Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Staatenbund von Nordeuropa Verlauf des Krieges verhalten wird. Die Erklärung des Reichskanzlers ist Staatenbund von Nordeuropa Verlauf des Krieges verhalten wird. Die Erklärung des Reichskanzlers ist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0039" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329705"/> <fw type="header" place="top"> Staatenbund von Nordeuropa</fw><lb/> <p xml:id="ID_83" prev="#ID_82"> Verlauf des Krieges verhalten wird. Die Erklärung des Reichskanzlers ist<lb/> von großer Tragweite. Noch einmal soll das Schicksal Belgiens in seine<lb/> eigenen Hände gegeben werden. Obwohl sich das Land Deutschlands Feinden<lb/> verschrieben hat, obwohl es unter schweren Opfern bis auf einen kleinen Teil<lb/> erobert ist und seit Jahr und Tag unter deutscher Herrschaft steht, soll doch<lb/> von dem Recht des Siegers kein rücksichtsloser Gebrauch gemacht werden.<lb/> Die belgischen Interessen sollen geschont werden, soweit es die Rücksicht auf<lb/> die Sicherheit des Deutschen Reiches zuläßt. Der Ausgleich der Interessen<lb/> beider Teile wird sich um so leichter vollziehen, je entschiedener Belgien seine<lb/> feindselige Stellung gegen das Deutsche Reich aufgibt. Damit ist König<lb/> Albert neuerdings vor eine folgenschwere Entscheidung gestellt. Vielleicht<lb/> konnte er bei Ausbruch des Krieges im Hinblick auf die nun einmal bestehen¬<lb/> den Abmachungen nicht anders handeln, als es geschehen ist. Welche Ent¬<lb/> schließung er zum Besten seines schwergeprüften Landes getroffen haben würde,<lb/> wenn er die Entwickelung der Dinge hätte voraussehen können, ist eine müßige<lb/> Frage. Nach menschlichem Ermessen wäre aber Belgien im Bunde mit<lb/> Deutschland besser gefahren. Noch einmal bietet sich jetzt unter veränderten<lb/> Verhältnissen die Möglichkeit einer Verständigung. Der Krieg hat ausgiebige<lb/> Gelegenheit gegeben, die militärische und wirtschaftliche Kraft Deutschlands mit<lb/> der seiner Gegner zu vergleichen und zu beurteilen, ob mit Sicherheit darauf<lb/> zu rechnen ist, daß Deutschland, im Westen und Osten siegreich, nun plötzlich<lb/> überwältigt werden wird. Die belgische Bevölkerung, der auch deutsche Ver¬<lb/> waltung nicht fremd geblieben ist, kann nun selbst urteilen, ob ihr Staatswesen<lb/> in Anlehnung an die.stärkste Militärmacht Europas nicht auf besseren Schutz<lb/> rechnen kann, als mit Hilfe seiner bisherigen Bundesgenossen. Daß diese<lb/> einer Lösung der belgischen Frage in dem angedeuteten Sinne unter allen<lb/> Umständen abgeneigt sein würden, läßt sich kaum behaupten. Sollten sie des<lb/> Krieges müde sein, wofür manche Zeichen sprechen, so könnte ihnen eine der¬<lb/> artige Lösung vielmehr willkommen erscheinen, um sich aus einer schwierigen<lb/> Lage zu befreien. Denn sie wären insoweit eigener Opfer überhoben und<lb/> nicht genötigt, einen treuen Bundesgenossen preiszugeben. Nach den bekannten,<lb/> offenbar wohlüberlegten Erklärungen hervorragender Mitglieder des englischen<lb/> Oberhauses scheint sich dort jedenfalls die Erkenntnis Bahn zu brechen, daß es<lb/> den englischen Interessen entspricht, wenn Verhandlungen zur Beendigung des<lb/> Krieges eingeleitet werden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
Staatenbund von Nordeuropa
Verlauf des Krieges verhalten wird. Die Erklärung des Reichskanzlers ist
von großer Tragweite. Noch einmal soll das Schicksal Belgiens in seine
eigenen Hände gegeben werden. Obwohl sich das Land Deutschlands Feinden
verschrieben hat, obwohl es unter schweren Opfern bis auf einen kleinen Teil
erobert ist und seit Jahr und Tag unter deutscher Herrschaft steht, soll doch
von dem Recht des Siegers kein rücksichtsloser Gebrauch gemacht werden.
Die belgischen Interessen sollen geschont werden, soweit es die Rücksicht auf
die Sicherheit des Deutschen Reiches zuläßt. Der Ausgleich der Interessen
beider Teile wird sich um so leichter vollziehen, je entschiedener Belgien seine
feindselige Stellung gegen das Deutsche Reich aufgibt. Damit ist König
Albert neuerdings vor eine folgenschwere Entscheidung gestellt. Vielleicht
konnte er bei Ausbruch des Krieges im Hinblick auf die nun einmal bestehen¬
den Abmachungen nicht anders handeln, als es geschehen ist. Welche Ent¬
schließung er zum Besten seines schwergeprüften Landes getroffen haben würde,
wenn er die Entwickelung der Dinge hätte voraussehen können, ist eine müßige
Frage. Nach menschlichem Ermessen wäre aber Belgien im Bunde mit
Deutschland besser gefahren. Noch einmal bietet sich jetzt unter veränderten
Verhältnissen die Möglichkeit einer Verständigung. Der Krieg hat ausgiebige
Gelegenheit gegeben, die militärische und wirtschaftliche Kraft Deutschlands mit
der seiner Gegner zu vergleichen und zu beurteilen, ob mit Sicherheit darauf
zu rechnen ist, daß Deutschland, im Westen und Osten siegreich, nun plötzlich
überwältigt werden wird. Die belgische Bevölkerung, der auch deutsche Ver¬
waltung nicht fremd geblieben ist, kann nun selbst urteilen, ob ihr Staatswesen
in Anlehnung an die.stärkste Militärmacht Europas nicht auf besseren Schutz
rechnen kann, als mit Hilfe seiner bisherigen Bundesgenossen. Daß diese
einer Lösung der belgischen Frage in dem angedeuteten Sinne unter allen
Umständen abgeneigt sein würden, läßt sich kaum behaupten. Sollten sie des
Krieges müde sein, wofür manche Zeichen sprechen, so könnte ihnen eine der¬
artige Lösung vielmehr willkommen erscheinen, um sich aus einer schwierigen
Lage zu befreien. Denn sie wären insoweit eigener Opfer überhoben und
nicht genötigt, einen treuen Bundesgenossen preiszugeben. Nach den bekannten,
offenbar wohlüberlegten Erklärungen hervorragender Mitglieder des englischen
Oberhauses scheint sich dort jedenfalls die Erkenntnis Bahn zu brechen, daß es
den englischen Interessen entspricht, wenn Verhandlungen zur Beendigung des
Krieges eingeleitet werden.
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