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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.

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König Nikola von Montenegro und seine Politik

Das nächste Jahrzehnt nach dem Kriege war für Montenegro ein sehr
trauriges. Eine fürchterliche Willkürwirtschaft riß ein. Der Fürst herrschte als
unumschränkter Tyrann, beutete das Volk aus und ließ seine Günstlinge derart
wirtschaften, daß viele anständige Elemente es vorzogen, ihrem Vaterlande den
Rücken zu kehren. Einige suchten in Bosnien Zuflucht und wurden Österreicher,
andere wanderten nach Amerika aus. Verschwörungen wurden angezettelt und
entdeckt, die Kerker füllten sich mit Schuldigen und Unschuldigen. Wie des Fürsten
Gegner mir mitteilten, verwendete er verschiedene elende Subjekte als "aZentg
provoeateurs", indem er durch sie jene Unzufriedenen, die ihm gefährlich
schienen, gegen die er aber nicht vorgehen konnte, ins Garn locken und dann der
Verschwörung anklagen und unschädlich machen ließ. Da mir dies auch von Leuten
unanfechtbarer Rechtlichkeit (z. B. Garaschanin und Horvaiovitsch) bestätigt wurde,
muß es wahr sein. Die Auswanderung aus Montenegro nahm schließlich einen
solchen Umfang an, daß eine völlige Entvölkerung drohte. Von kaum einer
Viertel Million waren über 50000 ausgewandert! Dazu verarmte das Volk
vollständig, während der Fürst zum mehrfachen Millionär wurde. Das hatte
aber auf seinen Geiz keinen Einfluß. Er machte sich nichts daraus, seine
nächsten Verwandten übers Ohr zu hauen. Seinem Eidam, den: König Peter
von Serbien, schuldet er heute noch nicht nur die Mitgift, die er selbst seiner
ältesten Tochter Zorka ausgesetzt hatte, sondern auch jene 100000 Rubel, die
ihm der Zar zur Erhöhung der Mitgift gespendet hatte I Er behielt nämlich
beide Summen für sich, was Peier Karagjorgjevitsch für immer verschnupfte.
Sogar in Kleinigkeiten zeigte sich seine Habsucht. Als der Vladika (Bischof)
von Montenegro ein prächtiges Pferd zum Geschenk erhielt, sagte ihm der Fürst:
"Was brauchst du als Bischof ein Pferd! Obendrein ein fo schönes! Wo
doch der Heiland selbst nur auf einer Eselin geritten ist! Das kann ich selbst
viel besser brauchen!" Sprachs, schwang sich aufs Roß und verschwand damit
zum Schmerz des armen Vladika. Überhaupt konnte man nicht vorsichtig
genug gegen ihn sein. Als ich seine militärische Unfähigkeit und seine sonstigen
schlechten Seiten in meinem Erstlingswerke, sowie in meinem dreibändigen
"Turko-montenegrinischen Krieg 1876/78" in der schärfsten Weise gegeißelt
hatte, suchte er 1879 Annäherung, indem er mir durch Vrbica die Stelle eines
montenegrinischen Ministerresidenten an den europäischen Höfen antrug, sofern
ich die österreichische Staatsbürgerschaft mit der montenegrinischen vertausche und
dann nach Cetinje zurückkehre, um alles zu besprechen. Weil ich nicht traute,
verlangte ich von ihm die Hinterlegung von 100000 Gulden in Wien, die
meiner Schwester zuzufallen hätten, falls Nikola entweder feine Zusage nicht
halte oder mir in Montenegro ein Unglück zustoße. Das lehnte Nikola "als
gegen seine Monarchenwürde verstoßend" ab und ich wußte nun, was ich davon
zu halten hatte. Nikola war eben stets bereit, alle mit denen er zu tun hatte,
Kbers Ohr zu hauen.

Dies zeigte sich auch in seiner zwischen Österreich und Rußland schwankenden


König Nikola von Montenegro und seine Politik

Das nächste Jahrzehnt nach dem Kriege war für Montenegro ein sehr
trauriges. Eine fürchterliche Willkürwirtschaft riß ein. Der Fürst herrschte als
unumschränkter Tyrann, beutete das Volk aus und ließ seine Günstlinge derart
wirtschaften, daß viele anständige Elemente es vorzogen, ihrem Vaterlande den
Rücken zu kehren. Einige suchten in Bosnien Zuflucht und wurden Österreicher,
andere wanderten nach Amerika aus. Verschwörungen wurden angezettelt und
entdeckt, die Kerker füllten sich mit Schuldigen und Unschuldigen. Wie des Fürsten
Gegner mir mitteilten, verwendete er verschiedene elende Subjekte als „aZentg
provoeateurs", indem er durch sie jene Unzufriedenen, die ihm gefährlich
schienen, gegen die er aber nicht vorgehen konnte, ins Garn locken und dann der
Verschwörung anklagen und unschädlich machen ließ. Da mir dies auch von Leuten
unanfechtbarer Rechtlichkeit (z. B. Garaschanin und Horvaiovitsch) bestätigt wurde,
muß es wahr sein. Die Auswanderung aus Montenegro nahm schließlich einen
solchen Umfang an, daß eine völlige Entvölkerung drohte. Von kaum einer
Viertel Million waren über 50000 ausgewandert! Dazu verarmte das Volk
vollständig, während der Fürst zum mehrfachen Millionär wurde. Das hatte
aber auf seinen Geiz keinen Einfluß. Er machte sich nichts daraus, seine
nächsten Verwandten übers Ohr zu hauen. Seinem Eidam, den: König Peter
von Serbien, schuldet er heute noch nicht nur die Mitgift, die er selbst seiner
ältesten Tochter Zorka ausgesetzt hatte, sondern auch jene 100000 Rubel, die
ihm der Zar zur Erhöhung der Mitgift gespendet hatte I Er behielt nämlich
beide Summen für sich, was Peier Karagjorgjevitsch für immer verschnupfte.
Sogar in Kleinigkeiten zeigte sich seine Habsucht. Als der Vladika (Bischof)
von Montenegro ein prächtiges Pferd zum Geschenk erhielt, sagte ihm der Fürst:
„Was brauchst du als Bischof ein Pferd! Obendrein ein fo schönes! Wo
doch der Heiland selbst nur auf einer Eselin geritten ist! Das kann ich selbst
viel besser brauchen!" Sprachs, schwang sich aufs Roß und verschwand damit
zum Schmerz des armen Vladika. Überhaupt konnte man nicht vorsichtig
genug gegen ihn sein. Als ich seine militärische Unfähigkeit und seine sonstigen
schlechten Seiten in meinem Erstlingswerke, sowie in meinem dreibändigen
„Turko-montenegrinischen Krieg 1876/78" in der schärfsten Weise gegeißelt
hatte, suchte er 1879 Annäherung, indem er mir durch Vrbica die Stelle eines
montenegrinischen Ministerresidenten an den europäischen Höfen antrug, sofern
ich die österreichische Staatsbürgerschaft mit der montenegrinischen vertausche und
dann nach Cetinje zurückkehre, um alles zu besprechen. Weil ich nicht traute,
verlangte ich von ihm die Hinterlegung von 100000 Gulden in Wien, die
meiner Schwester zuzufallen hätten, falls Nikola entweder feine Zusage nicht
halte oder mir in Montenegro ein Unglück zustoße. Das lehnte Nikola „als
gegen seine Monarchenwürde verstoßend" ab und ich wußte nun, was ich davon
zu halten hatte. Nikola war eben stets bereit, alle mit denen er zu tun hatte,
Kbers Ohr zu hauen.

Dies zeigte sich auch in seiner zwischen Österreich und Rußland schwankenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_329665/198>, abgerufen am 15.01.2025.