Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Gewerbliche Rinderarbeit doch nicht nur die Schädigung des Körpers in Betracht, sondern auch die Ab¬ Der Abgeordnete Liebknecht hat bei der Beratung des Justizetats im Im Einzelnen verteilen sich die verbrecherischen Handlungen wie folgt: Alle kriminelle Typenforschung, ebenso die Erhebungen der Leitung der Es wird sich niemals ermöglichen lassen, die Tätigüit unserer Kinder ganz Gewerbliche Rinderarbeit doch nicht nur die Schädigung des Körpers in Betracht, sondern auch die Ab¬ Der Abgeordnete Liebknecht hat bei der Beratung des Justizetats im Im Einzelnen verteilen sich die verbrecherischen Handlungen wie folgt: Alle kriminelle Typenforschung, ebenso die Erhebungen der Leitung der Es wird sich niemals ermöglichen lassen, die Tätigüit unserer Kinder ganz <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0229" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329897"/> <fw type="header" place="top"> Gewerbliche Rinderarbeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_719" prev="#ID_718"> doch nicht nur die Schädigung des Körpers in Betracht, sondern auch die Ab¬<lb/> nahme der Schuldisziplin, die Lehrmißerfolge. Die ungestörte Sicherung des<lb/> Schulbesuches ist für unsere Kinder des Volkes doppelt notwendig, weil sie Ab¬<lb/> kömmlinge von Arbeitenden sind und demzufolge des Erziehungsclementes,<lb/> das die Schule zu bieten vermag, nicht entraten können. Die Eltern können<lb/> . ihnen meist keine genügende Erziehung, sei es ans Zeitmangel, sei es aus Un¬<lb/> vermögen, zuteil werden lassen. Daß zwischen sittlicher Schädigung, jugend¬<lb/> licher Kriminalität und der Beschäftigung in gewerblichen Betrieben Zusammen¬<lb/> hänge bestehen, ist eine leider nur zu oft erwiesene Tatsache.</p><lb/> <p xml:id="ID_720"> Der Abgeordnete Liebknecht hat bei der Beratung des Justizetats im<lb/> Frühjahr 1914 im Abgeordnetenhause behauptet, die Kriminalität der Jugend¬<lb/> lichen habe sich eher verringert als vermehrt. Leider widerspricht dem die<lb/> ini April 1914 erschienene Kriminalstatistik für 1912. Aus ihr geht eine recht<lb/> erhebliche Steigerung der Zahl der verurteilten jugendlichen Personen hervor.<lb/> Es sind nach den Statistik verurteilt wegen: Verbrechen und Vergehen gegen<lb/> Reichsgesetze 54902 Personen unter 18 Jahren, gegen 50880 im Jahre 1911<lb/> und 49647 Personen im Jahre 1910. Gegenüber der Gesamtkriminalität stieg<lb/> die der Jugendlichen auch in bedauernswerten Umfange. Die Gcsamtkriminalität<lb/> stieg um 5,2 v. H., die der Jugendlichen um 7,3 v. H. Somit ist auch der<lb/> Anteil der Jugendlichen an der Gesamtkriminalität gestiegen, der in den Jahren<lb/> 1902—1908 stets um 10 v. H. geschwankt, im Jahre 1909 auf 9,13 v. H.<lb/> zurückgegangen war. Im Jahre 1912 ist er auf 9,45 v. H. gestiegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_721"> Im Einzelnen verteilen sich die verbrecherischen Handlungen wie folgt:<lb/> den Hauptanteil tragen die Verbrechen und Vergehen gegen das Vermögen.<lb/> Hier stieg die Zahl der Verurteilten im Jahre 1912 von 37745 auf 40769.<lb/> Die Handlungen gegen die Person steigerten sich von 11043 (6511) auf 11383<lb/> Fälle. Wegen gefährlicher Körperverletzung sind allein 6769 Jugendliche ver¬<lb/> urteilt. Bedauerlich stark war auch der Anteil der Jugendlichen an Sittlichkeits¬<lb/> delikten. Es kommen 1379 Verurteilungen vor, gegen 1141 Verurteilungen im<lb/> Jahre 1909.</p><lb/> <p xml:id="ID_722"> Alle kriminelle Typenforschung, ebenso die Erhebungen der Leitung der<lb/> Fürsorgeerziehung, die Fortbildungsschulstatistiken, die Erhebungen der Schul¬<lb/> behörden, die Feststellungen von Schulärzten und Schulschwestern lassen uns<lb/> immer deutlicher erkennen, daß gewisse Verkrüppelungen der Seele, moralische<lb/> Defekte, die zu Kriminalhandlungen ausarten, im Kindesalter ihre Wurzeln<lb/> haben. Sie wuchern auf in der überanstrengten Kinderseele, sowohl in der<lb/> unüberwachter, als auch in der, die vor Arbeit und Ausnutzung nie Zeit fand<lb/> für ein Kinderlachen, ein Kinderspiel, in der Seele jeuer, die in den frühesten<lb/> Jahren in die Sielen eingestellt, nie Kinder waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_723" next="#ID_724"> Es wird sich niemals ermöglichen lassen, die Tätigüit unserer Kinder ganz<lb/> einzuschränken, denn sie wird immer dort notwendig sein, wo die Not auch der<lb/> kleinsten Handreichung nicht entraten kann. Es werden sich auch immer Jndi-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0229]
Gewerbliche Rinderarbeit
doch nicht nur die Schädigung des Körpers in Betracht, sondern auch die Ab¬
nahme der Schuldisziplin, die Lehrmißerfolge. Die ungestörte Sicherung des
Schulbesuches ist für unsere Kinder des Volkes doppelt notwendig, weil sie Ab¬
kömmlinge von Arbeitenden sind und demzufolge des Erziehungsclementes,
das die Schule zu bieten vermag, nicht entraten können. Die Eltern können
. ihnen meist keine genügende Erziehung, sei es ans Zeitmangel, sei es aus Un¬
vermögen, zuteil werden lassen. Daß zwischen sittlicher Schädigung, jugend¬
licher Kriminalität und der Beschäftigung in gewerblichen Betrieben Zusammen¬
hänge bestehen, ist eine leider nur zu oft erwiesene Tatsache.
Der Abgeordnete Liebknecht hat bei der Beratung des Justizetats im
Frühjahr 1914 im Abgeordnetenhause behauptet, die Kriminalität der Jugend¬
lichen habe sich eher verringert als vermehrt. Leider widerspricht dem die
ini April 1914 erschienene Kriminalstatistik für 1912. Aus ihr geht eine recht
erhebliche Steigerung der Zahl der verurteilten jugendlichen Personen hervor.
Es sind nach den Statistik verurteilt wegen: Verbrechen und Vergehen gegen
Reichsgesetze 54902 Personen unter 18 Jahren, gegen 50880 im Jahre 1911
und 49647 Personen im Jahre 1910. Gegenüber der Gesamtkriminalität stieg
die der Jugendlichen auch in bedauernswerten Umfange. Die Gcsamtkriminalität
stieg um 5,2 v. H., die der Jugendlichen um 7,3 v. H. Somit ist auch der
Anteil der Jugendlichen an der Gesamtkriminalität gestiegen, der in den Jahren
1902—1908 stets um 10 v. H. geschwankt, im Jahre 1909 auf 9,13 v. H.
zurückgegangen war. Im Jahre 1912 ist er auf 9,45 v. H. gestiegen.
Im Einzelnen verteilen sich die verbrecherischen Handlungen wie folgt:
den Hauptanteil tragen die Verbrechen und Vergehen gegen das Vermögen.
Hier stieg die Zahl der Verurteilten im Jahre 1912 von 37745 auf 40769.
Die Handlungen gegen die Person steigerten sich von 11043 (6511) auf 11383
Fälle. Wegen gefährlicher Körperverletzung sind allein 6769 Jugendliche ver¬
urteilt. Bedauerlich stark war auch der Anteil der Jugendlichen an Sittlichkeits¬
delikten. Es kommen 1379 Verurteilungen vor, gegen 1141 Verurteilungen im
Jahre 1909.
Alle kriminelle Typenforschung, ebenso die Erhebungen der Leitung der
Fürsorgeerziehung, die Fortbildungsschulstatistiken, die Erhebungen der Schul¬
behörden, die Feststellungen von Schulärzten und Schulschwestern lassen uns
immer deutlicher erkennen, daß gewisse Verkrüppelungen der Seele, moralische
Defekte, die zu Kriminalhandlungen ausarten, im Kindesalter ihre Wurzeln
haben. Sie wuchern auf in der überanstrengten Kinderseele, sowohl in der
unüberwachter, als auch in der, die vor Arbeit und Ausnutzung nie Zeit fand
für ein Kinderlachen, ein Kinderspiel, in der Seele jeuer, die in den frühesten
Jahren in die Sielen eingestellt, nie Kinder waren.
Es wird sich niemals ermöglichen lassen, die Tätigüit unserer Kinder ganz
einzuschränken, denn sie wird immer dort notwendig sein, wo die Not auch der
kleinsten Handreichung nicht entraten kann. Es werden sich auch immer Jndi-
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