Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Koalitionskrieg Telegraph" sich etwas zu optimistisch äußert, wenn er nur von einem gelegentlichen Das große Problem, wie man es anstellen muß, um dem einheitlichen Kaum war das erste britische Expeditionskorps auf dem Kontinent angekommen, Man erinnert sich ferner an die ersten Depeschen des Feldmarschalls French, Koalitionskrieg Telegraph" sich etwas zu optimistisch äußert, wenn er nur von einem gelegentlichen Das große Problem, wie man es anstellen muß, um dem einheitlichen Kaum war das erste britische Expeditionskorps auf dem Kontinent angekommen, Man erinnert sich ferner an die ersten Depeschen des Feldmarschalls French, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0312" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329980"/> <fw type="header" place="top"> Koalitionskrieg</fw><lb/> <p xml:id="ID_1027" prev="#ID_1026"> Telegraph" sich etwas zu optimistisch äußert, wenn er nur von einem gelegentlichen<lb/> Auseinandergehen der Anschauungen über die Mittel spricht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1028"> Das große Problem, wie man es anstellen muß, um dem einheitlichen<lb/> Vorgehen der Zentralmächte ein ähnlich einheitliches Vorgehen entgegenzusetzen,<lb/> bildete bei den Vierverbandsmächten allerdings schon lange den Gegenstand von<lb/> Beratungen gemeinsamer Kriegsräte und von unzähligen Leitartikeln und Aufsätzen<lb/> militärischer Fachmänner. Trotzdem hat man das Gefühl, daß dabei bisher<lb/> eigentlich nichts herausgekommen ist. Man macht Versuche über Versuche und<lb/> vergißt, daß das, was man eigentlich anstrebt, nämlich größere Einfachheit, nicht<lb/> erreicht wird, sondern daß man aus dem herrschenden Durcheinander in eine<lb/> immer unangenehmere Kompliziertheit hineingerät. Und wenn man schließlich<lb/> sieht, daß die erhoffte Verbesserung der Lage nicht eingetreten ist, bemüht man<lb/> sich, die Gründe für das Fehlschlagen der Pläne ausfindig zu machen und dem<lb/> enttäuschten Publikum zu erklären, warum es fo kommen mußte und nicht<lb/> anders: Man vertröstet den Leser auf den nächsten Frühling, den nächsten<lb/> Sommer, Herbst und Winter, ori est toujours en retarcl ä'une annee, ä'une<lb/> armes et ä'une pensee. Gibt es in diesem Kriege einen schwergeprüfteren<lb/> Mann als den gläubigen Leser von Ententezeitungen und -Zeitschriften?</p><lb/> <p xml:id="ID_1029"> Kaum war das erste britische Expeditionskorps auf dem Kontinent angekommen,<lb/> als man auch schon von Reibungen zwischen dem französischen und dem britischen<lb/> Oberkommandierenden hörte. Die Meinungsverschiedenheiten beschränkten sich<lb/> nicht nur auf das Zusammenwirken der Verbündeten, sie waren auch in jedem<lb/> einzelnen Lager, vor allem aber in England, so stark fühlbar, daß daraus für<lb/> die Sieben, die ausgezogen waren, um Deutschland und Österreich-Ungarn zu<lb/> vernichten und die Landkarte Mitteleuropas gründlich umzuändern, die unheil¬<lb/> vollsten Folgen entstanden. Die mißlungene Entsetzung Antwerpens durch<lb/> Churchills Marinebrigade, dieses Meisterstück an militärischem Unverstand, das<lb/> sich der erste Lord der Admiralität anscheinend ganz auf eigene Faust leistete,<lb/> ist wohl das klassischste Beispiel in der ersten Phase des Krieges. Einige<lb/> zehntausend halbausgebildete Amateursoldaten hätten damals eine verlorene<lb/> Stellung retten sollen. Ganze Scharen von ihnen gerieten in holländische<lb/> Kriegsgefangenschaft. Da sie bessere Schauspieler als Soldaten sind, ist aus<lb/> ihnen eine im Lande sehr beliebte Käbarettruppe, die „Timbertown Follies",<lb/> wie sie sich selbstironisierend nennen, hervorgegangen, die mit Erlaubnis der<lb/> holländischen Militärbehörden die Städte bereist und zugunsten der durch die<lb/> Wassersnot Betroffenen Vorstellungen gibt. Das Schicksal war ihnen aber<lb/> auch hier nicht hold. Nachdem ihnen das Glück der Freiheit eine Weile ge¬<lb/> lächelt hatte, mußten sie plötzlich wieder ins Gefangenenlager nach Groningen<lb/> zurück, um dort Strafen wegen eines nicht ganz aufgeklärten Möbeldiebstahls<lb/> abzusitzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1030" next="#ID_1031"> Man erinnert sich ferner an die ersten Depeschen des Feldmarschalls French,<lb/> die scharfe Kritiken einiger französischer Generäle enthielten, und deren rückfichts-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0312]
Koalitionskrieg
Telegraph" sich etwas zu optimistisch äußert, wenn er nur von einem gelegentlichen
Auseinandergehen der Anschauungen über die Mittel spricht.
Das große Problem, wie man es anstellen muß, um dem einheitlichen
Vorgehen der Zentralmächte ein ähnlich einheitliches Vorgehen entgegenzusetzen,
bildete bei den Vierverbandsmächten allerdings schon lange den Gegenstand von
Beratungen gemeinsamer Kriegsräte und von unzähligen Leitartikeln und Aufsätzen
militärischer Fachmänner. Trotzdem hat man das Gefühl, daß dabei bisher
eigentlich nichts herausgekommen ist. Man macht Versuche über Versuche und
vergißt, daß das, was man eigentlich anstrebt, nämlich größere Einfachheit, nicht
erreicht wird, sondern daß man aus dem herrschenden Durcheinander in eine
immer unangenehmere Kompliziertheit hineingerät. Und wenn man schließlich
sieht, daß die erhoffte Verbesserung der Lage nicht eingetreten ist, bemüht man
sich, die Gründe für das Fehlschlagen der Pläne ausfindig zu machen und dem
enttäuschten Publikum zu erklären, warum es fo kommen mußte und nicht
anders: Man vertröstet den Leser auf den nächsten Frühling, den nächsten
Sommer, Herbst und Winter, ori est toujours en retarcl ä'une annee, ä'une
armes et ä'une pensee. Gibt es in diesem Kriege einen schwergeprüfteren
Mann als den gläubigen Leser von Ententezeitungen und -Zeitschriften?
Kaum war das erste britische Expeditionskorps auf dem Kontinent angekommen,
als man auch schon von Reibungen zwischen dem französischen und dem britischen
Oberkommandierenden hörte. Die Meinungsverschiedenheiten beschränkten sich
nicht nur auf das Zusammenwirken der Verbündeten, sie waren auch in jedem
einzelnen Lager, vor allem aber in England, so stark fühlbar, daß daraus für
die Sieben, die ausgezogen waren, um Deutschland und Österreich-Ungarn zu
vernichten und die Landkarte Mitteleuropas gründlich umzuändern, die unheil¬
vollsten Folgen entstanden. Die mißlungene Entsetzung Antwerpens durch
Churchills Marinebrigade, dieses Meisterstück an militärischem Unverstand, das
sich der erste Lord der Admiralität anscheinend ganz auf eigene Faust leistete,
ist wohl das klassischste Beispiel in der ersten Phase des Krieges. Einige
zehntausend halbausgebildete Amateursoldaten hätten damals eine verlorene
Stellung retten sollen. Ganze Scharen von ihnen gerieten in holländische
Kriegsgefangenschaft. Da sie bessere Schauspieler als Soldaten sind, ist aus
ihnen eine im Lande sehr beliebte Käbarettruppe, die „Timbertown Follies",
wie sie sich selbstironisierend nennen, hervorgegangen, die mit Erlaubnis der
holländischen Militärbehörden die Städte bereist und zugunsten der durch die
Wassersnot Betroffenen Vorstellungen gibt. Das Schicksal war ihnen aber
auch hier nicht hold. Nachdem ihnen das Glück der Freiheit eine Weile ge¬
lächelt hatte, mußten sie plötzlich wieder ins Gefangenenlager nach Groningen
zurück, um dort Strafen wegen eines nicht ganz aufgeklärten Möbeldiebstahls
abzusitzen.
Man erinnert sich ferner an die ersten Depeschen des Feldmarschalls French,
die scharfe Kritiken einiger französischer Generäle enthielten, und deren rückfichts-
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