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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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Deutsche Rnltnr im englischen Spiegel

So wird denn in der Einleitung zum zweiten Kapitel: "pnilosopliy"
trotzdem gesagt, daß die Deutschen in der Metaphysik schlechthin unübertroffen
seien. Dazu gehöre nicht nur ein besonderer Mut und eine besondere Tiefe
des Denkens, sondern anch die arbiträre Sicherheit, welche Eigenschaften sämtlich
gleicherweise echt deutsch feien. (S. 33.) "Deutschland allein war imstande
eine Philosophie zu schaffen, welche romantisch genannt werden muß und daß
es dies konnte, ist ebenso ein Beweis der Größe als der Mängel seiner Philosophie."

Jede Metaphysik beginne mit einem Überblick über das ganze Feld mensch¬
lichen Wissens und setze "die geduldige Gründlichkeit und den immensen Fleiß
voraus, in dem der Deutsche niemals übertroffen worden sei." Natürlich seien
andererseits die Deutschen mit ihren methodischen Systemen niemals Entdecker,
sondern stets Konstrulteurc. Als vom englischen Standpunkt besonders rühmlich
wird hervorgehoben, daß die deutsche Philosophie eine Leistung "der Persön-
lichkeit" sei. Alle deutschen Philosophen, mit Ausnahme von Kant, seien
endlich in dem Sinne Monisten, daß sie das Geheimnis der Welt durch ein
Prinzip zu erklären versuchen.

Es folgt dann eine außerordentlich gründliche und eingehende Studie über
den Anteil Deutschlands an den praktischen Wissenschaften, besonders während
der letzten 100 Jahre, namentlich in Biologie, Physik und Chemie. Es wird
gesagt: "Die Deutschen seien in ihrer normalen Verfassung wahrscheinlich die
geordnetsten Geister in Europa und der größte englische Philosoph Spencer
erscheine in diesem Sinne durchaus als ein vollständiger Deutscher, nur daß er
leider die Literatur seines Gegenstandes nicht kannte. (I) In Großbritannien scheine
dieNeigung zur methodischen Systematisierung bedauerlicherweise nicht groß zusein."

In einer großen Anzahl von Entdeckungen und in der Weiterentwicklung
von Ideen hätten die deutschen Forscher einen solchen Einfluß ausgeübt, daß
er als "von ewiger Dauer" (evsr Ja8tIriA) bezeichnet werden müsse. Die Eng¬
länder müßten als Wahrheitssucher um ihrer Selbstachtung willen der Ver¬
suchung widerstehen, das zu verkleinern, was sich als groß erwiesen habe: die
Arbeit der deutschen Erfinder. (S. 70.) Es sei absurd, ein Land zu beschimpfen,
daß Männer von der wissenschaftlichen Größe, wie: Behring, Voltzmann, Vunsen,
Cantor, Clausius, Dedekind"), Du Bois-Reymond, Ehrlich. Fischer, Frege, Gauß,
.Gegenbaur, Goethe, Haeckel, Helmholtz, Keppler, Kirchhofs, Koch, Kopp, Leibniz,
Liebig, Lotze, Ludwig, Mayer, Meyer, Johannes Müller, Ohm, Ostwald, Penck,
Richthofen, Riemann, Ritter, Rosenbusch, Roux. Sachs, Sueß, Virchow, Weber,
Weismann, Wislecenius. Wolff, Wundt, Zirkel. Zittek (S. 70) hervorgebracht habe.

Die lange Reihe großer Namen, die der Feind hier und zwar mit der
ganzen Ruhe tiefer innerer Überzeugung zusammengestellt, wird jeder für die
Kultur der Menschheit Empfängliche mit Genugtuung lesen. Das ganze Kapitel
wirkt wie eine mit englischer Gründlichkeit verfaßte Enzyklopädie von Großtaten



*) Mathematiker.
Deutsche Rnltnr im englischen Spiegel

So wird denn in der Einleitung zum zweiten Kapitel: „pnilosopliy"
trotzdem gesagt, daß die Deutschen in der Metaphysik schlechthin unübertroffen
seien. Dazu gehöre nicht nur ein besonderer Mut und eine besondere Tiefe
des Denkens, sondern anch die arbiträre Sicherheit, welche Eigenschaften sämtlich
gleicherweise echt deutsch feien. (S. 33.) „Deutschland allein war imstande
eine Philosophie zu schaffen, welche romantisch genannt werden muß und daß
es dies konnte, ist ebenso ein Beweis der Größe als der Mängel seiner Philosophie."

Jede Metaphysik beginne mit einem Überblick über das ganze Feld mensch¬
lichen Wissens und setze „die geduldige Gründlichkeit und den immensen Fleiß
voraus, in dem der Deutsche niemals übertroffen worden sei." Natürlich seien
andererseits die Deutschen mit ihren methodischen Systemen niemals Entdecker,
sondern stets Konstrulteurc. Als vom englischen Standpunkt besonders rühmlich
wird hervorgehoben, daß die deutsche Philosophie eine Leistung „der Persön-
lichkeit" sei. Alle deutschen Philosophen, mit Ausnahme von Kant, seien
endlich in dem Sinne Monisten, daß sie das Geheimnis der Welt durch ein
Prinzip zu erklären versuchen.

Es folgt dann eine außerordentlich gründliche und eingehende Studie über
den Anteil Deutschlands an den praktischen Wissenschaften, besonders während
der letzten 100 Jahre, namentlich in Biologie, Physik und Chemie. Es wird
gesagt: „Die Deutschen seien in ihrer normalen Verfassung wahrscheinlich die
geordnetsten Geister in Europa und der größte englische Philosoph Spencer
erscheine in diesem Sinne durchaus als ein vollständiger Deutscher, nur daß er
leider die Literatur seines Gegenstandes nicht kannte. (I) In Großbritannien scheine
dieNeigung zur methodischen Systematisierung bedauerlicherweise nicht groß zusein."

In einer großen Anzahl von Entdeckungen und in der Weiterentwicklung
von Ideen hätten die deutschen Forscher einen solchen Einfluß ausgeübt, daß
er als „von ewiger Dauer" (evsr Ja8tIriA) bezeichnet werden müsse. Die Eng¬
länder müßten als Wahrheitssucher um ihrer Selbstachtung willen der Ver¬
suchung widerstehen, das zu verkleinern, was sich als groß erwiesen habe: die
Arbeit der deutschen Erfinder. (S. 70.) Es sei absurd, ein Land zu beschimpfen,
daß Männer von der wissenschaftlichen Größe, wie: Behring, Voltzmann, Vunsen,
Cantor, Clausius, Dedekind"), Du Bois-Reymond, Ehrlich. Fischer, Frege, Gauß,
.Gegenbaur, Goethe, Haeckel, Helmholtz, Keppler, Kirchhofs, Koch, Kopp, Leibniz,
Liebig, Lotze, Ludwig, Mayer, Meyer, Johannes Müller, Ohm, Ostwald, Penck,
Richthofen, Riemann, Ritter, Rosenbusch, Roux. Sachs, Sueß, Virchow, Weber,
Weismann, Wislecenius. Wolff, Wundt, Zirkel. Zittek (S. 70) hervorgebracht habe.

Die lange Reihe großer Namen, die der Feind hier und zwar mit der
ganzen Ruhe tiefer innerer Überzeugung zusammengestellt, wird jeder für die
Kultur der Menschheit Empfängliche mit Genugtuung lesen. Das ganze Kapitel
wirkt wie eine mit englischer Gründlichkeit verfaßte Enzyklopädie von Großtaten



*) Mathematiker.
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[0215] Deutsche Rnltnr im englischen Spiegel So wird denn in der Einleitung zum zweiten Kapitel: „pnilosopliy" trotzdem gesagt, daß die Deutschen in der Metaphysik schlechthin unübertroffen seien. Dazu gehöre nicht nur ein besonderer Mut und eine besondere Tiefe des Denkens, sondern anch die arbiträre Sicherheit, welche Eigenschaften sämtlich gleicherweise echt deutsch feien. (S. 33.) „Deutschland allein war imstande eine Philosophie zu schaffen, welche romantisch genannt werden muß und daß es dies konnte, ist ebenso ein Beweis der Größe als der Mängel seiner Philosophie." Jede Metaphysik beginne mit einem Überblick über das ganze Feld mensch¬ lichen Wissens und setze „die geduldige Gründlichkeit und den immensen Fleiß voraus, in dem der Deutsche niemals übertroffen worden sei." Natürlich seien andererseits die Deutschen mit ihren methodischen Systemen niemals Entdecker, sondern stets Konstrulteurc. Als vom englischen Standpunkt besonders rühmlich wird hervorgehoben, daß die deutsche Philosophie eine Leistung „der Persön- lichkeit" sei. Alle deutschen Philosophen, mit Ausnahme von Kant, seien endlich in dem Sinne Monisten, daß sie das Geheimnis der Welt durch ein Prinzip zu erklären versuchen. Es folgt dann eine außerordentlich gründliche und eingehende Studie über den Anteil Deutschlands an den praktischen Wissenschaften, besonders während der letzten 100 Jahre, namentlich in Biologie, Physik und Chemie. Es wird gesagt: „Die Deutschen seien in ihrer normalen Verfassung wahrscheinlich die geordnetsten Geister in Europa und der größte englische Philosoph Spencer erscheine in diesem Sinne durchaus als ein vollständiger Deutscher, nur daß er leider die Literatur seines Gegenstandes nicht kannte. (I) In Großbritannien scheine dieNeigung zur methodischen Systematisierung bedauerlicherweise nicht groß zusein." In einer großen Anzahl von Entdeckungen und in der Weiterentwicklung von Ideen hätten die deutschen Forscher einen solchen Einfluß ausgeübt, daß er als „von ewiger Dauer" (evsr Ja8tIriA) bezeichnet werden müsse. Die Eng¬ länder müßten als Wahrheitssucher um ihrer Selbstachtung willen der Ver¬ suchung widerstehen, das zu verkleinern, was sich als groß erwiesen habe: die Arbeit der deutschen Erfinder. (S. 70.) Es sei absurd, ein Land zu beschimpfen, daß Männer von der wissenschaftlichen Größe, wie: Behring, Voltzmann, Vunsen, Cantor, Clausius, Dedekind"), Du Bois-Reymond, Ehrlich. Fischer, Frege, Gauß, .Gegenbaur, Goethe, Haeckel, Helmholtz, Keppler, Kirchhofs, Koch, Kopp, Leibniz, Liebig, Lotze, Ludwig, Mayer, Meyer, Johannes Müller, Ohm, Ostwald, Penck, Richthofen, Riemann, Ritter, Rosenbusch, Roux. Sachs, Sueß, Virchow, Weber, Weismann, Wislecenius. Wolff, Wundt, Zirkel. Zittek (S. 70) hervorgebracht habe. Die lange Reihe großer Namen, die der Feind hier und zwar mit der ganzen Ruhe tiefer innerer Überzeugung zusammengestellt, wird jeder für die Kultur der Menschheit Empfängliche mit Genugtuung lesen. Das ganze Kapitel wirkt wie eine mit englischer Gründlichkeit verfaßte Enzyklopädie von Großtaten *) Mathematiker.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/215>, abgerufen am 15.01.2025.