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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Die Macht des amerikanischen Präsidenten

um mit Gouverneur Morris zu reden, dem Lande einen Präsidenten gab, der
ein Beschützer des Volkes, einschließlich der niedrigsten Klassen, gegen legislative
Tyrannei und die mächtigen und reichen Leute sein sollte, aus denen sich im
Laufe der Zeit die Legislatur notgedrungen zusammensetzen würde. Um jedoch
die Autorität des Präsidenten zu beschränken, wurde eine häufige Neuwahl,
sowie die eventuelle Versetzung in den Anklagezustand und eine Begrenzung seiner
Macht durch ein politisches Gleichgewicht ("elent8 alte? ba,Ianees-sy8t,em")
angeordnet. Der Präsident erhielt den Oberbefehl über die Landarmee, aber
das Recht einer Kriegserklärung verblieb dem Kongreß. Ferner konnte der Prä¬
sident keine Verträge ohne Zustimmung des Kongresses -- der amerikanische
Senat wird vom Volke der "Kirchhof für Verträge" genannt -- abschließen, wie
diesem auch vorbehalten blieb, ein Veto des Präsidenten mit zweidrittel
Stimmen beider Häuser zu verwerfen. Außerdem hielt der Kongreß den Staats¬
säckel mit beiden Händen fest.

Schon unter dem ersten Präsidenten George Washington kam es zu kleinen
Reibungen zwischen der Exekutive und dem Senat. Aber William Mackay,
der Senator von Pennsylvanien, schildert in seinen Aufzeichnungen, wie humor¬
voll der "Vater des Landes" es verstand, die Opposition durch -- ein opulentes
Mahl zu beschwichtigen. Bei der Abberufung des Gesandten in Paris, James
Monroe, ging Washington jedoch rücksichtslos vor und kümmerte sich nicht um
den Kongreß. Washingtons Popularität und seine damit verbundene Macht
waren nicht zum wenigsten darauf zurückzuführen, daß er sich von vornherein
bereit erklärt hatte, sein Amt ohne jede Bezahlung auszuüben.

Jefferson machte den Vertragsparagraphen so elastisch, daß er Napoleon
Louistana abkaufte; eine Prozedur, die Me Kinley bei der Annexion Hawais
und der Philippinen, sowie Roosevelt bei der Souveränität über die Panama¬
kanalzone nachahmten.

Jackson kümmerte sich den Teufel um den Kongreß, belegte mit seinem
Veto alle ihm nicht zusagenden Vorlagen und jagte im ersten Amtsjahre über
2000 Beamte aus dem politischen Staatstempel. Er war der Vater des Mottos:
"Dem Sieger die Beute", dem erst im Jahre 1883 das infolge der Ermordung
des Präsidenten Garfield zustandegekommene PendletonZivilverwaltungsgesetz
ein Ende bereitete.

Andrew Johnson warf dem Kongreß offen den Fehdehandschuh hin, als
er ohne Zustimmung des Senats das Entlassungsgesuch des Kriegssekretärs
Stanton forderte. Er war der erste Präsident der Vereinigten Staaten, der
vom Kongreß in den Anklagezustand versetzt wurde.

Von Lincoln sagt Grant in seinen Erinnerungen: "Lincoln bedürfte keines
Vormundes zu seiner Unterstützung bei der Erfüllung seiner öffentlichen Pflichten.
Er gewann seinen Einfluß auf die Leute dadurch, daß er ihnen das Gefühl
beibrachte, es sei ein Vergnügen, ihm zu dienen. Er entsagte lieber seinem eigenen
Wunsche, um anderen gefällig zu sein, als daß er auf seinen Willen bestand."


Die Macht des amerikanischen Präsidenten

um mit Gouverneur Morris zu reden, dem Lande einen Präsidenten gab, der
ein Beschützer des Volkes, einschließlich der niedrigsten Klassen, gegen legislative
Tyrannei und die mächtigen und reichen Leute sein sollte, aus denen sich im
Laufe der Zeit die Legislatur notgedrungen zusammensetzen würde. Um jedoch
die Autorität des Präsidenten zu beschränken, wurde eine häufige Neuwahl,
sowie die eventuelle Versetzung in den Anklagezustand und eine Begrenzung seiner
Macht durch ein politisches Gleichgewicht („elent8 alte? ba,Ianees-sy8t,em")
angeordnet. Der Präsident erhielt den Oberbefehl über die Landarmee, aber
das Recht einer Kriegserklärung verblieb dem Kongreß. Ferner konnte der Prä¬
sident keine Verträge ohne Zustimmung des Kongresses — der amerikanische
Senat wird vom Volke der „Kirchhof für Verträge" genannt — abschließen, wie
diesem auch vorbehalten blieb, ein Veto des Präsidenten mit zweidrittel
Stimmen beider Häuser zu verwerfen. Außerdem hielt der Kongreß den Staats¬
säckel mit beiden Händen fest.

Schon unter dem ersten Präsidenten George Washington kam es zu kleinen
Reibungen zwischen der Exekutive und dem Senat. Aber William Mackay,
der Senator von Pennsylvanien, schildert in seinen Aufzeichnungen, wie humor¬
voll der „Vater des Landes" es verstand, die Opposition durch — ein opulentes
Mahl zu beschwichtigen. Bei der Abberufung des Gesandten in Paris, James
Monroe, ging Washington jedoch rücksichtslos vor und kümmerte sich nicht um
den Kongreß. Washingtons Popularität und seine damit verbundene Macht
waren nicht zum wenigsten darauf zurückzuführen, daß er sich von vornherein
bereit erklärt hatte, sein Amt ohne jede Bezahlung auszuüben.

Jefferson machte den Vertragsparagraphen so elastisch, daß er Napoleon
Louistana abkaufte; eine Prozedur, die Me Kinley bei der Annexion Hawais
und der Philippinen, sowie Roosevelt bei der Souveränität über die Panama¬
kanalzone nachahmten.

Jackson kümmerte sich den Teufel um den Kongreß, belegte mit seinem
Veto alle ihm nicht zusagenden Vorlagen und jagte im ersten Amtsjahre über
2000 Beamte aus dem politischen Staatstempel. Er war der Vater des Mottos:
„Dem Sieger die Beute", dem erst im Jahre 1883 das infolge der Ermordung
des Präsidenten Garfield zustandegekommene PendletonZivilverwaltungsgesetz
ein Ende bereitete.

Andrew Johnson warf dem Kongreß offen den Fehdehandschuh hin, als
er ohne Zustimmung des Senats das Entlassungsgesuch des Kriegssekretärs
Stanton forderte. Er war der erste Präsident der Vereinigten Staaten, der
vom Kongreß in den Anklagezustand versetzt wurde.

Von Lincoln sagt Grant in seinen Erinnerungen: „Lincoln bedürfte keines
Vormundes zu seiner Unterstützung bei der Erfüllung seiner öffentlichen Pflichten.
Er gewann seinen Einfluß auf die Leute dadurch, daß er ihnen das Gefühl
beibrachte, es sei ein Vergnügen, ihm zu dienen. Er entsagte lieber seinem eigenen
Wunsche, um anderen gefällig zu sein, als daß er auf seinen Willen bestand."


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[0358] Die Macht des amerikanischen Präsidenten um mit Gouverneur Morris zu reden, dem Lande einen Präsidenten gab, der ein Beschützer des Volkes, einschließlich der niedrigsten Klassen, gegen legislative Tyrannei und die mächtigen und reichen Leute sein sollte, aus denen sich im Laufe der Zeit die Legislatur notgedrungen zusammensetzen würde. Um jedoch die Autorität des Präsidenten zu beschränken, wurde eine häufige Neuwahl, sowie die eventuelle Versetzung in den Anklagezustand und eine Begrenzung seiner Macht durch ein politisches Gleichgewicht („elent8 alte? ba,Ianees-sy8t,em") angeordnet. Der Präsident erhielt den Oberbefehl über die Landarmee, aber das Recht einer Kriegserklärung verblieb dem Kongreß. Ferner konnte der Prä¬ sident keine Verträge ohne Zustimmung des Kongresses — der amerikanische Senat wird vom Volke der „Kirchhof für Verträge" genannt — abschließen, wie diesem auch vorbehalten blieb, ein Veto des Präsidenten mit zweidrittel Stimmen beider Häuser zu verwerfen. Außerdem hielt der Kongreß den Staats¬ säckel mit beiden Händen fest. Schon unter dem ersten Präsidenten George Washington kam es zu kleinen Reibungen zwischen der Exekutive und dem Senat. Aber William Mackay, der Senator von Pennsylvanien, schildert in seinen Aufzeichnungen, wie humor¬ voll der „Vater des Landes" es verstand, die Opposition durch — ein opulentes Mahl zu beschwichtigen. Bei der Abberufung des Gesandten in Paris, James Monroe, ging Washington jedoch rücksichtslos vor und kümmerte sich nicht um den Kongreß. Washingtons Popularität und seine damit verbundene Macht waren nicht zum wenigsten darauf zurückzuführen, daß er sich von vornherein bereit erklärt hatte, sein Amt ohne jede Bezahlung auszuüben. Jefferson machte den Vertragsparagraphen so elastisch, daß er Napoleon Louistana abkaufte; eine Prozedur, die Me Kinley bei der Annexion Hawais und der Philippinen, sowie Roosevelt bei der Souveränität über die Panama¬ kanalzone nachahmten. Jackson kümmerte sich den Teufel um den Kongreß, belegte mit seinem Veto alle ihm nicht zusagenden Vorlagen und jagte im ersten Amtsjahre über 2000 Beamte aus dem politischen Staatstempel. Er war der Vater des Mottos: „Dem Sieger die Beute", dem erst im Jahre 1883 das infolge der Ermordung des Präsidenten Garfield zustandegekommene PendletonZivilverwaltungsgesetz ein Ende bereitete. Andrew Johnson warf dem Kongreß offen den Fehdehandschuh hin, als er ohne Zustimmung des Senats das Entlassungsgesuch des Kriegssekretärs Stanton forderte. Er war der erste Präsident der Vereinigten Staaten, der vom Kongreß in den Anklagezustand versetzt wurde. Von Lincoln sagt Grant in seinen Erinnerungen: „Lincoln bedürfte keines Vormundes zu seiner Unterstützung bei der Erfüllung seiner öffentlichen Pflichten. Er gewann seinen Einfluß auf die Leute dadurch, daß er ihnen das Gefühl beibrachte, es sei ein Vergnügen, ihm zu dienen. Er entsagte lieber seinem eigenen Wunsche, um anderen gefällig zu sein, als daß er auf seinen Willen bestand."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/358>, abgerufen am 15.01.2025.