Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Erstes Vierteljahr.Die Zukunft des Völkerrechts diese allgemeines Völkerrecht enthaltenden völkerrechtlichen Verträge haben als Überall im Völkerrecht sehen wir außerdem ein Vorherrschen politischer Der überwiegend "rechtspolitische" Charakter des Völkerrechts muß auch Man unterscheidet "dualistische" und "monistische" Völkerrechtstheorien, je Die Zukunft des Völkerrechts diese allgemeines Völkerrecht enthaltenden völkerrechtlichen Verträge haben als Überall im Völkerrecht sehen wir außerdem ein Vorherrschen politischer Der überwiegend „rechtspolitische" Charakter des Völkerrechts muß auch Man unterscheidet „dualistische" und „monistische" Völkerrechtstheorien, je <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0183" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329849"/> <fw type="header" place="top"> Die Zukunft des Völkerrechts</fw><lb/> <p xml:id="ID_567" prev="#ID_566"> diese allgemeines Völkerrecht enthaltenden völkerrechtlichen Verträge haben als<lb/> Völkerrechtsquellen nur sehr relativen und mehr historischen Beweiswert als<lb/> juristische Bedeutung.</p><lb/> <p xml:id="ID_568"> Überall im Völkerrecht sehen wir außerdem ein Vorherrschen politischer<lb/> Zwecke über die juristische Grundlegung, einen Erkenntnisgrund und eine Er¬<lb/> kenntnisweise, die wir nicht mehr nur als „Jurisprudenz", sondern auch und<lb/> überwiegend als „Rechtspolitik" anzusprechen berechtigt sind. Das Völkerrecht<lb/> teilt in dieser Hinsicht das Schicksal des Kolonialrechts und des Verbrechens¬<lb/> bekämpfungsrechts, die ebenfalls überwiegend rechtspolitischen Charakter tragen.<lb/> Hier wie dort handelt es sich weniger um rechtliche Bindungen und umfassende<lb/> Festlegungen von langer Dauer (Kodifikationen), wie das etwa im Zivilrecht<lb/> oder im Strafrecht im engeren Sinne wünschenswert ist, sondern um freiere,<lb/> weitherzigere, leichter abänderbare, den jeweiligen Kulturbedürfnissen anpaßbare<lb/> Bindungen, wie sie etwa das Verwaltungsrecht im Gegensatz zum Verfassungs¬<lb/> recht aufweist. Freilich auf fester allgemeiner Grundlage des Rechts und mit<lb/> fest bestimmten allgemeinen Zielen.</p><lb/> <p xml:id="ID_569"> Der überwiegend „rechtspolitische" Charakter des Völkerrechts muß auch<lb/> aus dem Grunde mehr als seither unterstrichen werden, weil die meisten Völker¬<lb/> rechtler ihn nicht anerkennen. Damit sind wir bei den sogenannten „Völker¬<lb/> rechtstheorien" angelangt, und müssen sie kurz streifen, um zu ihnen Stellung<lb/> nehmen zu können. Diese Theorien wollen das Völkerrecht zu dem „Recht" in<lb/> Beziehung setzen, meist mit dem Unterziel, den „juristischen" Charakter des<lb/> Völkerrechts darzutun.</p><lb/> <p xml:id="ID_570" next="#ID_571"> Man unterscheidet „dualistische" und „monistische" Völkerrechtstheorien, je<lb/> nachdem man Völkerrecht und Staatsrecht (dieses im denkbar weitesten Sinne<lb/> als das vom einzelnen Staate für ihn selbst geschaffene Recht, also alles inner¬<lb/> staatliche Recht) in zwei verschiedene Rechtskreise verlegt, von denen keiner den<lb/> andern deckt, oder man sie in einem einzigen oder in mehreren konzentrischen<lb/> Kreisen unterzubringen versucht. Innerhalb der dualistischen Völkerrechtstheorien<lb/> sind diejenigen hervorzuheben, die Völkerrecht und Staatsrecht als „qualitativ"<lb/> untereinander verschieden ansehen und die beiden Rechtsarten deshalb in ver¬<lb/> schiedene Ebenen verlegen. Man kann sie sich dadurch veranschaulichen, daß<lb/> man sich den Staat auf der untersten Stufe einer fünfteiligen Stufenfolge vor¬<lb/> stellt. Dann steht über ihm auf der zweiten Stufe das auch ihm übergeordnete<lb/> Staatsrecht, anf der dritten das Völkerrecht, auf der vierten der ethische<lb/> Imperativ und auf der fünften und obersten Stufe das Gebot des Glaubens,<lb/> die Religion. Gehen wir die Stufen von unten nach oben, so erscheint die<lb/> Staats- und Herrscheridee als einzige Rechtsquelle, als allein treibende Kraft,<lb/> die außerhalb ihrer selbst und über sich hinaus das Staatsrecht und durch<lb/> dieses hindurch vermittels des Verfassungsrechts durch weitere Abstraktion in<lb/> höherer Ebene das Völkerrecht schafft, dieses wiederum in höherer Ebene zur<lb/> Völkerethik und zum Völkerfrieden verallgemeinert, um im Glauben und in der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0183]
Die Zukunft des Völkerrechts
diese allgemeines Völkerrecht enthaltenden völkerrechtlichen Verträge haben als
Völkerrechtsquellen nur sehr relativen und mehr historischen Beweiswert als
juristische Bedeutung.
Überall im Völkerrecht sehen wir außerdem ein Vorherrschen politischer
Zwecke über die juristische Grundlegung, einen Erkenntnisgrund und eine Er¬
kenntnisweise, die wir nicht mehr nur als „Jurisprudenz", sondern auch und
überwiegend als „Rechtspolitik" anzusprechen berechtigt sind. Das Völkerrecht
teilt in dieser Hinsicht das Schicksal des Kolonialrechts und des Verbrechens¬
bekämpfungsrechts, die ebenfalls überwiegend rechtspolitischen Charakter tragen.
Hier wie dort handelt es sich weniger um rechtliche Bindungen und umfassende
Festlegungen von langer Dauer (Kodifikationen), wie das etwa im Zivilrecht
oder im Strafrecht im engeren Sinne wünschenswert ist, sondern um freiere,
weitherzigere, leichter abänderbare, den jeweiligen Kulturbedürfnissen anpaßbare
Bindungen, wie sie etwa das Verwaltungsrecht im Gegensatz zum Verfassungs¬
recht aufweist. Freilich auf fester allgemeiner Grundlage des Rechts und mit
fest bestimmten allgemeinen Zielen.
Der überwiegend „rechtspolitische" Charakter des Völkerrechts muß auch
aus dem Grunde mehr als seither unterstrichen werden, weil die meisten Völker¬
rechtler ihn nicht anerkennen. Damit sind wir bei den sogenannten „Völker¬
rechtstheorien" angelangt, und müssen sie kurz streifen, um zu ihnen Stellung
nehmen zu können. Diese Theorien wollen das Völkerrecht zu dem „Recht" in
Beziehung setzen, meist mit dem Unterziel, den „juristischen" Charakter des
Völkerrechts darzutun.
Man unterscheidet „dualistische" und „monistische" Völkerrechtstheorien, je
nachdem man Völkerrecht und Staatsrecht (dieses im denkbar weitesten Sinne
als das vom einzelnen Staate für ihn selbst geschaffene Recht, also alles inner¬
staatliche Recht) in zwei verschiedene Rechtskreise verlegt, von denen keiner den
andern deckt, oder man sie in einem einzigen oder in mehreren konzentrischen
Kreisen unterzubringen versucht. Innerhalb der dualistischen Völkerrechtstheorien
sind diejenigen hervorzuheben, die Völkerrecht und Staatsrecht als „qualitativ"
untereinander verschieden ansehen und die beiden Rechtsarten deshalb in ver¬
schiedene Ebenen verlegen. Man kann sie sich dadurch veranschaulichen, daß
man sich den Staat auf der untersten Stufe einer fünfteiligen Stufenfolge vor¬
stellt. Dann steht über ihm auf der zweiten Stufe das auch ihm übergeordnete
Staatsrecht, anf der dritten das Völkerrecht, auf der vierten der ethische
Imperativ und auf der fünften und obersten Stufe das Gebot des Glaubens,
die Religion. Gehen wir die Stufen von unten nach oben, so erscheint die
Staats- und Herrscheridee als einzige Rechtsquelle, als allein treibende Kraft,
die außerhalb ihrer selbst und über sich hinaus das Staatsrecht und durch
dieses hindurch vermittels des Verfassungsrechts durch weitere Abstraktion in
höherer Ebene das Völkerrecht schafft, dieses wiederum in höherer Ebene zur
Völkerethik und zum Völkerfrieden verallgemeinert, um im Glauben und in der
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