Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Der geschlossene Handelsstaat Fichtes in Zahlung nimmt, sehen wir alltäglich vor Augen. Wir bezahlen große Das Metallgeld, das jetzt allein noch Weltgeld ist. das Gold, ist im Besitze Dagegen ist die für den Vernunftstaat geforderte Monopolisierung des Wenn es gelingen konnte, in der Not des Krieges den geschlossenen Handels¬ Gewiß sind deutsche Schutzgebiete über See von Wert. Aber sie sind mehr Der geschlossene Handelsstaat Fichtes in Zahlung nimmt, sehen wir alltäglich vor Augen. Wir bezahlen große Das Metallgeld, das jetzt allein noch Weltgeld ist. das Gold, ist im Besitze Dagegen ist die für den Vernunftstaat geforderte Monopolisierung des Wenn es gelingen konnte, in der Not des Krieges den geschlossenen Handels¬ Gewiß sind deutsche Schutzgebiete über See von Wert. Aber sie sind mehr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330016"/> <fw type="header" place="top"> Der geschlossene Handelsstaat Fichtes</fw><lb/> <p xml:id="ID_1144" prev="#ID_1143"> in Zahlung nimmt, sehen wir alltäglich vor Augen. Wir bezahlen große<lb/> Summen mit Papierfetzen, die kaum Pfennigwert haben, kleinere Beträge mit<lb/> Eisen, das noch umlaufende Silber und Nickel könnte von der Bildfläche ver¬<lb/> schwinden, ohne daß unser Wirtschaftsleben davon auch nur im Geringsten<lb/> berührt würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1145"> Das Metallgeld, das jetzt allein noch Weltgeld ist. das Gold, ist im Besitze<lb/> der Reichsbank. Mag hier und da noch ein Drache kleinere Goldbeträge hüten,<lb/> das Gold ist jedenfalls nicht mehr im Verkehre. Denn sobald es an eine<lb/> öffentliche Kasse gelangt, vielfach auch durch freiwillige Einzahlung, verschwindet<lb/> es in der Reichsbank. Diese Monopolisierung des Goldbesitzes für die Staats¬<lb/> gewalt dient allerdings nicht für den noch bestehenden Auslandshandel, der dem<lb/> Staate vorbehalten sein sollte, sondern zur Deckung der Noten im Interesse des<lb/> inneren Kredits. Soweit noch ein Auslandshandel besteht, müssen die ein¬<lb/> geführten Werte durch Beschaffung ausländischer Wechsel gedeckt werden. Aber<lb/> der Staat allein hat das Weltgeld.</p><lb/> <p xml:id="ID_1146"> Dagegen ist die für den Vernunftstaat geforderte Monopolisierung des<lb/> Auslandshandels durch den Staat im weitesten Umfange durchgeführt. Überall<lb/> fehen wir privilegierte Einkaufsgenossenschaften im Auftrage des Reiches die<lb/> ausländische Ware einführen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1147"> Wenn es gelingen konnte, in der Not des Krieges den geschlossenen Handels¬<lb/> staat durchzuführen, Deutschland in Selbstgenügsamkeit alle wesentlichen Be¬<lb/> dürfnisse in sich selbst befriedigen zu lassen, so ist das hauptsächlich dem Um¬<lb/> stände zu verdanken, daß die deutsche Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten<lb/> zu immer größerer Leistungsfähigkeit gelangt ist. Der Aushungerungsplan<lb/> Englands ist damit vereitelt, wir können es aushalten. Aber niemand wird<lb/> behaupten, daß der bestehende Zustand mit Brotkarten, den Reihen der Butter¬<lb/> klageweiber und Fleischknappheit gerade ein idealer sein soll. Derselben Gefahr<lb/> wie jetzt kann Deutschland jederzeit wieder ausgesetzt sein. Denn wir führen<lb/> erst den ersten punischen Krieg mit England. Und keine vergangenen oder<lb/> künftigen Verträge werden uns die Freiheit des Meeres gewährleisten. Zu den<lb/> realen Sicherheiten, die der Reichskanzler als unumgängliche Forderung des<lb/> deutschen Friedens bezeichnet hat, gehört die Sicherung unseres deutschen Wirt¬<lb/> schaftslebens für die Zukunft. Das find die natürlichen Grenzen des geschlossenen<lb/> Handelsstaates, auf daß er alle wirtschaftlichen Bedürfnisse, auch vom Meere<lb/> abgeschnitten, in sich selbst befriedigen könne. Das heißt auf der einen Seite<lb/> die Erweiterung des deutschen Industriegebietes, auf der anderen Seite die Aus¬<lb/> dehnung des Gebietes für Landwirtschaft und Viehzucht, auf daß beide in stetig<lb/> aufblühender Entwicklung die wirtschaftlichen Bedürfnisse nicht nur für die vor¬<lb/> handenen, fondern auch für weitere kommende Millionen des deutschen Volkes<lb/> befriedigen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1148" next="#ID_1149"> Gewiß sind deutsche Schutzgebiete über See von Wert. Aber sie sind mehr<lb/> Gegenstand des nationalen Luxus, den sich ein reiches und mächtiges Volk wohl</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0348]
Der geschlossene Handelsstaat Fichtes
in Zahlung nimmt, sehen wir alltäglich vor Augen. Wir bezahlen große
Summen mit Papierfetzen, die kaum Pfennigwert haben, kleinere Beträge mit
Eisen, das noch umlaufende Silber und Nickel könnte von der Bildfläche ver¬
schwinden, ohne daß unser Wirtschaftsleben davon auch nur im Geringsten
berührt würde.
Das Metallgeld, das jetzt allein noch Weltgeld ist. das Gold, ist im Besitze
der Reichsbank. Mag hier und da noch ein Drache kleinere Goldbeträge hüten,
das Gold ist jedenfalls nicht mehr im Verkehre. Denn sobald es an eine
öffentliche Kasse gelangt, vielfach auch durch freiwillige Einzahlung, verschwindet
es in der Reichsbank. Diese Monopolisierung des Goldbesitzes für die Staats¬
gewalt dient allerdings nicht für den noch bestehenden Auslandshandel, der dem
Staate vorbehalten sein sollte, sondern zur Deckung der Noten im Interesse des
inneren Kredits. Soweit noch ein Auslandshandel besteht, müssen die ein¬
geführten Werte durch Beschaffung ausländischer Wechsel gedeckt werden. Aber
der Staat allein hat das Weltgeld.
Dagegen ist die für den Vernunftstaat geforderte Monopolisierung des
Auslandshandels durch den Staat im weitesten Umfange durchgeführt. Überall
fehen wir privilegierte Einkaufsgenossenschaften im Auftrage des Reiches die
ausländische Ware einführen.
Wenn es gelingen konnte, in der Not des Krieges den geschlossenen Handels¬
staat durchzuführen, Deutschland in Selbstgenügsamkeit alle wesentlichen Be¬
dürfnisse in sich selbst befriedigen zu lassen, so ist das hauptsächlich dem Um¬
stände zu verdanken, daß die deutsche Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten
zu immer größerer Leistungsfähigkeit gelangt ist. Der Aushungerungsplan
Englands ist damit vereitelt, wir können es aushalten. Aber niemand wird
behaupten, daß der bestehende Zustand mit Brotkarten, den Reihen der Butter¬
klageweiber und Fleischknappheit gerade ein idealer sein soll. Derselben Gefahr
wie jetzt kann Deutschland jederzeit wieder ausgesetzt sein. Denn wir führen
erst den ersten punischen Krieg mit England. Und keine vergangenen oder
künftigen Verträge werden uns die Freiheit des Meeres gewährleisten. Zu den
realen Sicherheiten, die der Reichskanzler als unumgängliche Forderung des
deutschen Friedens bezeichnet hat, gehört die Sicherung unseres deutschen Wirt¬
schaftslebens für die Zukunft. Das find die natürlichen Grenzen des geschlossenen
Handelsstaates, auf daß er alle wirtschaftlichen Bedürfnisse, auch vom Meere
abgeschnitten, in sich selbst befriedigen könne. Das heißt auf der einen Seite
die Erweiterung des deutschen Industriegebietes, auf der anderen Seite die Aus¬
dehnung des Gebietes für Landwirtschaft und Viehzucht, auf daß beide in stetig
aufblühender Entwicklung die wirtschaftlichen Bedürfnisse nicht nur für die vor¬
handenen, fondern auch für weitere kommende Millionen des deutschen Volkes
befriedigen können.
Gewiß sind deutsche Schutzgebiete über See von Wert. Aber sie sind mehr
Gegenstand des nationalen Luxus, den sich ein reiches und mächtiges Volk wohl
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |