erreichen, so muß
er zwei Leute stürzen, zunächst den Oberprokurator des Synods Wolshin, der ihm
wegen seiner Pressetätigkeit einen Tadel erteilt hat — wahrscheinlich zu einer Zeit,
als man in den oberen Sphären in der Einschätzung der Persönlichkeit Pitirims
ein wenig geschwankt hat. Jetzt ist das Schwanken vorbei. Ein Mann, der
Ministerpräsidenten macht, läßt sich von Oberprokuratoren keinen Tadel geben,
sondern sorgt dafür, daß die ihm genehmen Leute auf diesen Posten kommen.
In der Tat scheint Wolshin wenig Rückhalt „in den Sphären" zu haben, man
hat eine Zeitlang davon gesprochen, daß Stürmer das Portefeuille des Ober-
prokureurs übernehmen sollte, was allerdings eine in Rußland noch nicht da¬
gewesene Neuerung bedeutet hätte. Jetzt, nachdem Stürmers Kandidatur durch
seine Ernennung zum Minister des Innern beseitigt ist, nennt man den Sohn
des früheren Petersburger Geistlichen Paladij, den Direktor der Petersburger
Frauenkurse. Rajew, als Nachfolger von Wolshin. Wie dem auch sei, Wolshin
scheint gehen zu müssen.

Aber im spröd wird ein zweiter großer Kampf geführt, nämlich zwischen
dem Metropoliten Pitirim und dem Kiewer Metropoliten Wladimir. „Es
können eben in Petersburg nicht zwei Metropoliten herrschen". Wladimir ist —
bis jetzt wenigstens noch — das präsidierende Mitglied im heiligen spröd
und versucht als solches den beherrschenden Einfluß zu behalten. Von diesem
aber möchte ihn Pitirim verdrängen. — Es handelt sich hier ganz unzweifel¬
haft um einen Kampf um die Vorherrschaft in der Kirchenverwaltung zwischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/399>, abgerufen am 15.01.2025.