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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Deutsche Rultur im englischen Spiegel

tke slizMeZt eomponsation" entstanden sei. Für England würde -- wie
immer der Krieg auch ausgehen mag -- es sich nicht nur darum handeln,
ein "settlement aller elf >on-" zu erreichen, sondern wirklichen Frieden zwischen
den beiden Völkern herzustellen, wobei der neue Wein des Imperialismus auf
der ganzen Welt in den alten Schlauch der europäischen Grenzen gegossen
werden müsse. Dieser Prozeß sei allerdings unlöslich mit der Frage der See>
gemalt verbunden.

Den größte" Raum in den weiteren Ausführungen nimmt List ein, der
mit großer Gerechtigkeit gewürdigt wird in seinein natürlichen Gegensatz zu
Adam Smith und dem "LmitKlÄnism". Es wird offen zugegeben, daß auch
für Deutschland das oberste Gesetz die Erhaltung des Staates sei und das; es
schließlich keine Beschränkung für das Recht der Selbsterhaltung des Staates
gebe. Danach hätte sich auch der Begriff der Freiheit zu regeln.

Man kann nicht leicht einer offeneren Anerkennung der Relativität der
Staats- und Machtauffassung begegnen als wie sie sich in den folgenden Zeilen
offenbart:


"Die geographischen Landgrenzen haben den großen Nationen
des europäischen Kontinents gewisse staatsbürgerliche Beschränkungen
auferlegt, denen unser Land entrinnen konnte"

oder:


"Der Staat muß sich selbst behaupten, denn er braucht ein Gebiet,
innerhalb dessen dieser bestimmte Menschheitstnpus seineu Genius aus¬
drücken und entfalten kann".

Dem in England sonst so viel geschmähten Treitschke wird großes Lob
gezollt und zugegeben, er habe auch für den Staat nicht mehr Macht gefordert,
als dieser brauche; sein bekanntes Wort: "Die Strahlen des göttlichen Lichtes
brechen sich in unendlicher Strahlung in den einzelnen Nationen; jede Nation
hat das Recht zu glauben, daß gewisse Kräfte der göttlichen Vernunft gerade
in ihr, das heißt in dieser speziellen Nation, ihre höchste Entwicklung finden",
wird auf eine Stufe gesetzt mit dem alten englischen Wahlspruch: countr^,
nZlit or >vronZ". Auch die angebliche Machttheorie Treitschkes, die nach des
englischen Schriftstellers Meinung der viel weniger bedeutende Bernhard!
selbständig weiterentwickelt habe, wirb auf ihr richtiges Maß zurückgeführt,
indem gesagt wird, daß es ganz unbedenklich sei, Staatsverträge, die sich über¬
lebt haben, zu kündigen.

Die ganz ungewöhnlichen Darlegungen des Verfassers schließen mit dem
Zitat des Professor Cramb: "Wir dürfen nicht die Ansprüche und Pläne einst
anderen Nation durchkreuzen, deren großer Historiker ebenso über den Staat
schrieb wie wir, den Staat, der unsere Vorfahren mit seiner Gerechtigkeit be¬
schützte, den sie verteidigten mit ihren Leibern, den die Lebenden berufen sind
weiter auszubauen und den höher entwickelte Kinder und Kindeskinder einst
erben sollen. Für die Verteidigung dieser Erbschaft muß ebenso der Grundsatz


Deutsche Rultur im englischen Spiegel

tke slizMeZt eomponsation" entstanden sei. Für England würde — wie
immer der Krieg auch ausgehen mag — es sich nicht nur darum handeln,
ein „settlement aller elf >on-" zu erreichen, sondern wirklichen Frieden zwischen
den beiden Völkern herzustellen, wobei der neue Wein des Imperialismus auf
der ganzen Welt in den alten Schlauch der europäischen Grenzen gegossen
werden müsse. Dieser Prozeß sei allerdings unlöslich mit der Frage der See>
gemalt verbunden.

Den größte« Raum in den weiteren Ausführungen nimmt List ein, der
mit großer Gerechtigkeit gewürdigt wird in seinein natürlichen Gegensatz zu
Adam Smith und dem „LmitKlÄnism". Es wird offen zugegeben, daß auch
für Deutschland das oberste Gesetz die Erhaltung des Staates sei und das; es
schließlich keine Beschränkung für das Recht der Selbsterhaltung des Staates
gebe. Danach hätte sich auch der Begriff der Freiheit zu regeln.

Man kann nicht leicht einer offeneren Anerkennung der Relativität der
Staats- und Machtauffassung begegnen als wie sie sich in den folgenden Zeilen
offenbart:


„Die geographischen Landgrenzen haben den großen Nationen
des europäischen Kontinents gewisse staatsbürgerliche Beschränkungen
auferlegt, denen unser Land entrinnen konnte"

oder:


„Der Staat muß sich selbst behaupten, denn er braucht ein Gebiet,
innerhalb dessen dieser bestimmte Menschheitstnpus seineu Genius aus¬
drücken und entfalten kann".

Dem in England sonst so viel geschmähten Treitschke wird großes Lob
gezollt und zugegeben, er habe auch für den Staat nicht mehr Macht gefordert,
als dieser brauche; sein bekanntes Wort: „Die Strahlen des göttlichen Lichtes
brechen sich in unendlicher Strahlung in den einzelnen Nationen; jede Nation
hat das Recht zu glauben, daß gewisse Kräfte der göttlichen Vernunft gerade
in ihr, das heißt in dieser speziellen Nation, ihre höchste Entwicklung finden",
wird auf eine Stufe gesetzt mit dem alten englischen Wahlspruch: countr^,
nZlit or >vronZ". Auch die angebliche Machttheorie Treitschkes, die nach des
englischen Schriftstellers Meinung der viel weniger bedeutende Bernhard!
selbständig weiterentwickelt habe, wirb auf ihr richtiges Maß zurückgeführt,
indem gesagt wird, daß es ganz unbedenklich sei, Staatsverträge, die sich über¬
lebt haben, zu kündigen.

Die ganz ungewöhnlichen Darlegungen des Verfassers schließen mit dem
Zitat des Professor Cramb: „Wir dürfen nicht die Ansprüche und Pläne einst
anderen Nation durchkreuzen, deren großer Historiker ebenso über den Staat
schrieb wie wir, den Staat, der unsere Vorfahren mit seiner Gerechtigkeit be¬
schützte, den sie verteidigten mit ihren Leibern, den die Lebenden berufen sind
weiter auszubauen und den höher entwickelte Kinder und Kindeskinder einst
erben sollen. Für die Verteidigung dieser Erbschaft muß ebenso der Grundsatz


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[0219] Deutsche Rultur im englischen Spiegel tke slizMeZt eomponsation" entstanden sei. Für England würde — wie immer der Krieg auch ausgehen mag — es sich nicht nur darum handeln, ein „settlement aller elf >on-" zu erreichen, sondern wirklichen Frieden zwischen den beiden Völkern herzustellen, wobei der neue Wein des Imperialismus auf der ganzen Welt in den alten Schlauch der europäischen Grenzen gegossen werden müsse. Dieser Prozeß sei allerdings unlöslich mit der Frage der See> gemalt verbunden. Den größte« Raum in den weiteren Ausführungen nimmt List ein, der mit großer Gerechtigkeit gewürdigt wird in seinein natürlichen Gegensatz zu Adam Smith und dem „LmitKlÄnism". Es wird offen zugegeben, daß auch für Deutschland das oberste Gesetz die Erhaltung des Staates sei und das; es schließlich keine Beschränkung für das Recht der Selbsterhaltung des Staates gebe. Danach hätte sich auch der Begriff der Freiheit zu regeln. Man kann nicht leicht einer offeneren Anerkennung der Relativität der Staats- und Machtauffassung begegnen als wie sie sich in den folgenden Zeilen offenbart: „Die geographischen Landgrenzen haben den großen Nationen des europäischen Kontinents gewisse staatsbürgerliche Beschränkungen auferlegt, denen unser Land entrinnen konnte" oder: „Der Staat muß sich selbst behaupten, denn er braucht ein Gebiet, innerhalb dessen dieser bestimmte Menschheitstnpus seineu Genius aus¬ drücken und entfalten kann". Dem in England sonst so viel geschmähten Treitschke wird großes Lob gezollt und zugegeben, er habe auch für den Staat nicht mehr Macht gefordert, als dieser brauche; sein bekanntes Wort: „Die Strahlen des göttlichen Lichtes brechen sich in unendlicher Strahlung in den einzelnen Nationen; jede Nation hat das Recht zu glauben, daß gewisse Kräfte der göttlichen Vernunft gerade in ihr, das heißt in dieser speziellen Nation, ihre höchste Entwicklung finden", wird auf eine Stufe gesetzt mit dem alten englischen Wahlspruch: countr^, nZlit or >vronZ". Auch die angebliche Machttheorie Treitschkes, die nach des englischen Schriftstellers Meinung der viel weniger bedeutende Bernhard! selbständig weiterentwickelt habe, wirb auf ihr richtiges Maß zurückgeführt, indem gesagt wird, daß es ganz unbedenklich sei, Staatsverträge, die sich über¬ lebt haben, zu kündigen. Die ganz ungewöhnlichen Darlegungen des Verfassers schließen mit dem Zitat des Professor Cramb: „Wir dürfen nicht die Ansprüche und Pläne einst anderen Nation durchkreuzen, deren großer Historiker ebenso über den Staat schrieb wie wir, den Staat, der unsere Vorfahren mit seiner Gerechtigkeit be¬ schützte, den sie verteidigten mit ihren Leibern, den die Lebenden berufen sind weiter auszubauen und den höher entwickelte Kinder und Kindeskinder einst erben sollen. Für die Verteidigung dieser Erbschaft muß ebenso der Grundsatz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/219>, abgerufen am 15.01.2025.