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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Der geschlossene Hcmdelsstaat Lichtes

Vermögens, von dem sie Abgaben ziehen könnten, auf Kosten anderer zu schaffen.
Jede Regierung habe das Verhältnis bisher zu ihren Gunsten zu wenden ge¬
sucht, z. B. dadurch, daß sie Geld ins Land zog und die Einfuhr fremder
Erzeugnisse erschwerte oder verhinderte. Indem nun jede Regierung die gleichen
Mittel anwende, entstehe ein allgemeiner geheimer Handelskrieg. Andererseits
erwachse daraus Unzufriedenheit der Untertanen mit ihrer Regierung, die sie
im freien wirtschaftlichen Verkehr hemme und der Versuch, diese Unterbindung
durch List zu überwinden. Damit werde der internationale Kampf wieder
innerhalb des Staates fortgesetzt.

Wie ist nun der bisherige Zustand in den geschlossenen Handelsstaat über¬
zuführen?

Der einzelne Bürger hat als Mitglied der bisherigen allgemeinen Handels¬
republik ein erworbenes Recht auf die äußeren Güter, die ihm bisher zuflössen.
Soweit es sich bloß um Verfertigung dieser Güter handelt, kann dieser Zustand
auch weiter aufrecht erhalten werden. Denn verfertigen kann man schließlich
alles im Inlande. Es handelt sich nur um die Rohstoffe, die allerdings nicht
alle im Lande herzustellen sind. Allein auch diese lassen sich teilweise ersetzen.
Es kommt nur auf die allmähliche Entwöhnung und Umgewöhnung an.

Der geschlossene Handelsstaat als solcher hat Anspruch auf natürliche
Grenzen, was nicht nur im militärischen Sinne zu verstehen ist, sondern im
Sinne produktiver Selbständigkeit und Selbstgenügsamkeit. Der Staat muß
sich derart arrondieren, daß innerhalb seiner Grenzen alle Bedürfnisse des Wirt¬
schaftslebens gleichmäßig Berücksichtigung finden. Damit verschwänden denu
auch in Zukunft die Gründe zum Kriege.

Dann kann der unmittelbare Wirtschaftsverkehr des Bürgers mit dem
Auslande aufgehoben werden. Das geschieht dadurch, daß man ihm das aus
Gold und Silber geprägte Weltgeld, das man überall leicht umwechseln kann,
nimmt und ihm ein nur innerhalb des Landes geltendes Landesgeld gibt. Das
bisherige Weltgeld braucht nur noch die Regierung selbst für Zwecke außerhalb
des Landes. Gleichzeitig bemächtigt sich die Regierung des gesamten Auslands¬
handels, indem sie die noch im Lande befindliche ausländische Ware aufkauft
und künftig den wirtschaftlichen Verkehr mit dem Auslande sich selbst vorbehält.
Die Regierung verkehrt gegenüber dem Auslande mit Weltgeld, gegenüber den
eigenen Bürgern mit Landesgeld. Dabei ist aber immer im Auge zu behalten,
daß es sich nur um einen Übergangszustand handelt, und der Auslandsverkehr
des in sich selbst genügsamen geschlossenen Handelsstaates schließlich überhaupt
aufhören soll, sobald man im Inlande den notwendigen Ersatz für die bisher
vom Auslande eingeführten Erzeugnisse gefunden hat.

War es nicht eine seltsame Verirrung der Phantasie, in einem Zeitalter,
das gerade der freien Entfesselung aller wirtschaftlichen Kräfte zustrebte, dieses
sozialistische Staatsideal aufzustellen und einem preußischen Minister zu widmen?
Die Mängel des herrschenden Merkantilsystems, bei dem jeder Staat möglichst


Der geschlossene Hcmdelsstaat Lichtes

Vermögens, von dem sie Abgaben ziehen könnten, auf Kosten anderer zu schaffen.
Jede Regierung habe das Verhältnis bisher zu ihren Gunsten zu wenden ge¬
sucht, z. B. dadurch, daß sie Geld ins Land zog und die Einfuhr fremder
Erzeugnisse erschwerte oder verhinderte. Indem nun jede Regierung die gleichen
Mittel anwende, entstehe ein allgemeiner geheimer Handelskrieg. Andererseits
erwachse daraus Unzufriedenheit der Untertanen mit ihrer Regierung, die sie
im freien wirtschaftlichen Verkehr hemme und der Versuch, diese Unterbindung
durch List zu überwinden. Damit werde der internationale Kampf wieder
innerhalb des Staates fortgesetzt.

Wie ist nun der bisherige Zustand in den geschlossenen Handelsstaat über¬
zuführen?

Der einzelne Bürger hat als Mitglied der bisherigen allgemeinen Handels¬
republik ein erworbenes Recht auf die äußeren Güter, die ihm bisher zuflössen.
Soweit es sich bloß um Verfertigung dieser Güter handelt, kann dieser Zustand
auch weiter aufrecht erhalten werden. Denn verfertigen kann man schließlich
alles im Inlande. Es handelt sich nur um die Rohstoffe, die allerdings nicht
alle im Lande herzustellen sind. Allein auch diese lassen sich teilweise ersetzen.
Es kommt nur auf die allmähliche Entwöhnung und Umgewöhnung an.

Der geschlossene Handelsstaat als solcher hat Anspruch auf natürliche
Grenzen, was nicht nur im militärischen Sinne zu verstehen ist, sondern im
Sinne produktiver Selbständigkeit und Selbstgenügsamkeit. Der Staat muß
sich derart arrondieren, daß innerhalb seiner Grenzen alle Bedürfnisse des Wirt¬
schaftslebens gleichmäßig Berücksichtigung finden. Damit verschwänden denu
auch in Zukunft die Gründe zum Kriege.

Dann kann der unmittelbare Wirtschaftsverkehr des Bürgers mit dem
Auslande aufgehoben werden. Das geschieht dadurch, daß man ihm das aus
Gold und Silber geprägte Weltgeld, das man überall leicht umwechseln kann,
nimmt und ihm ein nur innerhalb des Landes geltendes Landesgeld gibt. Das
bisherige Weltgeld braucht nur noch die Regierung selbst für Zwecke außerhalb
des Landes. Gleichzeitig bemächtigt sich die Regierung des gesamten Auslands¬
handels, indem sie die noch im Lande befindliche ausländische Ware aufkauft
und künftig den wirtschaftlichen Verkehr mit dem Auslande sich selbst vorbehält.
Die Regierung verkehrt gegenüber dem Auslande mit Weltgeld, gegenüber den
eigenen Bürgern mit Landesgeld. Dabei ist aber immer im Auge zu behalten,
daß es sich nur um einen Übergangszustand handelt, und der Auslandsverkehr
des in sich selbst genügsamen geschlossenen Handelsstaates schließlich überhaupt
aufhören soll, sobald man im Inlande den notwendigen Ersatz für die bisher
vom Auslande eingeführten Erzeugnisse gefunden hat.

War es nicht eine seltsame Verirrung der Phantasie, in einem Zeitalter,
das gerade der freien Entfesselung aller wirtschaftlichen Kräfte zustrebte, dieses
sozialistische Staatsideal aufzustellen und einem preußischen Minister zu widmen?
Die Mängel des herrschenden Merkantilsystems, bei dem jeder Staat möglichst


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[0344] Der geschlossene Hcmdelsstaat Lichtes Vermögens, von dem sie Abgaben ziehen könnten, auf Kosten anderer zu schaffen. Jede Regierung habe das Verhältnis bisher zu ihren Gunsten zu wenden ge¬ sucht, z. B. dadurch, daß sie Geld ins Land zog und die Einfuhr fremder Erzeugnisse erschwerte oder verhinderte. Indem nun jede Regierung die gleichen Mittel anwende, entstehe ein allgemeiner geheimer Handelskrieg. Andererseits erwachse daraus Unzufriedenheit der Untertanen mit ihrer Regierung, die sie im freien wirtschaftlichen Verkehr hemme und der Versuch, diese Unterbindung durch List zu überwinden. Damit werde der internationale Kampf wieder innerhalb des Staates fortgesetzt. Wie ist nun der bisherige Zustand in den geschlossenen Handelsstaat über¬ zuführen? Der einzelne Bürger hat als Mitglied der bisherigen allgemeinen Handels¬ republik ein erworbenes Recht auf die äußeren Güter, die ihm bisher zuflössen. Soweit es sich bloß um Verfertigung dieser Güter handelt, kann dieser Zustand auch weiter aufrecht erhalten werden. Denn verfertigen kann man schließlich alles im Inlande. Es handelt sich nur um die Rohstoffe, die allerdings nicht alle im Lande herzustellen sind. Allein auch diese lassen sich teilweise ersetzen. Es kommt nur auf die allmähliche Entwöhnung und Umgewöhnung an. Der geschlossene Handelsstaat als solcher hat Anspruch auf natürliche Grenzen, was nicht nur im militärischen Sinne zu verstehen ist, sondern im Sinne produktiver Selbständigkeit und Selbstgenügsamkeit. Der Staat muß sich derart arrondieren, daß innerhalb seiner Grenzen alle Bedürfnisse des Wirt¬ schaftslebens gleichmäßig Berücksichtigung finden. Damit verschwänden denu auch in Zukunft die Gründe zum Kriege. Dann kann der unmittelbare Wirtschaftsverkehr des Bürgers mit dem Auslande aufgehoben werden. Das geschieht dadurch, daß man ihm das aus Gold und Silber geprägte Weltgeld, das man überall leicht umwechseln kann, nimmt und ihm ein nur innerhalb des Landes geltendes Landesgeld gibt. Das bisherige Weltgeld braucht nur noch die Regierung selbst für Zwecke außerhalb des Landes. Gleichzeitig bemächtigt sich die Regierung des gesamten Auslands¬ handels, indem sie die noch im Lande befindliche ausländische Ware aufkauft und künftig den wirtschaftlichen Verkehr mit dem Auslande sich selbst vorbehält. Die Regierung verkehrt gegenüber dem Auslande mit Weltgeld, gegenüber den eigenen Bürgern mit Landesgeld. Dabei ist aber immer im Auge zu behalten, daß es sich nur um einen Übergangszustand handelt, und der Auslandsverkehr des in sich selbst genügsamen geschlossenen Handelsstaates schließlich überhaupt aufhören soll, sobald man im Inlande den notwendigen Ersatz für die bisher vom Auslande eingeführten Erzeugnisse gefunden hat. War es nicht eine seltsame Verirrung der Phantasie, in einem Zeitalter, das gerade der freien Entfesselung aller wirtschaftlichen Kräfte zustrebte, dieses sozialistische Staatsideal aufzustellen und einem preußischen Minister zu widmen? Die Mängel des herrschenden Merkantilsystems, bei dem jeder Staat möglichst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/344>, abgerufen am 15.01.2025.