Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Die französische Internationale und das ihrer Wähler mit Ausflüchten zu beruhigen: "Wir sind keine Partei Die persönliche Rechtfertigung der Führer fiel noch kläglicher und farbloser Statt den Irrtum zu bemänteln und zu verstecken, hätte man offen bekenne" Die französische Internationale und das ihrer Wähler mit Ausflüchten zu beruhigen: „Wir sind keine Partei Die persönliche Rechtfertigung der Führer fiel noch kläglicher und farbloser Statt den Irrtum zu bemänteln und zu verstecken, hätte man offen bekenne« <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0277" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329945"/> <fw type="header" place="top"> Die französische Internationale</fw><lb/> <p xml:id="ID_933" prev="#ID_932"> und das ihrer Wähler mit Ausflüchten zu beruhigen: „Wir sind keine Partei<lb/> von Quäkern: wir wissen, daß die Pflicht des Proletariats kein Hindernis ist<lb/> für die nationale und internationale Pflicht". Dekorative Politik. Heros, ein<lb/> Kind, das oft die Wahrheit sagt, sprach es aus: Die zweite Internationale ist<lb/> tot. Der Londoner Kongreß schrieb seinen Leichenstein.</p><lb/> <p xml:id="ID_934"> Die persönliche Rechtfertigung der Führer fiel noch kläglicher und farbloser<lb/> aus. So gab Guesde einem italienischen Ausfrager folgende nichtssagende<lb/> Antwort: „Wenn ich als Proletarier den fünften Stock eines Hauses bewohne,<lb/> in dessen erstem Stock mein Hauswirt wohnt, so werde ich mich natürlich nicht<lb/> weigern, das Haus mit allen Kräften vor dem Feuer zu schützen, wenn el»<lb/> Brand es bedroht" (Gazette de Lausanne vom 23. November 1914). Dieses<lb/> Gleichnis besagt weiter nichts als das, was wir schon lange wissen: auch der<lb/> Proletarier, der Mieter aus dem fünften Stock, hat ein Vaterland.</p><lb/> <p xml:id="ID_935"> Statt den Irrtum zu bemänteln und zu verstecken, hätte man offen bekenne«<lb/> sollen, was gerade die französische Internationale als die radikalste und<lb/> revolutionärste von allen aus dem Kriege zu lernen hat: der Staatsgedanke ist<lb/> stärker sis der internationale Gedanke. Und diese Überzeugung wird auch<lb/> künftighin der Entwicklung der Sozialdemokratie die Richtung geben, mag man<lb/> auch den Schatten der alten Internationale hinüberretten. Auf die internationale<lb/> Drohung wird der ehrliche Sozialdemokrat verzichten, um alle Umgestaltungen<lb/> im Rahmen der Nationalität zu erhoffen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0277]
Die französische Internationale
und das ihrer Wähler mit Ausflüchten zu beruhigen: „Wir sind keine Partei
von Quäkern: wir wissen, daß die Pflicht des Proletariats kein Hindernis ist
für die nationale und internationale Pflicht". Dekorative Politik. Heros, ein
Kind, das oft die Wahrheit sagt, sprach es aus: Die zweite Internationale ist
tot. Der Londoner Kongreß schrieb seinen Leichenstein.
Die persönliche Rechtfertigung der Führer fiel noch kläglicher und farbloser
aus. So gab Guesde einem italienischen Ausfrager folgende nichtssagende
Antwort: „Wenn ich als Proletarier den fünften Stock eines Hauses bewohne,
in dessen erstem Stock mein Hauswirt wohnt, so werde ich mich natürlich nicht
weigern, das Haus mit allen Kräften vor dem Feuer zu schützen, wenn el»
Brand es bedroht" (Gazette de Lausanne vom 23. November 1914). Dieses
Gleichnis besagt weiter nichts als das, was wir schon lange wissen: auch der
Proletarier, der Mieter aus dem fünften Stock, hat ein Vaterland.
Statt den Irrtum zu bemänteln und zu verstecken, hätte man offen bekenne«
sollen, was gerade die französische Internationale als die radikalste und
revolutionärste von allen aus dem Kriege zu lernen hat: der Staatsgedanke ist
stärker sis der internationale Gedanke. Und diese Überzeugung wird auch
künftighin der Entwicklung der Sozialdemokratie die Richtung geben, mag man
auch den Schatten der alten Internationale hinüberretten. Auf die internationale
Drohung wird der ehrliche Sozialdemokrat verzichten, um alle Umgestaltungen
im Rahmen der Nationalität zu erhoffen.
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